Neben der Präzession, die von der Schieflage der Erdachse zu ihrer Umlaufbahn um die Sonne verursacht wird und 25.800 Jahre dauert, unterliegt die Erdachse kleineren periodischen Störungen. Eine Hauptkomponente dieser sogenannten Nutationen ist eine 18,6 Jahre dauernde Periode, die vom Mond verursacht wird. Innerhalb einer Nutationsperiode weicht die theoretisch berechnete Bewegung der Erdachse von der tatsächlich gemessenen Bewegung um ein bis zwei Millimeter ab.
Buffet geht davon aus, dass diese Abweichung vom Magnetfeld der Erde verursacht wird. Das Magnetfeld wird im eisenhaltigen Kern der Erde erzeugt. Die Drehachse des Erdkerns weicht ein wenig von der Drehachse des Erdmantels ab, so dass Kern und Mantel keine starre Einheit bilden, sondern sich bei der Erddrehung relativ zueinander bewegen. Weil das Magnetfeld sich mit dem Kern dreht, existiert ebenfalls eine relative Bewegung zwischen Magnetfeld und Erdmantel. Dadurch – so behauptet Buffet – wird Energie vom Magnetfeld auf den Mantel übertragen.
Die Sache hat nur einen Haken: Im Gegensatz zum eisenhaltigen Kern ist der Erdmantel nicht elektrisch leitfähig und bietet deswegen dem Magnetfeld keine Angriffsfläche. „Aber wenn der Boden des Mantels leitfähig wäre, dann könnte das Magnetfeld nicht so einfach durch den Mantel schlüpfen. Es würde Strom erzeugen und dieser Strom würde die Bewegung des Erdmantels bremsen. Das ist der Energieverlust, den wir für die Erklärung der Abweichungen brauchen“, erklärt Buffet.
Aufgrund von Experimenten mit flüssigem Gestein glaubt Buffet, dass im flüssigen Erdkern siliziumhaltige Mineralien nach oben strömen und dabei Eisen mit hinauf tragen. Dieses Eisen-Silizium-Gemisch soll dann am unteren Erdmantel kleben bleiben. Eine etwa ein Kilometer dicke leitfähige Schicht sollte nach Buffets Berechnungen genügen, um dem Magnetfeld genügend Widerstand zu bieten und den Erdmantel abzubremsen. Diese Schicht bräuchte nicht durchgehend zu sein, sondern könnte aus einzelnen Stücken bestehen.
Unterstützung für seine Theorie erhält Buffet von Edward Garnero von der Arizona State University. Garnero hat anhand des Reflektionsverhaltens seismischer Wellen herausgefunden, dass sich in einer Tiefe von 2.900 Kilometern zwischen Erdmantel und Erdkern tatsächlich eine dünne Schicht befindet, an der seismische Wellen sich verlangsamen. Theoretische Berechnungen, die Garnero unter der Annahme durchführte, dass diese Schicht siliziumhaltige Mineralien enthält – wie Buffet es behauptet – ergaben eine Übereinstimmung mit dem beobachteten Verhalten seismischer Wellen.
Axel Tillemans