Gaswolke in der Waagschale
Dieses Ergebnis passe zu den Daten früherer Studien, resümieren die Forscher ? darin habe es ebenfalls Hinweise auf Anwesenheit von Gas mit Temperaturen von mehr als einer Million Grad Celsius gegeben. „Wir wissen also, das Gas ist rund um die Galaxie, und wir wissen, wie heiß es ist“, kommentiert Gupta. „Die große Frage ist aber: Wie groß ist die Wolke und wie viel Masse besitzt sie?“
Auch darauf lieferte Chandra, zusammen mit dem Esa-Röntgenobservatorium XMM-Newton und dem japanischen Röntgenteleskop Suzaku, eine erste Antwort ? und die verblüfft die Forscher dann doch: Obwohl die Gaswolke sehr dünn ist, enthält sie insgesamt eine Masse, die der von mehr als 10 Milliarden Sonnen entspricht, möglicherweise sogar von 60 Milliarden Sonnen. Damit liegt die Masse der Gaswolke in der gleichen Größenordnung wie die Masse aller Sterne der Milchstraße zusammengenommen.
Wie viel Materie dort tatsächlich versammelt ist, können die Astronomen noch nicht sagen ? aus mehreren Gründen. So ist beispielsweise unklar, wie das Verhältnis von Sauerstoff zu Wasserstoff in der dünnen Wolke ist, wobei Letzterer das dominante Gas in der Wolke zu sein scheint. Ebenfalls unklar ist die tatsächliche Größe des Halos. Sicher ist lediglich, dass er sehr ausgedehnt ist: „Er könnte sich ein paar 100.000 Lichtjahre um die Milchstraße herum erstrecken oder auch noch deutlich weiter in die lokale Gruppe der Galaxien in der Nachbarschaft reichen“, sagt Co-Autorin Smita Mathur, ebenfalls von der Ohio State University.
Baryonen verzweifelt gesucht
Die neuen Daten helfen möglicherweise, das Mysterium der fehlenden baryonischen Masse zu erklären ? eines der großen ungelösten Rätsel des Kosmos. Baryonen sind die Teilchen, aus denen die „normale“, sichtbare Materie zusammengesetzt ist. Die Kernteilchen Protonen und Neutronen gehören dazu.
Das Problem: Rechnet man die baryonische Masse aller Sterne, des interstellaren Gases und des Staubs in den Galaxien des Kosmos zusammen, kommt man auf einen Wert, der nicht einmal halb so hoch ist wie der, den theoretische Hochrechnungen ergeben. Das Team um Gupta vermutet jetzt, dass sich diese fehlende baryonische Masse in heißen Gaswolken wie der versteckt, die Chandra jetzt in der Milchstraße entdeckt hat. Vermutlich seien diese Wolken bisher schlicht übersehen worden, da sie eine derart geringe Dichte haben, so das Fazit der Forscher.