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Sieben Sternenflocken im Labor

Astronomie|Physik

Sieben Sternenflocken im Labor
Die Raumsonde Stardust brachte vor neun Jahren Staubteilchen zur Erde, die von fernen Sternen in unser Sonnensystem gelangt sind. Jetzt gaben Forscher die ersten Untersuchungsergebnisse bekannt.

Die wertvolle Fracht aus dem Kosmos war am 16. Januar 2006 in der Wüste von Utah an einem Fallschirm gelandet. Sie befand sich im Innern einer Kapsel, die vom Raumschiff Stardust stammte. Die NASA-Sonde war 1999 zu dem Kometen Wild 2 aufgebrochen – mit einem Probensammler an Bord, der wie ein Tennisschläger ausgeklappt wurde. Als Stardust durch den Kometenschweif flog, sammelte er darin Staub auf. Schon vorher wollten Forscher mit dem Fänger interstellare Partikel aus den Tiefen des Alls erwischen.

Als Auffangmaterial diente ein ultraleichter, poröser Glasschaum – ein Aerogel –, in dem die Partikel stecken blieben. Den Kometenstaub analysierten die Forscher recht schnell – und veröffentlichten 2009 die ersten Ergebnisse. Doch die Suche nach den weitaus selteneren, nur tausendstel Millimeter kleinen Bröckchen aus dem interstellaren Raum erwies sich als erheblich schwieriger.

Speziell zu diesem Zweck baute Projektleiter Andrew Westphal von der Universität von Kalifornien in Berkeley ein weltweites Netz namens stardust@home mit mehr als 30 000 Freiwilligen auf. Westphal und sein Team nahmen das Aerogel mit einem Mikroskop Stück für Stück auf und verschickten mehr als eine Million Bildausschnitte mit jeweils einem halben Millimeter Kantenlänge an die Mitglieder des Netzwerks, die sie analysierten. Das Ergebnis der jahrelangen Suche waren ganze drei interstellare Partikel. Vier weitere waren auf dem Aluminium-Rahmen des Staubfängers eingeschlagen und hatten dort winzige Krater und Materialreste hinterlassen.

Ein Treffer auf 50 000 Bildern

Einen dieser seltenen Aluminium-Einschläge hat das Team um Peter Hoppe vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz entdeckt. „Wir haben 50 000 Bilder mit unserem Rasterelektronenmikroskop aufgenommen”, berichtet Hoppe, „und dabei fünf Krater mit Resten von Staubteilchen gefunden. Vier davon waren durch absplitternde Teile zum Beispiel der Solarzellen entstanden, wie wir mit einer chemischen Analyse nachgewiesen haben.” Schwierig war es, die nur wenige zehntausendstel Millimeter kleinen Krater später mit dem Analysegerät für die chemische Zusammensetzung wiederzufinden. „ Die Alufolie ist extrem verkratzt”, nennt Hoppe das Problem.

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So klein die Teilchen im Aerogel auch waren, sie bargen handfeste Überraschungen: „Unerwartet war für uns zunächst die Porosität”, sagt der ebenfalls an der Studie beteiligte Mario Trieloff von der Universität Heidelberg. Viele Forscher waren überzeugt, dass flockige Partikel unter dem Dauerbeschuss kosmischer Strahlung während der Jahrmillionen in der Milchstraße zerstört würden. Tatsächlich hat das Mineral selbst den Aufprall von 30 000 Kilometer pro Stunde und mehr im Aerogel überstanden, wie Trieloff und sein Team mit Kontrollexperimenten im Labor ermittelten.

Und womit die Forscher auch nicht gerechnet hatten: Zwei Körnchen enthielten regelmäßig-kristalline Mineralien. Die Wissenschaftler hatten eine ungeordnete Struktur erwartet, weil ein geordnetes Kristallgitter unter den harschen Weltraumbedingungen eigentlich recht schnell zerstört werden müsste.

Hundertprozentig können die Wissenschaftler nicht beweisen, dass die Flocken wirklich von fernen Sternen zu uns gekommen sind – und nicht vielleicht doch aus unserem Sonnensystem stammen. Wichtige Indizien wie Flugrichtung und Geschwindigkeit der Teilchen sprechen für einen Ursprung jenseits des Sonnensystems. Westphal schätzt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es sich bei den drei größten Körnchen im Aerogel nicht um interstellare Partikel handelt, auf weniger als 1 zu 3000.

Botschaft aus der Urzeit

Um mehr über die Herkunft der kosmischen Boten zu erfahren, müssten die Forscher die Isotopen-Zusammensetzung messen. Isotope sind Varianten ein und desselben chemischen Elements, die in ihrem Kern unterschiedlich viele Neutronen enthalten. Die Isotopen-Häufigkeit eines Materials ist so etwas wie ein genetischer Code: Sie verrät, wo ein Staubteilchen entstanden ist – und sie führt die Forscher in die Zeit vor die Entstehung der Sonne.

Die Sonne und ihre Planeten bildeten sich vor 4,6 Milliarden Jahren in einer riesigen Staubwolke. In weiten Teilen war die Materie darin gut durchmischt. Somit waren die chemischen Eigenschaften und Isotopen-Häufigkeiten dort überall sehr ähnlich. Doch aus der Tiefe der Milchstraße trafen ständig kleine Staubkörnchen mit anderen Isotopen-Häufigkeiten ein, blieben in der Wolke stecken und wurden in die entstehenden Meteoriten eingebaut. Viele dieser Steine fielen auf die Erde. Sie bergen bis heute eine Fülle an Informationen über die Entstehung unseres Sonnensystems.

Das Problem: Die seltenen Sternenstaubkörnchen sind oft weniger als einen tausendstel Millimeter klein. Die Kunst der Wissenschaftler besteht darin, diese Winzlinge in Meteoriten aufzuspüren und deren Isotopenhäufigkeiten zu messen. Hierfür haben Peter Hoppe und seine Kollegen ein Verfahren entwickelt, mit dem sie die Körnchen mit einer Auflösung von weniger als einem zehntausendstel Millimeter vermessen können (bild der wissenschaft 12/2009, „Sternenstaub auf Erden”). Es ist so sensibel, dass sich die Breite eines menschlichen Haars damit in mehr als 1000 Punkten abrastern ließe.

Trägt man die Isotopenhäufigkeiten verschiedener Partikel in einem Diagramm auf, so gruppieren sich die Messpunkte in bestimmten Bereichen. Jeder Bereich ist der Fingerabdruck des Herkunftsorts: „Körnchen mit bestimmten Kohlenstoff-Isotopenhäufigkeiten stammen von einer Supernova, also einem explodierten Stern”, sagt Hoppe. Staub, der im Teilchenwind eines Roten Riesen entstanden ist, also eines alten aufgeblähten Sterns, zeichnet sich hingegen durch ein ungewöhnliches Verhältnis von Stickstoff-Isotopen aus.

Staub von Roten Riesen

Hoppe und seinen Mitarbeitern ist es gelungen, mehrere Arten von kosmischen Staubproduzenten zu identifizieren. Astrophysiker schätzen, dass Rote Riesen mit der zwei- bis fünffachen Masse der Sonne die dominierende Rolle bei der kosmischen Staubproduktion spielen. Die zweitwichtigste Quelle sind wahrscheinlich Supernovae. Diese Himmelskörper sorgen noch heute dafür, dass immer wieder Staub nachgeliefert wird, aus dem neue Sterne und Planetensysteme entstehen können.

Aus bestimmten Isotopen-Verhältnissen lässt sich sogar ablesen, dass die Teilchen einige Dutzend bis Hundert Millionen Jahre lang im All unterwegs waren, bevor sie in das Baumaterial des entstehenden Sonnensystems eingingen. Ähnlich lange reisten vermutlich jene Teilchen durch den Weltraum, die schließlich im Probensammler von Stardust einschlugen. Auch ihre Herkunft sollte sich aus den Isotopen-Häufigkeiten ermitteln lassen.

Diese Frage will das Stardust-Team nun angehen. Dazu arbeiten die Forscher an einer neuen, empfindlicheren Technik, um die Isotope zu messen, ohne dabei die wertvollen Teilchen zu zerstören. Außerdem ist der Aerogelfänger noch längst nicht vollständig durchsucht. Andrew Westphal rechnet damit, am Ende etwa ein Dutzend Sternenstaubboten ausfindig gemacht zu haben. •

von Thomas Bührke

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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