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Fliesst doch Wasser auf dem Mars?

Astronomie|Physik

Fliesst doch Wasser auf dem Mars?
Neue Erkenntnisse bringen die Puzzlesteine von unserem Bild des Roten Planeten gewaltig durcheinander.

Eine der auffälligsten Eigenarten des Mars ist seine ausgeprägte Zweiteilung: Während auf der Nordhalbkugel ebenes Tiefland überwiegt, dominieren auf der Südhalbkugel bergige Hochländer. Das nördliche Tiefland war in der Frühphase des Planeten vielleicht sogar von einem ausgedehnten Ozean bedeckt, vermuteten Forscher lange Zeit aufgrund verschiedener Oberflächenformationen.

Doch diese Hypothese hat in jüngster Zeit einen Dämpfer erhalten. Es gibt Mineralien, die für das einstige Vorhandensein von Wasser sprechen. Dazu zählen hydratisierte Silikate, besonders Phyllosilikate. Wissenschaftler haben diese Stoffe an Tausenden von Stellen auf dem Mars ausgemacht – allerdings in den Hochländern mittlerer Breite. In den nördlichen Ebenen, wo man sie am ehesten vermuten würde, gibt es sie nicht einmal an zehn Stellen. In allen Fällen handelt es sich um Einschlagskrater, bei denen sehr altes, tief liegendes Material an die Oberfläche gelangte. Wie passt das zu der Annahme eines Ozeans?

Eine Forschergruppe um Alberto Fairén von der NASA hat kürzlich ein Modell entwickelt, um das Fehlen der Phyllosilikate zu erklären. Demnach herrschte auf dem Mars einst ein starkes Temperaturgefälle von der Äquatorgegend zu den Polen. Deshalb war der Ozean nördlich von etwa 30 Grad Breite sehr kalt. Bei hohem Salzgehalt könnte die Gefriertemperatur sogar unter Null Grad Celsius gelegen haben. Bei solchen Temperaturen bilden sich kaum Phyllosilikate. In den äquatornahen Hochländern dagegen war es wohl wärmer.

Fairén und Kollegen haben dieses Szenario mit einem Klimamodell erhärtet. Ob es die einstige Realität widerspiegelt, ist ungewiss. Im Übrigen sind längst nicht mehr alle Forscher von der Existenz eines einstigen Ozeans überzeugt. Einer der Skeptiker ist Ernst Hauber vom Institut für Planetenforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin: „Es gibt immer mehr Hinweise, dass die Frühphase des Mars nicht ganz so warm und feucht war, wie manche meinen.“ Er vermutet, dass flüssiges Wasser nur phasenweise existierte – und wohl nicht in ozeanfüllenden Mengen. Dafür sprechen auch die Bildauswertungen von Catherine Weitz. Die Planetenforscherin vom Planetary Science Institute in Tucson, Arizona, fand am Boden und an den Wänden des zwei bis drei Milliarden Jahre alten Kanalsystems Noctis Labyrinthus verschiedene Mineralien, die auf ehemals vorhandenes flüssiges Wasser hindeuten. Weitz schließt daraus, dass diese Senken immer wieder Wasser führten. Dabei könnte es sich um Grundwasser gehandelt haben, das bei Ausbrüchen der nahen Tharsis-Vulkane austrat und sich in das Noctis Labyrinthus ergoss.

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Geheimnisvolle Dunkle Rinnen

Aber es gibt auch Hinweise auf heutiges Mars-Wasser: Letztes Jahr beobachtete ein Team um Alfred McEwen von der University of Arizona in Tucson mit einer Kamera an Bord der amerikanischen Raumsonde Mars Reconnaissance Orbiter feine, dunkle Rinnen. Sie sind einen halben bis fünf Meter breit und teils mehrere Hundert Meter lang. Man findet sie ausschließlich an steilen Hängen mit einem Gefälle zwischen 25 und 40 Grad. In manchen Gegenden gibt es mehr als 1000 solcher Rinnen.

Überraschenderweise verändern sie sich: Sie entstehen im späten Frühling, wobei sie teils 20 Meter pro Tag länger und dunkler werden. Zu Beginn des Herbstes werden sie wieder heller und verschwinden teilweise sogar völlig. Im Frühjahr darauf beginnt das Spiel von vorne, beschreibt es Nicolas Thomas von der Universität Bern, der zu dem Forscherteam gehört.

zehn Grad im Mars-Sommer

Dass hier wirklich Wasser im Spiel ist, dafür spricht eine weitere Beobachtung: Alle Rinnen befinden sich in einem Bereich zwischen 32 und 48 Grad südlicher Breite, wobei die Hänge zur Sonne ausgerichtet sind. „In diesen Gebieten steigt die Temperatur im Mars-Sommer bis auf plus zehn Grad Celsius“, sagt Thomas. Der Verdacht liegt nahe, dass Schmelzwasser aus dem Hanggestein austritt und abfließt. Allerdings hat diese Interpretation einen Haken: Das Spektrometer an Bord von Mars Reconnaissance Orbiter konnte in den Rinnen keinerlei Hinweise auf Wasser finden. „Die Rinnen erscheinen nicht dunkel, weil sie nass sind“, warnt McEwen vor Fehlschlüssen. Wenn hier wirklich fließendes Wasser am Werk sei, müsse sich dieses unter der Oberfläche befinden und die Lage von Steinchen und Staubkörnern darüber so verändern, dass diese Stellen dunkler wirken. Was dabei genau geschehen könnte, ist aber noch unklar. Derzeit laufen dazu Versuche in Bern.

Wenige Zentimeter unter der Oberfläche ist die Temperatur nahe oder leicht unter dem Gefrierpunkt. Das auf dem Mars allgegenwärtige Kohlendioxid ist bei dieser Kälte gasförmig und könnte die dunklen Rinnen also kaum erzeugen. Die Forscher halten es für am wahrscheinlichsten, dass salzhaltiges Wasser am Werk ist. Aus Laborversuchen ist bekannt, dass eine Mischung aus verschiedenen Chlorsalzen den Gefrierpunkt von Wasser auf bis minus 70 Grad Celsius senken kann, sodass es in den Rinnen noch flüssig sein könnte. Erst im Mars-Winter würde dann das Salzwasser gefrieren und die Abflüsse versiegen lassen. Es ist zwar bekannt, dass es auf der Mars-Oberfläche große Mengen an Chlorsalzen gibt – „aber wir wissen überhaupt nicht, welche Salze im Mars-Gestein in einigen Metern Tiefe vorhanden sind“, sagt Nicolas Thomas. Sollten die Rinnen wirklich von salzhaltigem Wasser gespeist werden, so wäre das eine wichtige Entdeckung. Ernst Hauber hält die Argumentation seiner Kollegen für sehr überzeugend, auch wenn die mögliche Herkunft des Wassers noch ungeklärt ist.

Gullies iM Krater

Auf jeden Fall muss man mit weitreichenden Schlüssen vorsichtig sein. Vor zehn Jahren fanden amerikanische Forscher an Kraterrändern und auch an Hängen von Dünen ähnliche Rinnen, die sie „Gullies“ nannten. Sie sind rund zehnmal so groß wie die jetzt entdeckten dunklen Rinnen. Auch für dieses Phänomen machten die Wissenschaftler zunächst Wasser verantwortlich. Doch später fand ein Team um Colin Dundas und Serina Diniega von der University of Arizona in Tucson heraus, dass sich die Gullies vor allem auf sonnenabgewandten Hängen befinden und hauptsächlich im Winter wachsen. Dann gefriert dort sogar Salzwasser.

Dundas und Diniega vermuten, dass sich im Winter Kohlendioxid-Eis auf den Höhenzügen ablagert. Wenn die Last zu schwer wird, stürzen Eis, Sand und Staub den Hang hinab und reißen weiteres Material mit sich. Die Gullies sind sehr wahrscheinlich Staublawinen, meint Nicolas Thomas. Hauber ist dagegen der Ansicht, dass auch die Gullies zumindest teilweise durch flüssiges Wasser entstanden sind, allerdings vor vielleicht einigen Hunderttausend oder Millionen Jahren. Heute liegen sie offenbar trocken – warum auch immer. DLR-Forscher Hauber hat auf Spitzbergen Fließspuren gefunden, die denen auf dem Mars stark ähneln. Er zieht daraus den Schluss, dass auch die Gullies durch Schneefall und anschließendes Schmelzwasser entstanden sind.

Mikroben im Grundwasser

Die mögliche Existenz von flüssigem Wasser belebt natürlich die Diskussion über Leben auf unserem Nachbarplaneten. Wenn flüssiges Wasser vielleicht nur innerhalb der ersten 800 Millionen Jahre und auch nur phasenweise existierte, könnte sich dann dort Leben gebildet haben? Einige Forscher spekulieren darüber, dass Mars-Mikroben bis heute in dem mutmaßlichen Grundwasser, das die dunklen Rinnen speist, überleben konnten. Das herauszufinden, ist in absehbarer Zeit unmöglich. Denn Untersuchungen der Rinnen mit einem Mars-Fahrzeug wären in dem steilen Gelände sehr schwierig.

Der neue NASA-Rover Mars Science Laboratory, genannt Curiosity („Neugier“), eignet sich dafür nicht. Er ist am 26. November 2011 zum Roten Planeten aufgebrochen und wird am 6. August dieses Jahres auf ihm landen. Für das 3 Meter lange und 900 Kilogramm schwere Fahrzeug wird die Suche nach Hinweisen auf einstiges Wasser an oberster Stelle stehen. Sein Ziel ist der 154 Kilometer große Krater Gale. In dessen Zentrum erhebt sich ein fünf Kilometer hoher Berg, der aus vielen Dutzend Sedimentschichten aufgebaut ist und von mehreren Schichten umringt wird. Hier sind schon aus der Mars-Umlaufbahn Sulfate und Phyllosilikate nachgewiesen worden, die starke Indizien für die einstige Existenz von Wasser sind.

Auf welche Weise sich die Sedimentschichten gebildet haben, ist noch weitgehend unklar. Wahrscheinlich entstand der Krater vor 3,8 bis 3,5 Milliarden Jahren durch einen Meteoriteneinschlag. Möglicherweise floss anschließend Wasser in ihn hinein und bildete einen See, in dem sich nach und nach Tonminerale am Boden absetzten. Schließlich trocknete der See aus, und am Kraterboden blieben Sedimentschichten zurück. „ Vermutlich hat der Wind zusätzliches Material dort hineingeweht“, sagt Hauber. Im Lauf der folgenden Jahrmilliarden erodierte der Wind dann das abgelagerte Material und der Zentralberg blieb übrig. In der Analyse der Sedimentschichten sehen die Forscher eine großartige Möglichkeit, die Klimageschichte des Mars zu rekonstruieren – und womöglich Spuren ehemaligen Lebens zu finden.

Suche mit Neutronen

Ausgestattet mit insgesamt zehn wissenschaftlichen Instrumenten, wird Curiosity diese Sedimentschichten untersuchen. Mit einem Neutronenspektrometer, das russische Forscher beigesteuert haben, lässt sich Wasser – egal in welcher Form – bis in einen halben Meter Tiefe nachweisen. Auch organische Moleküle kann Curiosity aufspüren. Allerdings ist kaum zu erwarten, dass noch Überreste von möglichem Leben nach dem Jahrmilliarden währenden Teilchenbeschuss an der Mars-Oberfläche zu finden sind. Die Landung des Rovers wird auf jeden Fall spektakulär sein. Nach dem Sturz durch die Atmosphäre wird das Modul an einem Fallschirm niederschweben. Nahe der Oberfläche setzt dann eine neue Landetechnik ein. Das Gefährt hängt einige Meter unter einem Raketenmodul. Dieses schwebt mit einem geregelten Triebwerksstrahl über der Oberfläche und lässt dabei den Rover an einer Seilwinde herab. Nach dem Aufsetzen wird das Seil durchtrennt. Das von der Last befreite Raketenmodul steigt auf und stürzt nach Ausbrennen der Tanks in – hoffentlich – sicherer Entfernung ab.

Mit diesem neuen Verfahren will die NASA das Landemodul zielsicherer als bisher absetzen. Curiosity soll nicht mehr als 20 Kilometer weit fahren müssen, um an die interessanten Ablagerungen in der Nähe des Zentralbergs zu gelangen. ■

THOMAS BÜHRKE schreibt regelmäßig in bdw über Astronomie-Themen – im Oktober über das Rätsel um die Raumsonde Pioneer.

von Thomas Bührke

Harte Indizien für Wasser

Spektralanalysen verraten, woraus der Marsboden besteht. Als er sich bildete, muss es Wasser gegeben haben. Links und Mitte: Lehm mit viel Eisen und Magnesium (blau), Aluminium (rot) und Olivin (grün). Rechts: Phyllosilikate (orange), Lehm mit Aluminium (grün) und Eisen (rot) sowie vulkanisches Pyroxen (blau). Bildbreite: je zehn Kilometer.

KOMPAKT

· Vermutlich besaß der Mars bloß in seiner ersten Milliarde Jahre größere Mengen an flüssigem Wasser – und auch das vielleicht nur phasenweise.

· Ob es einen ausgedehnten Ozean auf der Nordhalbkugel gab, ist fraglich.

· Feine dunkle Rinnen an Hängen könnten von flüssigem Wasser stammen, das auch heute noch im Untergrund existiert.

MEHR ZUM THEMA

Lesen

bild der wissenschaft berichtete mehrfach über das Thema Wasser und mögliches Leben auf dem Mars: 2/2001, 7/2001, 6/2003, 9/2004, 12/2005, 12/2006, 9/2008, 5/2009, 10/2009, 8/2010

Internet

Mars Science Laboratory (Curiosity): mars.jpl.nasa.gov/msl msl-scicorner.jpl.nasa.gov

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