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Kundschafter im Kosmos

Astronomie|Physik

Kundschafter im Kosmos
Pioneer 10 – ein Satellit revolutioniert die Planetenforschung. Die Raumsonde hatte den Astronomen den Weg zu den äußeren Planeten gebahnt. Inzwischen ist der Veteran der Raumfahrt über zehn Milliarden Kilometer von uns entfernt – und sendet immer noch.

3. Dezember 1973: Im engen Kontrollraum der NASA in Mountain View, Kalifornien, herrscht knisternde Spannung. Etwa 50 Wissenschaftler und Ingenieure starren gebannt auf die endlosen Zahlenreihen auf den Bildschirmen. Sie stammen von Pioneer 10, der ersten von Menschenhand geschaffenen Sonde, die sich weit ins äußere Sonnensystem vorgewagt hat und nun vor ihrer schwersten Bewährungsprobe steht: Wird sie dem geballten Strahlungsbombardement des Planetenriesen Jupiter standhalten? Die dramatischsten Augenblicke der gesamten Mission stehen kurz bevor.

Die Strahlungsdosis in Jupiternähe übertrifft alle Erwartungen. Elektrisch geladene Teilchen aus dem Sonnenwind werden im mächtigen Magnetfeld des Planeten gefangen und auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt. Sie könnten das Ende von Pioneer 10 bedeuten. Die Strahlung überschreitet die irdischen Werte um das Tausendfache. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von 36 Kilometer pro Sekunde schießt die Sonde 131000 Kilometer hoch über die äußersten Wolkenschichten aus Ammoniak-Eis hinweg. Dann verschwindet Pioneer 10 hinter dem Planeten.

Für 40 Minuten ist die Funkverbindung unterbrochen. Jetzt werden auch die kühleren Gemüter unruhig: Würden die Signale wieder auftauchen, oder hatte der Strahlungsgürtel die Elektronik der Meßgeräte zerstört? Es ging alles gut. Fast alles. Pioneer 10 meldete sich zwar planmäßig zurück, doch schienen manche Instrumente geisterhafte Signale zu empfangen und spielten verrückt.

Das Strahlungsfeld hatte ihnen falsche Botschaften vorgegaukelt. „Wir mußten Pioneer alles vorschreiben, mußten jedes Instrument ein- und ausschalten, die Reihenfolge der Messungen festlegen, Empfindlichkeiten regeln und so weiter. An manchen Tagen schickten wir der Sonde 2000 bis 3000 Kommandos hinterher.“ Richard Fimmel, der für einige der wissenschaftlichen Instrumente an Bord verantwortlich war und die Mission von Anfang an betreut hatte, staunt heute noch über diese technische Pionierleistung, wenn er die 1969 konzipierte und von der kalifornischen Firma TRW Space and Technology gebaute Sonde mit ihren moderneren Nachfolgern Voyager und Galileo vergleicht.

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Der Aufwand für Pioneer 10 hat sich gelohnt. Zahlreiche Beobachtungen, darunter über 300 Fotos mit einer Auflösung von bis zu 500 Kilometern, gelangten zur Erde. Erstmals ließ sich die turbulente Atmosphäre des Gasriesen aus der Nähe betrachten und sein enormes Magnetfeld vermessen. Noch wichtiger: Pioneer 10 hat den Weg gebahnt für alle späteren und genaueren Erkundungen des äußeren Sonnensystems. Ohne diese Pioniertat wäre die Mission der beiden im Spätsommer 1977 gestarteten Voyager-Raumsonden nicht möglich gewesen. unternehmen.“

Inzwischen sind die Energieressourcen von Pioneer 10 so erschöpft, daß nur noch ein wissenschaftliches Instrument betrieben werden kann: abwechselnd der Geigerzähler zum Nachweis der kosmischen Strahlung und das UV-Spektrometer, das die Strahlung mißt, die vom Wasserstoff zwischen den Sternen reflektiert wird. Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres wird die Sonde ganz verstummen.

Die NASA hat die Mission deshalb offiziell zum 1. April 1997 beendet. Die 500000 Dollar Betriebskosten pro Jahr standen in keinem Verhältnis mehr zum wissenschaftlichen Ertrag. So war das silberne Jubiläum zum 25. Jahrestag von Pioneer 10, das am 2. März dieses Jahres im Hauptquartier der NASA gefeiert wurde, zugleich ein Abschiedsfest. Von den Daten profitiert auch der akademische Nachwuchs. „Das Pioneer-Programm verhalf etwa 50 Studenten zum Doktortitel“, schmunzelte Charlie Hall, der erste Projekt-Manager von Pioneer 10, bei der Feierlichkeiten. Völlig aufgegeben hat die NASA ihre Sonde nicht. Angehende Flugkontrolleure werden sie zur Übung noch eine Weile anfunken und sporadisch ihr letztes Flüstern belauschen.

Pioneer 11 dagegen schweigt bereits seit November 1995, als sie 6,6 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt war. Die Funkantenne konnte nicht mehr auf die Erde ausgerichtet werden: Der Strom aus den Batterien war versiegt. In knapp vier Millionen Jahren wird Pioneer 11 an dem Stern Lambda im Sternbild Adler vorbeifliegen und in Richtung Zentrum der Milchstraße immer weiter ins All hinaustreiben.

Pioneer 10 ist inzwischen über 10 Milliarden Kilometer (67 AE), von uns entfernt – beinahe doppelt so weit wie bis zum Pluto. Mit jeder Stunde wächst ihre Distanz um weitere 45000 Kilometer. Nie zuvor ist ein irdisches Raumschiff tiefer in den Weltraum vorgedrungen. Im Februar 1998 wird die Sonde diesen Rekord allerdings an Voyager 1 abtreten müssen, die noch schneller in die entgegengesetzte Richtung davonschießt.

Mindestens 10000 Jahre wird Pioneer 10 noch unterwegs sein, bis sie die mutmaßliche Wiege der langperiodischen Kometen passieren wird: die Oortsche Kometenwolke, die das Sonnensystem wie eine Kugelschale umgibt. Und in 33000 Jahren wird sie an dem Zwergstern Ross 248 vorbeifliegen – in der stattlichen Entfernung von 3,3 Lichtjahren, immer in Richtung Sternbild Stier. Ungefähr alle Million Jahre wird sie weitere Sterne passieren, „ein Geisterschiff, das schweigsam durch den dunklen Raum treibt“, wie Larry Lasher sagt.

Die Sonde wird noch zwischen den Sternen kreuzen, wenn es keinen Menschen mehr auf der Erde gibt, der sich an sie erinnern könnte. Doch auch Pioneers Reise währt nicht ewig. Irgendwann, wenn auch erst in einigen Milliarden Jahren, wird die interstellare Materie, die wie feinstes Schmirgelpapier an dem metallenen Geisterschiff reibt, die Sonde zerstören. Ihr Staub wird sich im grenzenlosen Raum zwischen den Sternen verteilen.

===Rüdiger Vaas
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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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