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Kosmische Expansion gibt Rätsel auf

Astronomie|Physik

Kosmische Expansion gibt Rätsel auf
Große Magellansche Wolke
Blick auf die Große Magellansche Wolke und einen der Sternhaufen in dieser Galaxie. (Bild: NASA/ ESA, Adam Riess und Palomar Digitized Sky Survey)

Das Universum dehnt sich aus – so viel scheint klar. Doch das Maß der Expansions-Geschwindigkeit, die sogenannte Hubble-Konstante, sorgt für Rätselraten unter Astronomen. Denn es gibt Diskrepanzen zwischen den mittels kosmischer Hintergrundstrahlung ermittelten Werten und den anhand von Supernovae und veränderlichen Sternen ermittelten. Jetzt hat eine neue Messung mithilfe des Hubble-Weltraumteleskops erneut bestätigt, dass diese Abweichungen kein bloßer Statistik-Ausrutscher sind – und das bringt die Kosmologie in Erklärungsnöte.

Unser Universum dehnt sich aus: Seit dem Urknall weichen nicht nur alle Galaxien immer weiter auseinander, auch die Raumzeit selbst dehnt sich – wie ein aufgehender Hefeteig. Erste Hinweise darauf gab schon in den 1960er Jahren die kosmische Hintergrundstrahlung. Sie ist das Relikt von Strahlung, die 380.000 Jahre nach dem Urknall frei wurde und deren Wellen dann mit dem expandierenden Universum mitgedehnt wurden. Sie bilden heute einen schwachen Mikrowellenteppich, der das gesamte Universum ausfüllt. Auf Basis dieser Reststrahlung ermittelte der Planck-Satellit der ESA im Jahr 2013 für die Hubble-Konstante einen Wert von 67,15 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec (km/s/Mpc). Das Problem nur: Zuvor hatten Astronomen die kosmische Expansion über die Entfernung und Helligkeit von Supernovae und veränderlichen Sterne bestimmt – und sie kamen auf einen deutlich höheren Wert von 72 bis 74 km/s/Mpc.

Keine bloß statistische Abweichung mehr

Entweder handelte es sich dabei um eine bloß statistische Abweichung oder aber das Universum hat sein Expansions-Tempo von seiner Frühzeit bis heute deutlich geändert. “Die Astronomie-Gemeinde hat wirklich Probleme damit, diese Unterschiede zu verstehen und zu erklären“, sagt Studienleiter Adam Riess vom Space Telescope Science Institute in Baltimore. Denn bisherige kosmologische Modelle liefern keine Erklärung dafür. Seither haben weitere Astronomengruppen versucht, die Hubble-Konstante zu bestimmen und die seltsame Diskrepanz aufzulösen – ohne Erfolg. Stattdessen festigt sich die Abweichung zwischen den Messwerten des frühen und heutigen Kosmos immer mehr. In den späten 1990er Jahren lag die Unschärfe in der Bestimmung der Hubble-Konstante noch bei rund zehn Prozent, was eine bloß statistische Abweichung nicht ausschließen würde. Doch seither haben weitere Messungen die Schwankungsbreite auf nur noch 2,2 Prozent reduziert.

Jetzt haben Riess und sein Team die bisher genaueste Messung der Hubble-Konstante vorgestellt – und auch sie zementiert die Diskrepanz zu den Planck-Werten. Für ihre Studie richteten sie das Hubble-Weltraumteleskop auf rund 70 Cepheiden – veränderliche Sterne – in unserer Nachbargalaxie, der Großen Magellanschen Wolke. Aus dem Flackern und der Helligkeit dieser Sterne lässt sich ihre Entfernung besonders genau bestimmen und daraus wiederum können Astronomen auf die kosmische Expansionsrate schließen. Diese liegt nach den Berechnungen von Riess und seinem Team bei 74,03 km/s/Mpc – und damit erneut deutlich höher als die Planck-Werte. Das Universum dehnt sich demnach offenbar heute um neun Prozent schneller aus als es den Planck-Messungen zufolge im frühen Kosmos der Fall war. Hinzu kommt, dass die Unsicherheit für diesen Wert nun auf nur noch 1,9 Prozent reduziert ist.

Kosmologie in Erklärungsnöten

“Die Diskrepanz in der Hubble-Konstante zwischen dem frühen und heutigen Universum könnte die spannendste Entwicklung in der Kosmologie seit Jahrzehnten sein”, sagt Riess. “Diese Abweichung ist gewachsen und hat nun einen Punkt erreicht, an dem es unmöglich ist, sie als bloßen Messfehler abzutun. Eine solche Diskrepanz kann nicht einfach nur Zufall sein.” Es muss demnach eine physikalische Erklärung für diese Beschleunigung der Expansion geben – aber welche? Einer Hypothese nach könnte die Dunkle Energie im Kosmos im Laufe der Zeit dichter und stärker geworden sein. Weil diese bisher noch rätselhafte Kraft der Gravitation entgegenwirkt, gilt sie als Triebkraft für die Ausdehnung des Universums. Eine weitere Erklärung wäre die Existenz von noch unentdeckten Elementarteilchen wie den bisher rein hypothetischen “dunklen Photonen”, die das Verhalten des Kosmos beeinflussen. Einer dritten Hypothese zufolge könnte auch die Dunkle Materie stärker mit der normalen Materie oder Strahlung interagieren als bisher angenommen.

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Doch für alle diese Hypothesen gibt es bisher keine Indizien oder gar Belge. Die Astronomen tappen daher auf der Suche nach einer Erklärung für diese Diskrepanz buchstäblich im Dunkeln. Doch nach Ansicht von Riess muss es dort draußen etwas geben, das wir noch nicht kennen: “Das ist mehr als nur einfach zwei Experimente, die voneinander abweichen”, betont der Astronom. “Wenn diese Werte nicht übereinstimmen, dann gibt es eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass wir in dem kosmologischen Modell, das beide Zeitalter des Universums miteinander verbindet, etwas übersehen.”

Quelle: W. D’Arcy Kenworthy (Johns Hopkins University, Baltimore) et al., The Astrophysical Journal, doi: 10.3847/1538-4357/ab0ebf

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