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Nasse Unterwelt

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Nasse Unterwelt
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Unter der Antarktis befindet sich ein Netz von Seen, das die Eiswanderung beeinflusst. Abbildung: NASA
Die Antarktis besteht nicht nur aus Gebirgen und riesigen Eisflächen, sondern auch aus Flüssen, Sümpfen und gewaltigen Seen: Unter dem Eis des Kontinents haben Wissenschaftler ein sich ständig wandelndes Netz von Gewässern entdeckt. Mit Bohrungen wollen sie nun in die Tiefe vordringen und hoffen, hier auf bisher unbekannte Lebensformen zu stoßen.

Endlose Gletscher, von Eis bedeckte Ebenen, gewaltige Gebirgsmassive, zerklüftete Küsten, eisige Stürme: Die Antarktis hat neben dieser rauen, lebensfeindlichen Seite auch ein zweites, viel sanfteres Gesicht. Tief unter ihrer eisigen Oberfläche, zwischen den Eispanzern und dem nackten Fels, liegt eine dunkle Landschaft, die so warm ist, dass das Eis zu schmelzen beginnt. Ein weit verzweigtes Netz von Bächen, Flüssen und Seen ist hier entstanden – eine Landschaft, die noch nie ein Mensch gesehen hat und die so unerforscht ist wie ein fremder Planet.

„Ich wäre glücklich, wenn ich nur einige der Geheimnisse dieses riesigen unbekannten Lebensraums ergründen könnte“, erklärt der amerikanische Biologe John Priscu von der Staatsuniversität von Monatana in Bozeman in der Märzausgabe der Zeitschrift „bild der wissenschaft“. Wie groß und spektakulär die Landschaft unter dem antarktischen Eis ist, das haben Wissenschaftler erst in den vergangenen Jahren entdeckt. Etwa 180 Seen sind derzeit bekannt. Mit einer Länge von 280 Kilometern und einer Breite von 80 Kilometern ist der Wostoksee der größte von ihnen. Er bedeckt eine Fläche von fast 16.000 Quadratkilometern und ist damit etwa so groß ist wie Schleswig-Holstein.

Der größte Teil dieser Seen liegen unter dem Eis der Ostantarktis und treten besonders an sogenannten Eisscheiden auf. Das sind Regionen, in denen sich die Fließrichtung des Eises wie an einer Wassersscheide in zwei Richtungen teilt. Warum gerade hier vermehrt Seen entstehen, weiß bisher jedoch niemand.

Das Netz aus Seen, Sümpfen und Flüssen ist keineswegs statisch, sondern Veränderungen unterworfen, deren Geschwindigkeit Forscher überrascht hat. „Bisher nahm man an, dass das Wasser unter dem Eisschild nur sehr langsam ausgetauscht wird“, berichtet die amerikanische Geologin Robin Bell in „bild der wissenschaft“. Höhenmessungen von Satelliten haben nun jedoch gezeigt, wie schnell sich die Landschaft unter dem Eis verändern kann, indem sich beispielsweise Gletscher abrupt senken oder heben, wenn ein See leerläuft oder sich in kurzer Zeit mit Wasser füllt.

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So beobachteten britische Forscher 2006, wie das Eis über einem See in der Ostantarktis in nur 16 Monaten um drei Meter absackte. Gleitzeitig hob sich das Eis über zwei fast 300 Kilometer entfernten Gewässern, mit denen der See offenbar in Verbindung stand, um ein bis zwei Meter. Insgesamt müssen fast zwei Kubikkilometer Wasser unter dem Eis hindurchgeflossen sein, berechneten die Forscher – eine Flut, die zeitweise fast so viel Wasser transportierte wie die Themse in London.

Eine große Dynamik zeigt häufig auch das Eis über den Seen, wie Satellitenmessungen belegen: Hier steigt die Geschwindigkeit, mit der das Eis wandert, von 5 Metern pro Jahr auf teilweise bis zu 30 Meter an. Zu den Küsten hin kann die Geschwindigkeit des Eises sogar mehrere hundert Meter im Jahr betragen. Wissenschaftler vergleichen das antarktische Eis daher mit einem riesigen Wackelpudding, der – vom eigenen Gewicht getrieben – nach allen Seiten zum Meer hin quillt.

Das Wasser unter dem Eis tritt dabei regelmäßig mit der Außenwelt in Verbindung: Wissenschaftler schätzen, dass immer wieder größere Süßwassermengen ins Meer fluten. Im Zuge der Klimaerwärmung könnten solche Ausflüsse verstärkt auftreten – mit Auswirkungen auf das Klima vor Ort oder gar weltweit, vermuten Forscher: Da die Meeresströmungen nicht nur durch Temperaturunterschiede, sondern auch durch Unterschiede im Salzgehalt angetrieben werden, könnten solche Ergüsse das Gleichgewicht dieser Ströme stören. Dies sei eine reale Bedrohung, erklärt etwa der New Yorker Wissenschaftler Michael Studinger.

Was Wissenschaftler jedoch mindestens ebenso heftig umtreibt, ist die Suche nach Leben in den Gewässern unter dem Eis: Bis auf 3.628 Meter Tiefe sind russische Forscher bei Bohrungen von der Station „Wostok“ aus bisher vorgedrungen. Etwa 120 Meter tiefer beginnt der gleichnamige, riesige See. Die tiefsten Proben, die bei den Bohrungen an die Oberfläche befördert wurden, bestanden aus wieder angefrorenem Eis des Sees und enthielten diverse Arten von Mikroben. Einige Bakterien erinnerten an die Lebensformen, wie sie in heißen Quellen am Meeresboden entdeckt wurden, was Spekulationen nährte, unter dem Wostoksee könnte es solche hydrothermale Quellen geben.

Mehr Hinweise wird es jedoch erst geben, wenn die eigentliche Oberfläche des Sees erreicht ist. Da über die bisher eingesetzte Bohrflüssigkeit Mikroben in die Probe und womöglich auch in den See unter dem Eis eindringen und diese verunreinigen könnten, wollen die russischen Forscher eine sterile Flüssigkeit für die Bohrung einsetzen. Technische Schwierigkeiten bei der Bohrung warfen die Wissenschaftler jedoch immer wieder zurück, so dass dieser Vorstoß bisher noch nicht geglückt ist.

An einem solchen Durchbruch ins Wasser arbeiten auch britische Forscher, die bis 2012/2013 einen vergleichsweise kleinen See in der Westantarktis anbohren wollen. Hier soll ein ferngesteuerter Roboter eingesetzt werden, um Wasser- und Sedimentproben zu sammeln. Genau hundert Jahre, nachdem die Expedition des britischen Forscher Robert Scott den Südpol erreichte und auf dem Rückweg ums Leben kam, hätten britische Wissenschaftler hier tatsächlich Neuland betreten.

ddp/wissenschaft.de – Ute Kehse
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