Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Kosmische Gammablitze mit Energierekord

Astronomie|Physik

Kosmische Gammablitze mit Energierekord
Gammastrahlenausbruch
Gammastrahlenausbrüche sind kurz, aber extrem extrem energiereich. (Bild: DESY/ Science Communication Lab)

Gammastrahlenausbrüche gehören zu den energiereichsten Explosionen des Kosmos, doch wo die Obergrenze für die von ihnen ausgestrahlten Strahlenblitze liegt, ist unklar. Jetzt haben Astronomen zwei Gammastrahlenblitze eingefangen, die stärker sind als alle zuvor gemessenen. Mit Energien von 0,2 bis 1 Teraelektronenvolt ist selbst ihr Nachglühen Milliarden Mal energiereicher als sichtbares Licht – das deutet auf einen bisher nur theoretisch postulierten Entstehungsprozess hin, wie die Forscher in gleich drei „Nature“-Veröffentlichungen berichten. Gleichzeitig sind dies die ersten Gammastrahlenblitze, die von erdbasierten Teleskopen eingefangen werden konnten.

Gammastrahlenausbrüche (GRB) sind kosmische Ereignisse, bei denen auf einen Schlag enorme Menge an energiereicher, extrem kurzwelliger Strahlung abgegeben werden – in einer Sekunde setzen sie so viel Energie frei wie die Sonne in ihrer gesamten Lebenszeit. Diese kurzen, aber starken Gammablitze entstehen nach aktuellem Wissen durch kollidierende Neutronensternen oder bei Supernova-Explosionen von massereichen Sternen. Typischerweise ereignen sich solche Gammastrahlenausbrüche etwa einmal am Tag irgendwo im sichtbaren Universum. Registriert werden sie allerdings nur, wenn die beiden Gammastrahlen-Observatorien der NASA, der Swift- und der Fermi-Satellit, zufällig in die richtige Richtung schauen.

Weil die Erdatmosphäre die Gammastrahlen weitgehend absorbiert, sind solche Gammablitze für erdbasierte Teleskope nicht direkt sichtbar. Es gibt allerdings eine Möglichkeit, indirekt auf das Eintreffen eines solchen Blitzes zu schließen – über ein schwaches Leuchten, das bei der Absorption der Gammastrahlen in der Atmosphäre entsteht. Dieses sogenannte Tscherenkow-Licht können Teleskope wie das 28-Meter-Gammastrahlenteleskop des High-Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.) in Namibia und die Major Atmospheric Gamma Imaging Cherenkov (MAGIC) Teleskope auf der Kanareninsel La Palma einfangen. Bisher allerdings waren die von den Weltraum-Observatorien registrierten Gammastrahlenausbrüche zu schwach, um mit diesen erdbasierten Teleskopen ein ausreichend starkes Tscherenkow-Signal zu detektieren – bis jetzt.

Stärkster je beobachteter Gammablitz

Nun haben Astronomen gleich zwei Gammastrahlenausbrüche eingefangen, die selbst von der Erdoberfläche aus noch nachweisbar waren. In beiden Fällen registrierten die NASA-Satelliten die Gammablitze als erste und sendeten dann automatisierte Alarmmeldungen an weitere Observatorien, darunter auch HESS und MAGIC. Der stärkste der beiden Gammablitze wurde am 14. Januar 2019 gegen 22:00 Uhr unserer Zeit detektiert und konnte schon 57 Sekunden später auch von den MAGIC-Teleskopen auf den Kanaren ins Visier genommen werden. „Trotz ihres Gewichts von jeweils 64 Tonnen können die Teleskope in kürzester Zeit auf neue Himmelsziele einschwenken. Beim aktuellen Gammablitz dauerte das lediglich 27 Sekunden“, erklärt der Sprecher des MAGIC-Forschungsverbundes Razmik Mirzoyan vom Max-Planck-Institut für Physik. Wenig später nahmen auch 20 weitere Teleskope verschiedenster Wellenbereiche die Beobachtungen auf. Dadurch konnten die Astronomen die Energie und Entwicklung dieses GRB 190114C getauften Gammastrahlenausbruchs fast von Beginn an mitverfolgen.

Die Auswertungen ergaben in mehrfacher Hinsicht Spektakuläres. Demnach hatten die Gammastrahlen von GRB 190114C eine Energie zwischen 200 und 1000 Milliarden Elektronenvolt (0,2 bis 1 Teraelektronenvolt). „Dies sind bei weitem die höchstenergetischen Photonen, die jemals von einem Gamma-Ray Burst entdeckt worden sind“, sagt Elisa Bernardini, Mitglied der MAGIC-Kollaboration und Physikerin am Deutschen Elektronensynchrotron (DESY). Diese Strahlung hatte rund 100 Millionen Mal mehr Energie als sichtbares
Licht. Dadurch erzeugte sie beim Eintreten in die Erdatmosphäre so starkes Tscherenkow-Licht, dass die MAGIC-Teleskope dies registrieren konnten. Ungewöhnlich ist jedoch auch die relativ lange Dauer der extrem energiereichen Gammastrahlung: „Die Emission im Teraelektronenvolt-Band ist noch etwa 40 Minuten lang beobachtbar – weit länger als die typische Dauer der prompten Emissionsphase“, erklären die MAGIC-Wissenschaftler. Typischerweise flaut die Gammastrahlung schon nach Sekunden bis wenigen Minuten stark ab und geht dann in das niederfrequentere Nachglühen über.

Anzeige

Erster Beleg für neuen Mechanismus

Ebenso außergewöhnlich ist der zweite Gammastrahlenausbruch, den die NASA-Satelliten bereits am 20. Juli 2018 detektiert hatten. Als die Quelle dieses Blitzes zehn Stunden später in das Blickfeld des H.E.S.S.-Teleskops rückte, konnten die Astronomen auch damit das Tscherenkow-Licht einfangen – und auch in diesem Fall war es weit mehr als erwartet. Den Analysen zufolge erreichte die Gammastrahlung von GRB 180720B Energiebereiche von 100 bis 400 Milliarden Elektronenvolt – auch dies deutlich mehr als bislang beobachtet. Erstaunlich ist auch, dass selbst zehn Stunden nach dem Hauptblitz noch Gammastrahlung registriert wurde: „Der Nachweis kam recht unerwartet, da Gammastrahlenausbrüche schnell an Helligkeit verlieren. Sie besitzen zwar ein Nachglühen, das noch Stunden oder manchmal sogar Tage in vielen Wellenlängenbereichen von Radiowellen bis zur Röntgenstrahlung beobachtet werden kann, dass aber nie zuvor in der sehr energiereichen Gammastrahlung nachgewiesen wurde“, erläutert Mitautor Andrew Taylor vom DESY.

Beide Gammablitze bringen die Astronomen nun in Erklärungsnöte. Denn bisher gingen sie davon aus, dass der Löwenanteil der starken Gammastrahlung bei einem solchen Ereignis durch Synchrotronstrahlung erzeugt wird – die Strahlung, die Elektronen abgeben, wenn sie in starken Magnetfeldern auf enorme Geschwindigkeiten beschleunigt werden. Dies kann beispielsweise in der Schockwelle einer Supernova geschehen. Doch die Energie der von GRB 190114C und GRB 180720B eingefangenen Strahlung ist für diesen Erklärungsansatz zu hoch. Die Astronomen vermuten daher eine andere, bisher nur theoretisch postulierte Ursache für die starke Strahlung: den sogenannten inversen Compton-Effekt. Bei diesem werden zunächst Elektronen stark beschleunigt und erzeugen Synchrotronstrahlung, geben dann aber durch Kollisionen einen Teil ihrer Energie an derer Photonen ab. Die bekommen dadurch gewissermaßen einen zusätzlichen Schubs und können so Energie im Teraelektronenvoltbereich erreichen.

Nach Ansicht der Forscher sprechen die Beobachtungen bei beiden Gammablitzen dafür, dass der inverse Compton-Effekt zumindest anteilig zu ihrer enormen Energie beigetragen haben muss. Als ein Indiz dafür sehen sie unter anderem eine „Delle“ im Verlauf der Gammastrahlenkurven, die auf das Einsetzen dieses Effekts hindeuten. „Diese Beobachtung liefert uns den ersten unzweifelhaften Beweis für eine neuen Emissionskomponente jenseits der Synchrotronen-Emission im Nachglühen eines Gammastrahlenausbruchs“, konstatieren die Forscher der MAGIC-Kollaboration. Damit zeigen die neuen Beobachtungen nicht nur, dass Gammablitze noch energiereicher sein könne als zuvor gedacht, sie geben auch wertvolle Einblicke in die Mechanismen hinter diesen kosmischen Phänomenen.

Quelle: MAGIC-Kollaboration, Nature, doi: 10.1038/s41586-019-1754-6, doi: 10.1038/s41586-019-1750-x; H.E.S.S.-Kollaboration, Nature, doi: 10.1038/s41586-019-1743-9

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Ope|rand  〈m. 16; IT〉 Information, die mithilfe eines Befehls verarbeitet werden kann [<lat. operari … mehr

Schü|ler|mit|ver|wal|tung  〈f. 20; Abk.: SMV〉 in den Bundesländern unterschiedlich geregelte Teilnahme der Schüler an der Schulverwaltung, wobei sie Recht u. Stimme in Lehrerkonferenzen od. Elternversammlungen haben

Lieb|stö|ckel  〈m. 5 od. n. 13; Bot.〉 Angehöriger einer Gattung der Doldengewächse als Küchengewürz, bes. für Suppen verwendet; Sy Suppenkraut … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige