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Lebensraum ozeanische Erdkruste

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Lebensraum ozeanische Erdkruste
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Basaltgestein, Wikipedia, gemeinfrei
Wüsten, Eislandschaften oder die Tiefsee – das Leben hat sich die bizarrsten Nischen auf unserem Planeten erobert, seien die Bedingungen auch noch so hart. Nun berichten Forscher allerdings von einem Lebensraum, der fast unvorstellbar erscheint: Er liegt unter den Sedimenten des Meeresboden im Gesteinen der ozeanischen Erdkruste. Bei extremem Druck und Hitze existieren hier Mikroorganismen, die ihre Lebensenergie aus chemischen Reaktionen gewinnen, konnten Mark Lever von der dänischen Aarhus Universität und seine Kollegen zeigen. Die Existenz von Leben in den Tiefengesteinen war zwar prinzipiell schon bekannt, die Wissenschaftler haben die Mikroorganismen und ihre faszinierende Ernährungsweise nun aber direkt nachgewiesen.

Die Probennahme der Forscher war ein wahrhaft spektakuläres Unterfangen: Von einem Schiff aus ragte ein Bohrgestänge bis in eine Tiefe von 2,5 Kilometern und weitere hunderte Meter durch die Sedimente bis in den Basalt der ozeanische Kruste vor der Westküste von Nordamerika. Ein sterilisierter Kernbohrer nahm hier die Gesteinsproben, förderte sie an die Oberfläche und so gelangten sie schließlich ins Labor von Lever und seinen Kollegen. Die Forscher mussten dabei extrem darauf achten, dass die Proben nicht mit Mikroorganismen des Meerwassers oder der Erdoberfläche verunreinigt wurden.

Die Laboranlaysen offenbarten Erbgut von Mikroorganismen in dem Material und Hinweise darauf, dass es chemischen Abbauprozessen ausgesetzt war, die mit der sogenannten Chemosynthese von Bakterien in Verbindung stehen. Doch dies war noch kein direkter Nachweis der Lebewesen selbst. Diesen erbrachten erst die Kulturversuche der Wissenschaftler im Labor: Sie regten die Mikroorganismen des Gesteins zum Wachsen an, indem sie ihre Lebensbedingungen so gut wie mögliche imitierten. 65 Grad Celsius und ein Substrat, das Basalt entspricht, durch den das spezielle Tiefenwasser sickert, brachten den Erfolg, berichten Lever und seine Kollegen: Sie konnten die mikrobielle Produktion von Methan nachweisen.

Das größte Ökosystem der Erde

„Wir bieten damit den ersten direkten Beweis für Leben in der ozeanischen Kruste und unsere Ergebnisse legen nahe, dass dieses riesige Ökosystem weitgehend auf Chemosynthese beruht“, fasst Lever zusammen. Den Erklärungen der Forscher zufolge gibt es feine Risse in der basaltischen ozeanischen Kruste, durch die sich Wasser bewegt. Seine chemische Zusammensetzung unterscheidet sich grundlegend von Seewasser, es ist beispielsweise frei von Sauerstoff, der durch Photosynthese erzeugt wurde. Vermutlich reagiert dieses Tiefenwasser mit reduzierten Eisenverbindungen im Gestein, wodurch Wasserstoff freigesetzt wird, erklären die Wissenschaftler. „Ihn können die Mikroorganismen als Energiequelle nutzen, um Kohlendioxid in organisches Material zu verwandeln“, erklärt Lever. Dies bildet wiederum die Grundlage für die Ernährung anderer Mikroorganismen, denn der Basalt sei die Heimat vieler unterschiedlicher Mikroorganismen, berichten die Wissenschaftler.

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Das tiefe Ökosystem ist damit komplett unabhängig von der Energie der Sonne, die das Leben auf der Erdoberfläche durch die Photosynthese ermöglicht. Pflanzen, Algen und ein paar andere photosynthetische Organismen nutzen das Sonnenlicht, um Kohlendioxid in organisches Material zu verwandeln. Es bildet die Grundlage der Nahrungsketten auf der Erde und in den Ozeanen. Das Leben in dem porösen Gestein der ozeanischen Kruste ist dagegen grundlegend anders: Die treibende Kraft des Lebens stammt aus geochemischen Prozessen, betonen die Forscher. Die ozeanische Kruste bedeckt 60 Prozent der Erdoberfläche. Damit handelt es sich um das größte Ökosystem der Erde. All diese Erkenntnisse lassen den Blick der Forscher vom Tiefengestein der Erde sogar ins Universum schweifen: „Es ist möglich, dass auf anderen Planeten ebenfalls Leben existiert, das auf Chemosynthese basiert“, sagt Lever.

Mark Lever (Aarhus Universität) et al.: Science, doi: 10.1038/nature12017 © wissenschaft.de – Martin Vieweg
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