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Historischer Sonnensturm war ein echter „Klopper“

Astronomie|Physik

Historischer Sonnensturm war ein echter „Klopper“
Sonnenausbruch
Plasmaausbruch auf der Sonnenoberfläche (Bild: NASA)

Starke Sonnenstürme sind eine potenzielle Gefahr für Satelliten, Kommunikationssystem und die Stromnetze der Erde. Bisher allerdings ist unsere moderne Gesellschaft extremen Ereignissen dieser Art weitgehend entgangen. Doch wie sich nun zeigt, könnte das Risiko für extreme Sonnenstürme größer sein als gedacht. Denn Forscher haben in Eisbohrkern-Daten Belege für einen historischen Sonnensturm entdeckt, der eine Größenordnung stärker war als alle bisher instrumentell gemessenen. Dieser Sonnensturm ereignete sich im Jahr 660 vor Christus und ist damit das dritte bekannte Extremereignis in den letzten 3000 Jahren.

Unsere Sonne schleudert immer wieder große Wolken glühend heißen Plasmas und energiereicher, geladener Teilchen aus. Die meisten dieser solaren Ausbrüche gehen glücklicherweise nicht in Richtung Erde. Doch wenn ein Sonnensturm uns trifft, kann dies im Extremfall verheerende Auswirkungen haben. Denn das normalerweise abschirmende Magnetfeld kann in einem solchen Fall nicht den gesamten Teilchenstrom auffangen, dadurch dringen energiereiche Partikel bis in die Erdatmosphäre vor. „Solche Ereignisse repräsentieren eine Bedrohung für die moderne Gesellschaft, weil sie die Kommunikations- und Navigationssysteme, Satelliten und Luftfahrtsysteme stören können“, erklären Paschal O’Hare von der Universität Lund und seine Kollegen. Entsprechend wichtig ist es zu wissen, wie oft starke Sonnenstürme drohen und wie stark diese Ereignisse werden können.

Isotopen als Indikatoren

Bisher allerdings verfügt die Menschheit nur über begrenzte Daten zu vergangenen Sonnenstürmen, denn die Aufzeichnung solcher Ereignisse mit Messinstrumenten reicht nur rund 60 Jahre zurück. Meist registrieren die Instrumente dabei einen abrupten Anstieg im Einstrom energiereicher Protonen. „Der bisher größte dieser Anstiege wurde am 23. Februar 1956 registriert“, berichten die Forscher. „Schätzungen zufolge hatte er einen Protonenfluss von 1,8 Milliarden Protonen mit Energien oberhalb von 30 Gigaelektronenvolt pro Quadratzentimeter.“ Doch Wissenschaftler vermuten schon länger, dass die Erde vor der Ära der systematischen Messungen schon von deutlich stärkeren Sonnenstürmen getroffen wurde. Indizien dafür liefern unter anderem abrupte Anstiege des Kohlenstoff-14-Gehalts in Baumringen, aber auch erhöhte Werte der Isotope Beryllium-10 und Chlor-36 in Eisbohrkernen, wie O’Hare und seine Kollegen berichten. Auf Basis solcher Daten wurden bisher zwei historische Sonnenstürme identifiziert – einer im Jahr 774/775 und einer im Jahr 993/994.

Auf der Suche nach weiteren Belegen für historische Sonnenstürme haben O’Hare und sein Team nun einen Bohrkern des North Greenland Ice Core Project (NGRIP) auf auffällige Isotopenwerte hin untersucht. Besonderes Augenmerk richtete sie dabei auf die Eisschichten aus der Zeit um das Jahr 660 vor Christus. Denn in Holzproben aus jener Zeit hatten Forscher schon zuvor auffällig erhöhte Kohlenstoff-14-Werte detektiert. „Doch die C-14-Werte allein liefern noch keinen unzweifelhaften Beleg für eine mit einem Sonnensturm verknüpfte Produktion dieser Isotope“, erklären die Forscher. Deshalb analysierten sie den grönländischen Eisbohrkern auch auf seine Beryllium-10 und Chlor-36-Gehalte hin.

Schwerer Sonnensturm um 660 vor Christus

Die Analysen bestätigten: Etwa um 660 vor Christus muss es tatsächlich einen extrem starken Einstrom energiereicher Teilchen auf die Erde gegeben haben. Denn nicht nur die C-14-Werte zu jener Zeit waren auffällig erhöht, gleiches galt auch für die beiden anderen Isotope. „Der Beryllium-10-Peak ähnelt in seiner Form stark denen der beiden extremen Sonnenstürme in den Jahren 775 und 994“, berichten O’Hare und seine Kollegen. Zudem seien damals alle drei Isotope zur gleichen Zeit sprunghaft angestiegen. Nach Ansicht der Forscher sprechen der zeitliche Ablauf und die Form dieses Ereignisses dafür, dass auch im Jahr 660 vor Christus ein extrem starker Sonnensturm die Erde traf. Ihren Schätzungen nach strömten damals 20 Milliarden energiereiche Protonen pro Quadratzentimeter auf die Erde ein. „Damit war dieses Ereignis eine Größenordnung stärker als der größte instrumental gemessene Sonnensturm vom 23. Februar 1956“, sagen die Forscher.

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Damit sind nun schon drei historische Sonnenstürme bekannt, die die heute gemessenen weit an Intensität übertreffen. „Wenn dieser Sonnensturm heute aufgetreten wäre, hätte dies schwere Auswirkungen auf unsere Hightech-Gesellschaft gehabt“, sagt O’Hares Kollege Raimund Muscheler. „Deswegen müssen wir uns künftig besser gegen solare Stürme schützen – das Risiko wurde bisher unterschätzt.“

Quelle: Paschal O’Hare (Universität Lund, Schweden) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.1815725116

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