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Murmeln und Mottenaugen

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Murmeln und Mottenaugen
Gold kann viel mehr, als am Finger glänzen: Ohne das edle Metall läuft in der Nanotechnologie fast nichts mehr.

Weissgold, Gelbgold, Rotgold und Violettgold – die Auswahl beim Schmuckkauf kann einen schon erschlagen. Violettgold – nie gehört? Doch diese Goldvariante gibt es wirklich. In den nächsten Jahren dürfte Gold sogar so ziemlich in allen Farben in den Auslagen der Juweliere glänzen. Zu verdanken ist das Ralph Spolenak, Materialwissenschaftler an der ETH Zürich. In seinem Labor für Nanometallurgie zeigt der 38-Jährige Scheiben, die bei bestimmtem Lichteinfall violett schimmern. Das Licht wird von einer 500 Nanometer dünnen Schicht aus zwei Teilen Aluminium und einem Teil Gold reflektiert, die mit einem nanotechnologischen Verfahren aufgebracht wird.

Auf solche neuen Mixturen ist die Schmuckindustrie sehr erpicht, die Spolenaks Arbeit mitfinanziert. Denn bisher gibt es keine Goldlegierungen, die gleichzeitig beliebige Farben haben, gut zu bearbeiten sind und Gold in genügend hohem Gewichtsanteil enthalten. Nur so fühlen sich die Schmuckstücke schwer und wertvoll genug an, um hohe Preise zu rechtfertigen. Doch so weit sind die Züricher Forscher noch nicht. Sie kämpfen noch mit der Herstellung der spröden Legierung als massives Metall.

Das Wort „Gold“ stammt vom indogermanischen „ghel“, was so viel wie glänzend gelb bedeutet. Zu olympischen Medaillen oder Schmuck verarbeitet, trifft der Name voll zu. Doch seit die Nanotechnologie das edle Metall entdeckt hat, kann davon nicht mehr die Rede sein. Und das war vermutlich schon vor über 1600 Jahren. Der berühmte Lykurgosbecher, der aus dem 4. Jahrhundert stammt und heute im Britischen Museum in London zu bewundern ist, wechselt seine Farbe von milchig grün nach rot, wenn man ihn ins Licht hält. Verantwortlich sind Partikel aus Gold – nur wenige Nanometer groß –, die auch alten Kirchenfenstern ihre rote Farbe verleihen. Die moderne Wissenschaft hat diese Eigenschaften wiederentdeckt. Und nicht nur das: Ohne Gold läuft in der Nanoforschung heute fast nichts mehr. Bei der Entwicklung von Biosensoren und neuen Materialien für Leuchtdioden oder Solarzellen – überall ist Gold im Spiel.

Warum? Weil Gold exzellente Eigenschaften annimmt, wenn man es auf Nanogröße schrumpft. Auch andere Metalle offenbaren in der Nanowelt besondere Attribute, allerdings solche, die mehr Ärger als Nutzen bringen. Beispiel Aluminium: Werkstücke daraus verrosten nicht, weil sie so schnell rosten – sägt man sie durch, überzieht sich die Oberfläche sofort mit einer 5 bis 20 Nanometer dünnen Oxidschicht, die das Metall darunter vor weiterer Oxidation schützt. Schrumpft man das Aluminium zu einem immer dünneren Draht, besteht dieser irgendwann nur noch aus Aluminiumoxid, das einen elektrischen Strom nicht leitet – für viele Anwendungen in der Nanotechnik ist es somit nutzlos.

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beim Schrumpfen ganz gross

Anders Gold: Das edle Metall bildet keine Oxide, rostet also nicht. Auch wenn man es auf Nanogröße schrumpft, ändert sich daran nichts. Gleichzeitig vergrößert sich aber die Oberfläche enorm, sodass sich viele andere Materialien leicht dort anlagern. Außerdem leitet Gold auch auf der Nanoskala den elektrischen Strom sehr gut. Das macht es zu einer idealen stromleitenden Brücke zwischen verschiedenen Materialien. Und: Gold reflektiert infrarote Strahlung, was einst schon die Mondastronauten mit ihren goldbedampften Visieren schützte und heute etwa auf Spiegeln für die optische Nachrichtentechnik eingesetzt wird.

„Für uns ist Gold ein praktisches Vehikel“, sagt Claudia Pacholski, Arbeitsgruppenleiterin Nanomaterialien am Max-Planck-Institut für Metallforschung. Die Chemie des Metalls ist bestens bekannt. Es verhält sich gutmütig und vorhersehbar, und Nanopartikel aus Gold lassen sich in einem recht simplen Verfahren in wenigen Minuten herstellen. In den geringen Mengen, die man in der Nanoforschung braucht, ist es zudem gar nicht mal so teuer. Diebstahl lohnt sich in den Stuttgarter Labors nicht, denn massive Goldbarren sucht man hier vergebens. Das Metall schwimmt fein verteilt und manchmal von Kunststoffkügelchen umhüllt in Fläschchen mit einer Flüssigkeit, die – wie es sich gehört – goldgelb ist. Taucht man ein Glasplättchen in die Lösung und entfernt die Kunststoffhüllen mittels Plasmabehandlung, bleibt eine Beschichtung übrig, die unter dem Mikroskop wie eine Platte mit Glasmurmeln aussieht. Die Murmeln sind 10 Nanometer kleine Goldpartikel, die in exakt definiertem Abstand angeordnet sind. Die goldenen Nanopartikel lassen sich auf einfache Art mit Molekülen versehen, die die Anbindung von Zellen fördern. Diese funktionalisierten Gold-Nanopartikel sind der ideale Nährboden für Fibroblasten: Bindegewebszellen etwa von Ratten, die in Windeseile wie ein Teppich auf den Goldkügelchen wachsen, aber nur wenn die Kügelchen den richtigen Abstand haben – in diesem Fall rund 60 Nanometer. Sind die Gold-Nanoteilchen weiter voneinander entfernt, zum Beispiel 100 Nanometer, können die Zellen nicht mehr andocken. Die Rezeptoren auf den Zellen sind so empfindlich, dass einige Nanometer Unterschied im Abstand der Goldkügelchen über eine Anhaftung der Zellen an die Oberfläche entscheiden.

Warum machen die Zellen das? Joachim Spatz, Leiter der Arbeitsgruppe und Direktor des Max-Planck-Instituts für Metallforschung, vermutet, dass die Zellen so feststellen können, in welcher Umgebung sie sind und ob sie dort wachsen dürfen. Das ließe sich unter anderem für Sensoren nutzen, die Krebszellen erkennen. Eine weitere Anwendung wären Stents, Metallnetze zur Stabilisierung der Herzkranzgefäße. Im richtigen Muster mit Gold beschichtet, würden darauf neue Herzmuskelzellen wachsen, nicht jedoch andere Zellen.

Eine ganz andere Anwendung für Goldpartikel – die Entspiegelung von Glas – hat das Spatz-Team gemeinsam mit der Carl Zeiss AG entwickelt. Die Idee stammt aus der Natur: Motten sehen nachts deshalb so gut, weil in ihren Facettenaugen winzige Säulen dicht nebeneinander stehen. Die Säulen sorgen dafür, dass der Brechungsindex an der Grenze zwischen Luft und Auge nicht sprunghaft, sondern sanft ansteigt und damit kein Licht reflektiert wird. So sehen die Motten besser und verraten sich ihren Fressfeinden nicht durch Lichtreflexe. Das Team von Joachim Spatz hat ein Verfahren entwickelt, um solche Säulen ins Glas einer Linse zu ätzen. Die Goldpartikel dienen hier als Maske, die die Säulen beim Ätzen schützen: Nur zwischen den Partikeln wird das Glas abgetragen. Hinterher wird das Gold entfernt, weil die Linse ja Licht sammeln und nicht reflektieren soll. Im Vergleich zu den heute üblichen Antireflexbeschichtungen auf Brillengläsern oder Bilderrahmen sind die Mottenaugengläser für sichtbares Licht wegen des hohen Preises nicht konkurrenzfähig. Bei ultravioletter Strahlung jedoch ist eine Entspiegelung durch andere Antireflexbeschichtungen sehr teuer und aufwendig. Deshalb sind die Mottenaugenstrukturen für Anwendungen in diesem Wellenlängenbereich interessant, etwa in der Chipfertigung. „Im Prinzip könnten wir auch andere Materialien für die Maske benutzen, aber mit Gold geht es viel einfacher“, sagt Claudia Pacholski.

Laserlicht aus dem Bleistift

Mitunter hat man den Eindruck: Wenn in der Nanotechnologie nichts mehr hilft, gibt es immer noch das Gold. Zum Beispiel beim Bau von winzigen Lasern aus Zinkoxid: Die könnten einmal in DVD- oder Blu-ray Playern die heutigen Laserdioden ablösen, die teuer und kompliziert herzustellen sind. Das spottbillige Material gilt als Leuchtstoff der Zukunft und hat schon bewiesen, dass es spontan Laserlicht aussenden kann. Die Physiker lassen 30 bis 300 Nanometer dünne Nadeln aus Zinkoxid wachsen, die unter dem Elektronenmikroskop wie ein Bündel Bleistifte aussehen. Die meisten Teams nutzen Saphir als Trägermaterial, doch das reflektiert das Licht nicht, das in den Stäbchen nach Laserart hin- und hergeworfen und verstärkt werden muss. Die Lösung hat Rolf Sauer von der Universität Ulm gefunden: Statt Saphir nutzt der Physiker Silizium als Substrat, das als idealer Spiegel wirkt. Weil Zinkoxid auf Silizium nicht wachsen mag, bedarf es eines Vermittlers, auf den sich beide Stoffe einigen können. Und der Sieger ist: Gold. Sauers Team erzeugt Zinkdampf, der in die winzigen Goldtröpfchen auf der Siliziumoberfläche eindringt und unter Zugabe von Sauerstoff zu Zinkoxidsäulen wächst. Die Goldtröpfchen werden dabei herausgehoben und am Ende entfernt.

Überhaupt sind Goldtröpfchen ideal, wenn es darum geht, Wachstum zu stimulieren oder elektrische Kontakte herzustellen. Drei Beispiele:

· Wissenschaftler am Institut für physikalische Chemie der Universität Mainz haben Knäuel aus Kadmiumtellurid-Fäden hergestellt, die eingebettet in eine Kunststofffolie Sonnenlicht in Strom verwandeln können. Um die elektrischen Ladungsträger abzutransportieren, müssen die Spitzen der Fäden, die nur wenige Dutzend Atomlagen dick sind, mit Kontakten versehen werden. Das haben die Mainzer Forscher mit winzigen Goldpartikeln bewerkstelligt, die aus einer Goldlösung auf den Spitzen auskristallisieren.

· Alexander Bittner vom Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart stellt Drähte her, indem er Gold auf der Hülle von fingerförmigen Tabakmosaik-Viren abscheidet, die dafür genetisch verändert wurden. Inzwischen kann Bittner Metall auch im röhrenförmigen Inneren des Virus wachsen lassen: zu Drähten, die nur vier Nanometer dünn sind. Manchmal klappt der Prozess nicht, dann docken die Goldpartikel nur an die Enden der Viren an. Auch diese „Hanteln“ könnten nützlich sein: Auf den Goldkügelchen lässt sich Kobalt abscheiden. Das ist magnetisch, und so ließe sich die entkernte und mit einem Medikament beladene Virushülle mittels Magnetfeld zu Krebszellen lotsen.

· Biochemiker an der Purdue-Universität im US-Bundesstaat Indiana haben herausgefunden, dass nicht einmal ein Medikament nötig ist, um Krebszellen zu zerstören. Pures Gold reicht schon. Das Metall absorbiert infrarotes Licht sehr gut, heizt sich dadurch schnell auf – und wird so zur Zellbombe. 15 Nanometer dick und 50 Nanometer lang sind die Stäbchen des US-Teams. Das ist nur etwa ein 200stel so groß wie ein rotes Blutkörperchen – und damit so winzig, dass die Stäbchen unbehelligt vom Immunsystem zu den Krebszellen vordringen können. Dort lagern sie sich an, weil sie zuvor mit Folat, einer Variante von Vitamin B, beschichtet wurden. Das brauchen besonders Tumorzellen zum Wachstum. Mit Licht bestrahlt werden die Goldstäbchen so heiß, dass sie Mini-Explosionen auslösen, die Löcher in die Zellwand sprengen und diese zerstören.

Ein Gläschen Gold

Weniger martialisch geht es in der Homöopathie zu, in der die vermeintlichen Heilkräfte von Goldpartikeln seit 200 Jahren genutzt werden. Der Naturkosmetikhersteller Weleda in Schwäbisch-Gmünd etwa argumentiert: Blattgold dehne sich stark aus – wie das Herz, das sich folglich mit Goldsalbe in einen natürlichen Rhythmus bringen lasse. Zudem sei das Gold mit der Kraft der Sonne verbunden und helfe deshalb gegen Winterdepressionen. Wenn das stimmt, müsste die Currywurst im Blattgoldmantel, die es in Restaurants in Berlin und Düsseldorf gibt, wahre Wunder wirken. Falls nicht: Ein Gläschen Danziger Goldwasser – ein Gewürzlikör mit Blattgoldflocken – bringt die Verdauung bestimmt wieder in Ordnung. ■

Bernd Müller ist Wissenschaftsjournalist in Esslingen. Den Boom des Goldpreises hat der ehemalige bdw- Redakteur leider verpasst.

von Bernd Müller

Gut zu wissen: Nanotechnologie

Die Nanotechnologie befasst sich mit Strukturen, die kleiner sind als 100 Nanometer (Millionstel Millimeter). Viele Materialien verändern auf dieser Größenskala drastisch ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften. Eine Besonderheit von Nanoteilchen sind starke Oberflächeneffekte, denn die Oberfläche der Partikel hat im Vergleich zum Volumen einen sehr großen Anteil. Außerdem dominieren in der Nanotechnologie quantenphysikalische Phänomene, die sich etwa zur Erzeugung oder Absorption von Licht nutzen lassen.

Gold aus der Biobrühe

Bakterien können vieles verdauen, sogar Abfall. Dass sie auch Gold fressen, hat Frank Reith von der Universität Adelaide in Australien beobachtet. Auf Nuggets aus zwei australischen Goldminen entdeckte er das Bakterium Cupriavidus metallidurans. Wie sich herausstellte, vertilgt der Mikroorganismus gelöste giftige Goldsalze und wandelt die Salze dann in einem noch nicht vollständig untersuchten Prozess in metallisches Gold um. „Es scheint, als ob dieses Bakterium notwendig ist, damit Gold entstehen kann“, sagt der Biologe Dietrich Nies, der an der Universität in Halle die verantwortlichen Gene im Erbgut des Nano-Alchemisten identifizieren will.

Die Entdeckung hat Potenzial. So könnten die Bakterien die Goldherstellung aus niedrig konzentrierten Goldlösungen beschleunigen. Das wäre eine erhebliche Entlastung für die Umwelt, denn die giftigen chemisch-technischen Prozesse in der heutigen Goldgewinnung verwüsten ganze Landstriche. „Wir können aber noch keine Tonnen von Gold herstellen“, bremst Nies allzu hohe Erwartungen. Dazu sei der Ausstoß der Bakterien zu klein. Wahrscheinlicher ist, dass die Bakterien eines Tages als empfindliche Biosensoren fungieren, die den Mineralogen bei der Suche nach Goldvorkommen helfen.

Kompakt

· Gold ist ein unentbehrliches Hilfsmittel in der Nanotechnologie, weil sich Goldpartikel leicht herstellen und bearbeiten lassen.

· Das edle Metall rostet nicht, leitet elektrischen Strom sehr gut und verträgt sich bestens mit anderen Materialien, vor allem lebenden Zellen.

· Gold hilft unter anderem bei der Entwicklung neuer Biosensoren, Leuchtdioden und Antireflexschichten.

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ge|tra|gen  〈Adj.〉 gemessen, langsam, ruhig–ernst, schreitend (Melodie, Tempo) ● ein ~er Satz 〈Mus.〉; →a. tragen … mehr

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