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Grünes Tibet

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Grünes Tibet
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Blick auf das Hochland von Tibet - auch hier beginnt der Fröhling immer früher (Bild: NASA)
Der Klimawandel heizt die Erde nicht nur auf, er verschiebt auch die Jahreszeiten: Weil das Thermometer im Frühjahr eher auf annehmbare Werte klettert, beginnen die Pflanzen früher auszuschlagen. Von diesem Effekt bleibt auch das Dach der Welt nicht verschont: Im Hochland von Tibet haben Vegetationsmessungen per Satellit schon seit 1982 Anzeichen für eine solche Verschiebung gefunden. Doch den Messungen nach schien sich dieser Trend seit 1990 seltsamerweise wieder umzukehren – die Gebirgspflanzen begannen wieder später mit ihrem Wachstum. Eine Entwarnung? Leider nicht, wie jetzt ein internationales Forscherteam herausgefunden hat. Stattdessen haben offenbar Datenlücken und Messfehler eine Besserung nur vorgetäuscht.

Die meisten Pflanzen beginnen ihren Vegetationszyklus im Frühjahr immer etwa um die gleiche Zeit. Sie orientieren sich dabei sowohl an der zunehmenden Tageslänge als auch an den ansteigenden Temperaturen. Für jede Art ist dabei genetisch festgelegt, welche Schwellenwerte sie benötigt, um ihr Wachstumsprogramm zu starten. Wann eine bestimmte Art ausschlägt, kann daher wie eine Art biologischer Kalender genutzt werden – in der Fachsprache wird dies auch als Phänologie bezeichnet. Sie zeigt gleichzeitig auch an, ob und wie sich die Auslösefaktoren beispielsweise durch den Klimawandel verändern. Bei uns hat die globale Erwärmung beispielsweise bereits dafür gesorgt, dass der Beginn des botanischen Vollfrühlings – gemessen am Zeitpunkt der Apfelblüte – seit 1950 um mehr als eine Woche vorgerückt ist.

Rätselhafte Trendumkehr

Auch auf dem Dach der Welt, dem Hochland Tibets, macht sich die globale Erwärmung schon seit einigen Jahrzehnten bemerkbar. Die dortigen alpinen Wiesen und Steppen sind sogar besonders sensibel gegenüber Klimaveränderungen, wie Geli Zhang von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking und seine Kollegen berichten. Daten von Fernerkundungssatelliten hatten dies zunächst auch bestätigt, denn sie zeigten von 1982 bis zum Ende der 1990er Jahre ein deutliches Vorrücken der Vegetationsperiode. Zwischen 1999 und 2006 aber ergaben die Satellitendaten plötzlich das genaue Gegenteil: Die Pflanzen auf dem Tibetplateau schienen nun von Jahr zu Jahr sogar wieder später auszuschlagen. „Es gab einige Versuche, diese rätselhafte Trendumkehr zu erklären, sie blieben aber alle umstritten“, erklären die Forscher.

Um dieses Rätsel zu lösen, haben Zhang und seine Kollegen die diesen Daten zugrunde liegende Infrarot-Messreihe der Global Inventory Modeling and Mapping Studies (GIMMS) nun mit zwei weiteren Sätzen von Satellitendaten verglichen. GIMMS deckt dabei die Zeit von 1982 bis 2006 ab, währen die anderen beiden die Vegetation auf dem Tibet-Hochplateau zwischen 1998 beziehungsweise 2000 und 2011 überwachten. „Wir haben dabei vor allem die Zeitperioden miteinander verglichen, an denen Daten von allen drei Satellitenprogrammen vorlagen“, erklären sie. Denn das helfe herauszufinden, wie verlässlich die jeweiligen Daten seien.

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Falsche Daten ab 2003

Das Ergebnis: Zumindest in der Zeit bis zum Jahr 2000 stimmten die GIMMS-Werte mit denen des ab 1998 laufenden Programms überein: „Beide zeigten, dass die alpine Vegetation in jedem Frühjahr um rund 1,04 Tage früher mit ihrem Wachstum begann“, berichten die Forscher. Nach diesem Zeitpunkt allerdings bewegten sich die Kurven deutlich auseinander: Während die Satelliten des GIMMS-Programms 2003 einen plötzlichen Rücksprung im Wachstumsbeginn anzeigten, registrierten die anderen beiden Messreihen übereinstimmend weiterhin ein stetiges Vorrücken des Frühlingsbeginns. Da in dieser Zeit auch die gemessenen Frühlingstemperaturen in Tibet anstiegen, spreche dies dafür, dass GIMMS falsch und die beiden neueren Messreihen richtig lägen, kommentieren die Forscher.

Warum die GIMMS-Messungen ab 2001 falsche Werte lieferten, hat die Studie nicht eindeutig klären können. Zhang und Kollegen nennen aber zwei mögliche Gründe: Zum einen könnten die Sensoren dieser Satelliten stärker durch die steigende Verschmutzung der Luft mit Schwebstoffen beeinträchtigt worden sein. Zum anderen wurden genau zu Beginn der vermeintlichen Trendumkehr die Infrarotsensoren bei vielen der an GIMMS beteiligten Satelliten ausgetauscht – und lieferten daher möglicherweise hinterher etwas andere Daten. Nach Ansicht der Wissenschaftler deutet aber in jedem Falle alles darauf hin, dass der Klimawandel auch auf dem Dach der Welt mit ungebrochenem Tempo voranschreitet und dabei auch die Pflanzenwelt messbar beeinflusst.

Geli Zhang (Chinese Academy of Sciences, Peking) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), doi: 10.1073/pnas.1210423110 © wissenschaft.de – ===Nadja Podbregar
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