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Gold-Fieber

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Gold-Fieber
Das Geschäft boomt – Wissenschaftler haben die Abenteurer abgelöst. Ob Regenwald oder Wüste – kein Gelände ist modernen Goldschürfern verschlossen. Gute geologische Karten und High-Tech-Verfahren machen es den Glücksrittern leicht, die Schätze zu heben.

Das Geschäft mit der kommerziellen Goldsuche boomt. Während nach Metallen wie Eisen, Aluminium oder Chrom kaum noch gesucht wird, weil genügend große Vorkommen bekannt sind, investieren die Goldschürfer mehr denn je. Seit 1992 hat sich ihr Einsatz mehr als verdoppelt. Allein in Westafrika geben die Suchtrupps jährlich knapp eine Viertelmilliarde Dollar aus, nachdem vor zehn Jahren die Kassen noch leer waren. In Lateinamerika stiegen die Ausgaben von 260 Millionen Dollar 1992 auf knapp eine Milliarde 1996. Fast 80 Prozent aller Explorationsmittel, die weltweit für Metalle aufgewendet werden, fließen inzwischen in die Gold- und Kupfersuche. Kein Wunder: „Goldbergbau ist Geldbergbau“, sagt Prof. Friedrich-Wilhelm Wellmer, Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover.

Gold muß man nicht verarbeiten, um Kasse zu machen, denn das Metall selbst ist Zahlungsmittel. Die Investitions-Milliarden gehen vor allem in die Entwicklungs- und Schwellenländer, nach Afrika, Südamerika, Indonesien und Sibiren. „Dort herrscht Klondike-Stimmung“, weiß Dr. Klausjürgen Reuther, der sich als Geschäftsführer der Duisburger Hansa GeoMin Consult ausschließlich der Goldexploration widmet.

Die Regierungen dieser Länder haben den neuen Goldrausch ausgelöst, indem sie ausländischen Investoren die Türen öffneten. Ghana machte es vor: Schon 1986 ließ der westafrikanische Staat Fremde ins Land, die er mit liberalen Gesetzen köderte. Die Goldproduktion stieg seitdem von 9 Tonnen pro Jahr auf 50 Tonnen und brachte dem zuvor bettelarmen Land eine bescheidene Blüte. Aus dem „white man’s grave“, wo rationiertes Benzin, leere Regale und ständige Stromausfälle das Leben schwer machten, ist ein prosperie- render Staat geworden. Viele Länder versuchen inzwischen, diese Entwicklung zu kopieren. „Seit 1990“, sagt Dr. Manfred Dalheimer, BGR-Referats-leiter Rohstoffwirtschaft, „haben mehr als 90 Nationen ihre Berggesetze novelliert.“

Um das Edelmetall in großem Maßstab abzubauen, wird das goldhaltige Erdreich auf dicken Plastikplanen aufgehäuft und mit einer Zyanid-Lösung geduscht. Die giftige Chemikalie – Zyanid ist das Salz der Blausäure (HCN) – löst das Gold heraus und schwemmt es in Tanks, wo es chemisch ausgefällt wird. Die Zyanid-Lösung bleibt zurück und wird in riesigen Wannen aufgefangen. Wenn der Giftschlamm durch ein Leck austritt, wie es in Guyana, Südafrika und den USA passierte, drohen der Umwelt erhebliche Schäden.

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Doch bei sorgsamen Umgang ist dieses moderne „Haufen-Laugungs-Verfahren“ umweltfreundlicher als die Quecksilber-Methode, wie sie die zahllosen Glücksritter seit der Römerzeit anwenden. Die Habenichtse, die auf eigene Faust losziehen, kippen giftiges Quecksilber über ihre bescheidenen Funde. Darin löst sich der Goldstaub und bildet ein festes Amalgam, eine Legierung. Erhitzt man das Amalgam, verdampft das Quecksilber, und das Gold bleibt zurück.

Der sorglose Umgang mit Quecksilber hat nicht nur viele Goldsucher vergiftet, sondern auch einige Flüsse. Die Münchner Firma metall-technic hat zwar ein Destillationsgerät von der Göße eines Einmachglases entwickelt, mit dem kein Quecksilber in die Umwelt entweicht. Doch die Kosten von rund 500 Mark kann sich kaum einer der Desperados leisten.

Für die kommerziellen Goldsucher gehört High-Tech dagegen zum Alltag. Sie arbeiten mit geologischen Karten, die auf Messungen von Satellitendaten und Flugzeugen basieren. Vor allem aber profitieren sie von den Fortschritten der chemischen Analytik: Selbst winzige Goldspuren lassen sich inzwischen nachweisen. Das macht es möglich, nicht nur im Erdreich Goldpartikel aufzuspüren, sondern auch in den Pflanzen, die geringe Mengen davon aufnehmen. Eine Faustregel besagt: Enthalten die eingeäscherten Pflanzen mehr als doppelt soviel Gold wie üblich, lohnt es, ein Gebiet genauer zu erkunden.

Während der Bergbau von großen Firmen beherrscht wird, liegt das riskante Geschäft des Handels in den Händen von Hunderten Mini-Unternehmen. In diesen „Junior-Companies“ haben sich jeweils „ein paar clevere, junge Typen“ zusammengetan, wie BGR-Experte Dalheimer sagt. Ihr nötiges Kapital beziehen sie an der Börse oder von finanzstarken Unternehmern. Die Geldgeber gehen ein hohes Risiko ein, gerade so „als würden sie ihre Dollars in die Spielhöllen von Las Vegas tragen“, wie Reuther meint. Die Chancen zu gewinnen stünden sogar schlechter als am Roulette-Tisch. Dennoch floriert das Glücksspiel um Gold und Geld – offenbar steht genug Riskokapital zur Verfügung.

Noch im letzten Jahr wurden die Anleger von einem Schurkenstück tief verunsichert. Die kanadische Bergbaugesellschaft Bre-X peitschte im Mai mit Falschmeldungen ihren Aktienkurs in die Höhe. Sie behauptete, sie habe auf der indonesichen Insel Kalimantan das größte Goldvorkommen der Welt entdeckt. Später stellte sich heraus, daß die Bodenproben gefälscht und die Expertisen getürkt waren. Der maßgebliche Geologe stürzte – als wäre es ein Hollywood-Film – unter ungeklärten Umständen aus einem Hubschrauber in den Tod. Der Kurs der Bre-X-Aktie fiel ins Bodenlose, die Gesellschaft machte pleite und die Aktionäre gingen leer aus.

Der Gold-Krimi um Bre-X und, vor allem, der fallende Goldpreis könnten den Explorations-Boom abwürgen. Zwar suchen die Unternehmen derzeit noch händeringend nach Explorationsgeologen, doch „schon wird hier und da die Notbremse gezogen“, sagt BGR-Rohstoffexperte Dalheimer. Schließlich gehe das Kapital nur dorthin, wo auch Geld verdient werde. Vom Goldrausch könnte bald nur noch Katerstimmung bleiben. Wie im letzten Jahrhundert: Riesige Boom-Towns, im Goldfieber über Nacht aus der Wildnis gestampft, verfielen zu Geisterstädten. Diesmal bleiben wohl nur ein paar Experten auf der Strecke.

Klaus Jacob
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