Lange galt der Pluto als kalte, tote Welt. Doch als die Raumsonde New Horizons im Juli 2015 am Zwergplaneten vorbeiflog und erstmals nahe Bilder von seiner Oberfläche lieferte, stellte sie diese Vorstellung auf den Kopf. Denn auf dem Pluto gibt es neben gewaltigen Gebirgen aus Wassereis auch fließende Gletscher, organische Nebelschleier und vielleicht sogar aktive Eisvulkane. Der Übergang vom Eisgebirge al-Idrisi zur Eisebene Sputnik Planum ähnelt zudem verblüffend einer gebirgigen Meeresküste auf unserem Planeten. Doch gerade die rund 1200 Kilometer weite Eisebene gibt Rätsel auf. Messdaten zeigen, dass ihr Eis größtenteils aus gefrorenem Stickstoff besteht mit geringeren Anteilen von Methan- und Kohlenmonoxid-Eis. Das Seltsame ist jedoch ihre Struktur: Die Eisschicht ist in rund 20 bis 30 Kilometer große Schollen geteilt, die von flachen Rinnen begrenzt werden. Die Mitte dieser Schollen liegt dabei mehrere Dutzend Meter über dem Niveau ihrer Ränder. Wodurch diese Schollen gebildet wurden, dazu gibt es bisher zwei Theorien: Sie könnten durch Schrumpfungsprozesse entstehen, ähnlich wie bei einer eintrocknenden Schlammschicht, oder aber durch Konvektion – Strömungen wärmerer und kälterer Eisbereiche innerhalb der Eisschicht.
Eisige Konvektion
Gleich zwei Forscherteams – eines um Alexander Trowbridge von der Purdue University und eines um William McKinnon von der Washington University – haben nun die Geologie und Physik des Eises von Sputnik Planum anhand von Messdaten und physikalischen Modellen genauer untersucht. Sie prüften dabei in erster Linie, ob eine Konvektion die Polygone der Eisebene erklären kann und was sich daraus für die Tiefe und das Alter des Eises dort schlussfolgern lässt. Unabhängig voneinander kommen beide Teams zu dem Ergebnis: Die polygonen Eisschollen in Sputnik Planum sind am wahrscheinlichsten durch wärmebedingte Strömungen im Eis entstanden. Wie sie ausrechneten, reicht der geringe Temperaturunterschied zwischen rund 33 Kelvin an der Eisoberfläche und 40 Kelvin in ihrem Inneren aus, um dem wärmeren Tiefeneis genügend Auftrieb zu verleihen. Trotz der hohen Viskosität steigt das wärmere Eis daher im Zentrum der Schollen auf. Kühleres Oberflächeneis wandert gleichzeitig an die Ränder der Schollen und sinkt dort in die Tiefe ab.
Aus den Modellen ergibt sich auch das ungefähre Tempo dieser eisigen Umwälzströmung und damit das durchschnittliche Alter der Eisoberfläche: „Wir kalkulieren die mittlerer Geschwindigkeit der Konvektion auf 1,5 Zentimeter pro Jahr“, berichten Trowbridge und seine Kollegen. Das maximale Alter der Oberfläche von Sputnik Planum liegt ihren Berechnungen nach bei rund einer Million Jahren, MacKinnon und sein Team halten sogar nur 500.000 Jahre für möglich. Damit jedoch gehört dieses Terrain auf Pluto zu den geologisch jüngsten Oberflächen im gesamten Sonnensystem: „Pluto gesellt sich damit zu Europa, Enceladus, Titan und Triton als kleiner und eisiger, aber geologisch dynamischer Himmelskörper – weit entfernt von den kalten, toten Welten, die man einst so fern von der Sonne erwartete“, betonen Andrew Dombard und Sean O’Hara von der University of Illiois in einem begleitenden Kommentar.
Und noch etwas ergibt sich aus den Berechnungen der Forscher: die wahrscheinliche Dicke der Eisschicht. Weil die Spektrometer von New Horizons nur eine Eindringtiefe von wenigen Mikrometern besitzen, konnten sie dies nicht ermitteln. Doch ausgehend von der Größe der Schollen und der ihnen zugrundeliegenden Konvektion kommen Trowbridge und seine Kollegen nun auf eine wahrscheinliche Dicke der Eisschicht von rund zehn Kilometern, McKinnon errechneten mit drei bis sechs Kilometern etwas weniger. Spannend sind diese Werte vor allem deswegen, weil die Tiefe und Form der Senke unter Sputnik Planum verraten könnte, ob es sich dabei um einen alten Einschlagskrater handelt oder nicht.
Quelle:
- Alexander Trowbridge (Purdue University, West Lafayette) et al., Nature, doi: 10.1038/nature18016
- William McKinnon (Washington University in St. Louis) et al., Nature, doi: 10.1038/nature18289