Doch im Augenblick sieht es schlecht aus für ATA. Das ließ der Astronom Franck Marchis durchsickern, der sowohl beim SETI-Institut als auch Radio Astronomy Laboratory der University of California arbeitet. Am 22. April hatte Tom Pierson, Chief Executive Officer des SETI-Instituts, in einem Brief an die privaten Geldgeber mitgeteilt, dass ATA Mitte April in einen ?Winterschlaf? versetzt wurde: Die Anlage wurde heruntergefahren und das Personal reduziert. In den letzten zwei Jahren ging die Finanzierung stark zurück. Nun musste das Radio Astronomy Laboratory der University of California vorläufig aus dem Projekt aussteigen, weil sie kaum noch Geld vom kalifornischen Staat und der National Science Foundation erhält. Der ATA-Betrieb kostet rund 1,5 Millionen Dollar pro Jahr und die SETI-Kampagne dort weitere 1 Million Dollar jährlich, so Pierson. ?Das ist eine sehr ernste Angelegenheit. Ohne Instrument ist man out of business?, kommentierte SETI-Astronom Seth Shostak gegenüber der Fachzeitschrift nature.
?Es ist eine große Ironie, dass in einer Zeit, in der wir so viele neue Planeten entdecken, das Geld fehlt, sie nach Radiosignalen abzuhören?, sagt Jill Tarter, die Direktorin des SETI-Instituts. Erst vor zwei Monaten hatten Astronomen bekannt gegeben, mit dem Kepler-Weltraumteleskop der NASA über 1200 Kandidaten für Planeten bei anderen Sternen aufgespürt zu haben. Einige davon könnten erdähnlich sein. Fünf Millionen Dollar für ATA würden genügen, um die vielversprechendsten Exoplaneten in einem Zwei-Jahres-Programm ins Visier zu nehmen.
SETI klingt zwar nach Science Fiction, ist aber keine. 1960 wurde im Rahmen des Projekt Ozma erstmals nach möglichen Botschaften von anderen Planetensystemen gesucht. Seither gab es große Fortschritte (bild der wissenschaft 2/2002, “Die Suche nach Signalen”). Doch ATA ging SETI erstmals im großen Stil an. Mit seiner Sensitivität, Beobachtungszeit und -volumen stellt das Observatorium alle bisherigen Projekte weit in den Schatten. Ziel ist, eine Million Sterne gezielt nach Radiosignalen abzusuchen sowie die Milliarden Sterne der inneren Galaktischen Ebene ins Visier zu nehmen.
Die Suche nach Außerirdischen Intelligenzen ist nicht bloß eine Spielerei. Sie trifft im Kern die Frage nach der Stellung des Menschen im Weltall. Außerdem ist es seltsam, warum es noch keine Indizien für extraterrestrischen Intelligenzen gibt, falls diese wirklich so häufig sind, wie oft angenommen wird (siehe bild der wissenschaft 2/2010, ?Außerirdische – wo seid ihr??). Andererseits betrifft SETI auch unsere langfristige Sicherheit. Denn prominente Wissenschaftler wie Stephen Hawking befürchten eine Invasion aus dem All. Auch die Gefahr, von fundamentalistischen Missionaren heimgesucht zu werden, ist nicht zu vernachlässigen.
Parallel zu SETI kann ATA auch astronomische Spitzenforschung leisten. So gibt bereits Messungen zur Verteilung des Wasserstoffs in und zwischen den Galaxien sowie Daten zur Sternentstehung und zum Galaktischen Zentrum. Geplant ist außerdem, 250.000 extragalaktische Radioquellen zu klassifizieren, etwa Aktive Galaxienzentren und Galaxien mit heftiger Sternentstehung, sowie kurzlebige Himmelsphänomene aufzuspüren, beispielsweise den Einsturz von Materie in Schwarze Löcher.
Außerdem ist ATA mit seinen vielen relativ billigen Antennen und der anspruchsvollen Datenzusammenführung und -analyse durch massiven Computereinsatz ein Technologie-Pionier für künftige Radioobservatorien – insbesondere für das Square Kilometre Array, die geplante größte Sternwarte aller Zeiten. ?Das ist die Richtung der Radioastronomie der Zukunft?, sagt Mark McKinnon, Projektmanager beim VLA. ?Die Forscher und Ingenieure vom ATA-Team sind die einzigen, die daran bereits praktisch arbeiten.? Bezogen auf die Radiostrahlung-Sammelfläche ist ATA um einen Faktor 2 bis 3 billiger als andere Radioteleskope.
Nun hofft das SETI-Institut auf neue Geldquellen. Eine könnte von der US Air Force kommen. Sie untersucht gegenwärtig, inwiefern ATA sich am Programm ? Space Situational Awareness? beteiligen könnte – etwa der Beobachtung und Katalogisierung von künstlichen Objekten in Erdumlaufbahnen. Vor allem die Millionen Trümmer aus Satelliten-Kollisionen und Raumfahrtaktivitäten sind eine große Bedrohung für Raumflüge, Satelliten und die Internationale Raumstation. ATA kann Objekte mit mehr als einem Quadratmeter Fläche nachweisen, wenn diese Radiowellen von Kommunikationssatelliten reflektieren. Im Gegensatz zu klassischen Teleskopen wie dem Space Surveillance Telescope geht das auch tagsüber und bei jedem Wetter. In diesem Rahmen könnte sogar das Frequenzband der ATA-Empfänger erweitert werden.
ATAs Shutdown ist freilich nicht das Ende von SETI. Auch andere Profiastronomen beteiligen sich an der Suche. Und andere SETI-Projekte machen weiter, etwa setiQuest Explorer, bei dem auch Freiwillige nach möglichen artifiziellen Mustern in existierenden Datenbanken fahnden können, die von bisherigen Suchalgorithmen vielleicht übersehen wurden. Dank einer neuen Kooperation mit dem ebenfalls für jedermann offenen Projekt Galaxy Zoo sind die Datenanalysen nun in Echtzeit möglich, so dass eventuelle Entdeckungen sofort nachverfolgt werden können.
Für ATA ist das alles freilich kein angemessener Ersatz. Es macht die schmerzliche Lücke sogar noch deutlicher. ?Das Allen Telescope Array muss sich neu erfinden?, schreibt Franck Marchis. ?Hoffentlich ist die Abschaltung nur eine vorübergehende Delle in der Erfolgsgeschichte dieses einzigartigen Observatoriums.?