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Rätsel in der Venus-Luft

Astronomie|Physik

Rätsel in der Venus-Luft
Verblüffende Messungen der Raumsonde Venus Express: In der Atmosphäre unseres Nachbarplaneten scheinen Gase aktiver Vulkane zu wabern. Ist die Gashülle auch für die seltsame Abbremsung des Venus-Tags verantwortlich?

Sie war die erste erfolgreiche Planetensonde der NASA: Mariner 2, gestartet am 27. August 1962. Ihr Ziel war die Venus. Damals begann ein neues Kapitel in der Geschichte der Erforschung unseres Sonnensystems, denn mit den Raumsonden kam die Erkundung der Planeten erst richtig in Schwung.

Von der Venus zeichneten die automatischen Späher im Lauf der Jahre ein immer schauerlicheres Bild: Unter dem dicken Vorhang aus Schwefelsäure- Wolken betragen die Temperaturen am Boden fast 500 Grad Celsius – selbst nachts fallen sie kaum. Und auf der Venus-Oberfläche lastet ein mörderischer atmosphärischer Druck: 90 Mal so viel wie auf der Erde (bdw 5/2010, „Blick auf die heiße Nachbarin“).

Die dichte Gashülle besteht zu über 96 Prozent aus dem Treibhausgas Kohlendioxid, eine weitere Komponente ist Schwefeldioxid (SO2) mit einem Anteil von 0,01 Prozent. Auf der Erde gelangt das giftige Spurengas hauptsächlich durch industrielle Produktion oder beim Verbrennen von Biomasse in die Luft – und durch aktive Vulkane. Aber auf der Venus? Möglicherweise ist es das erste Indiz für einen aktuellen aktiven Vulkanismus auf einem anderen Planeten.

Über den Wolken

Tatsächlich könnten auf unserer Nachbarwelt Vulkane speien, obwohl keiner der rund 1000 bekannten Feuerberge jemals in flagranti erwischt wurde. Immerhin fand ein internationales Forscherteam mit den Daten der europäischen Sonde Venus Express (VEX), die seit 2006 den Planeten umkreist, im Jahr 2010 indirekte Hinweise auf vulkanische Aktivität vor höchstens 2,5 Millionen Jahren. Im geologischen Maßstab ist das ein Wimpernschlag.

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Nun hat VEX den Verdacht auf aktiven Vulkanismus erhärtet. Bei den Langzeitmessungen geht es um Veränderungen des SO2-Gehalts in der Venus-Atmosphäre. Ein internationales Forscherteam um Emmanuel Marcq von der Université de Versailles Saint-Quentin publizierte vergangenen Dezember im Fachblatt Nature Geoscience die Analysen der Daten aus dem Zeitraum von 2006 bis 2012. Das UV-Spektrometer an Bord registrierte den Gasgehalt 70 Kilometer über der Venus-Oberfläche. Die Daten zeigen, dass der SO2-Gehalt vor 2007 zunächst stieg und dann kontinuierlich bis auf ein Fünftel des gemessenen Spitzenwerts fiel (siehe Grafik rechts).

kilometerhohe SO2-Säule

Welchen Reim machen sich die Forscher darauf? „In der unteren Atmosphäre ist SO2 ein wichtiger und konstanter Bestandteil“, erklärt Astrophysiker Marcq. „Von dort steigt die heiße Venus-Luft auf und bringt dieses Gas in die höheren Atmosphärenschichten.“

Sollte es auf der Venus einen ähnlich gewaltigen Vulkanausbruch gegeben haben wie 1991 auf der Erde bei der Explosion des philippinischen Pinatubo, so hätte eine Säule aus vulkanischem Schwefeldioxid bis in diese Höhen katapultiert werden können, meint Jean-Loup Bertaux, Co-Autor der Studie. Über den Venus-Wolken wird das Gas schnell wieder abgebaut, vermutet er, da die Moleküle der zerstörerischen solaren UV-Stahlung zum Opfer fallen.

Die starken SO2-Variationen sind außerdem nicht neu: Einen ähnlichen Trend hatten sowjetische und US- Sonden zwischen den 1970er- und 90er- Jahren festgestellt. Die Venus-Atmosphäre sorgt auch für bizarre Phänomene. Nach einer aktuellen Publikation im Fachblatt Icarus scheint sie die Drehung des Planeten abzubremsen.

Venus-Tag: Sechs Minuten länger

Die Dauer eines Venus-Tags kannten die Astronomen lange Zeit nicht, denn anders als beim Mars sind in Fernrohren keinerlei Merkmale der Oberfläche auszumachen, weil die geschlossene Wolkendecke den Blick zum Boden verhindert. Doch Radarmessungen haben gezeigt, dass die Venus rund 243 Erdtage für eine Drehung um die eigene Achse benötigt.

Zwischen 1990 und 1992 gelang es, die Rotationsperiode noch genauer zu bestimmen – dank des Bordradars der NASA-Sonde Magellan. Den Messungen zufolge dauert ein Venus-Tag genau 243,0185 Erdtage. Doch VEX maß, wie schon ältere Sonden, höhere Tageslängen.

Nils Müller vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und seine Kollegen fanden den aktuellen Wert heraus, indem sie ausnutzten, dass bei bestimmten infraroten Wellenlängen die ansonsten trübe Gashülle transparent wird. Durch diese spektralen „Fenster“ konnten die Wissenschaftler auf die Oberfläche spähen und die Rotationsdauer ermitteln. Ergebnis: 243,023 Erdtage – rund 6,5 irdische Minuten länger als vor zwei Jahrzehnten mit Magellans Radargerät festgestellt. Demnach würde die Tageslänge auf der Venus langfristig schwanken. Wie kann das sein?

Geophysiker Müller kann das erklären: „In der Venus-Atmosphäre steckt viel mehr Drehimpuls als in der Lufthülle der Erde. „Denn die mächtige Gashülle enthält 100 Mal so viel Masse wie unsere Erdatmosphäre.“ Die Gasmasse, die durch Höhenwinde angetrieben wird, rast in nur vier bis sieben Erdtagen um die Venus. Die Drehung des festen planetaren Körpers erfolgt viel langsamer. Aktuelle Simulationsrechnungen des Venus-Klimas von US-Forschern deuten auf einen Austausch von Drehimpuls zwischen dem festen Venus-Körper und der Atmosphäre hin. Ihnen zufolge wird der Drehimpuls zwischen den beiden Teilsystemen periodisch übertragen, und zwar in einem Rhythmus von etwa zehn Jahren. Möglicherweise wird dabei immer wieder die Zunahme des Drehimpulses der Gashülle durch das Abbremsen des festen Venus-Körpers kompensiert – eine Folge der Drehimpulserhaltung. Verantwortlich für diese Abbremsung könnten Winde unterhalb der Wolken sein, die periodisch auffrischen und wieder abflauen.

schwanken im gleichtakt?

Marcq und seine Co-Autoren diskutieren eine ähnliche Begründung für die Schwankungen des Schwefeldioxid- Gehalts. Auch sie können sich periodische Änderungen in der Zirkulation der Gashülle vorstellen – es wären also keine vulkanischen Eruptionen erforderlich.

Nils Müller hält diesen Zusammenhang ebenfalls für möglich, will aber weitere Messungen abwarten: „Wir brauchen mehr Daten, um festzustellen, ob der SO2-Gehalt, die mittleren Windgeschwindigkeiten und die Rotationsdauer des Planeten im gleichen Takt schwanken.“ ■

Von Thorsten Dambeck

Rätselhaftes Auf und Ab

Der Schwefeldioxidgehalt in der Venus-Atmosphäre verändert sich im Laufe der Zeit, wie zuletzt die Messungen der ESA-Raumsonde Venus Express (rechts) gezeigt haben. Die Ursache dafür könnten vulkanische Ausdünstungen sein.

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