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Sonnensystem: Zurück in die Urwolke

Astronomie|Physik

Sonnensystem: Zurück in die Urwolke
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So könnte die protoplanetare Scheibe des Sonnensystems ausgesehen haben. (Grafik: NASA/JPL)
Unsere Sonne und unser Planetensystem bildeten sich einst in einer rotierenden Wolke aus Staub und Gas. Doch wie lange gab es diese Urwolke? Vier Meteoriten aus der Frühzeit des Sonnensystems haben hierzu nun wertvolle Informationen geliefert. Ihre Magnetisierung verrät, dass sich die Urwolke spätestens nach vier Millionen Jahren aufgelöst hat. Das wiederum bedeutet, dass die Planeten des Sonnensystems bis dahin entstanden und auch an ihre endgültigen Positionen gewandert sein müssen.

Das grobe Szenario ist klar: Vor rund 4,6 Milliarden Jahren begann sich im Zentrum einer rotierenden Scheibe aus Wasserstoff und Helium, aber auch Wasserdampf, Kohlenstoff- und Siliziumverbindungen, die Sonne zu bilden.  In den weiter außen liegenden Bereichen der Urwolke bilden sich durch kondensierendes Gas und verklumpende Staubteilchen allmählich erste Planetenbausteine, die Planetesimale. Aus ihnen bilden sich durch weitere Akkretion nach und nach Protoplaneten – die Vorläufer der heutigen Planeten in unserem Sonnensystem. Astronomen vermuten zudem, dass Turbulenzen im Gas den Planeten Jupiter aus seiner ursprünglichen Bahn drängten und ihn nach innen wandern ließen – auf seine heutige Position. Diese Wanderung könnte auch die junge Erde und ihre Nachbarplaneten entscheidend in ihrer Entwicklung beeinflusst haben. Irgendwann danach begann die magnetisierte und aus ionisierten Gasen bestehende Urwolke zu verfliegen. Wann das jedoch der Fall war und damit diese entscheidende Phase in der Entwicklung unseres Sonnensystems endete, war bisher unklar. „Astronomische Beobachtungen von jungen sonnenähnlichen Sternen zeigen, dass die Hälfte der protoplanetaren Scheiben sich irgendwann zwischen zwei und sechs Millionen Jahren nach Entstehung auflöst“, berichten Huapei Wang vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und seine Kollegen. „Doch wann in dieser Spanne dies bei unserem Sonnensystem der Fall war, blieb unbekannt.“

Vier Meteoriten als Zeitzeugen

Jetzt jedoch haben die Forscher wertvolle Zeugen aus der frühesten Ära des Sonnensystems aufgespürt und untersucht. Es handelt sich um vier Meteoriten, die alle zu den sogenannten Angriten gehören. Diese zählen zu den ältesten bekannten Gesteinen des Sonnensystems. Sie bildeten sich aus glühender Schmelze auf der Oberfläche von Planetesimalen, die einst im inneren Sonnensystem kreisten, wie die Wissenschaftler berichten. Die vier Meteoriten wurden in Argentinien, Brasilien, der Antarktis und der Sahara gefunden. Wang und seine Kollegen haben nun Proben dieser urzeitlichen „Himmelsboten“ datiert und analysiert. Die Altersbestimmung mittels Uran-Blei-Datierung ergab, dass drei der Proben 4,563 Milliarden Jahre alt sind. Sie stammen damit aus einer Zeit nur 3,8 Millionen Jahre nach Entstehung des Sonnensystems, wie die Forscher berichten. Der vierte Meteorit ist mit 4,556 Milliarden Jahren nur wenig jünger. Das aber bedeutet: Die drei älteren Angrite erstarrten genau zu der Zeit, von der wir nicht wissen, ob es da eine Urwolke gab oder nicht.

Wie aber können drei kleine Gesteinsbröckchen verraten, ob sie aus der Ära der Urwolke stammen? Den entscheidenden Hinweis dazu liefert die Magnetisierung der Angrite: Im schmelzflüssigen Zustand richteten sich ihre Atome und Elektronen nach dem Magnetfeld ihrer Umgebung aus. Als sie dann schnell abkühlten und erstarrten, blieben Stärke und Richtung der Magnetisierung im Gestein konversiert. Als Wang und seine Kollegen im Labor diese Magnetisierung maßen, registrierten sie extrem geringe Werte: weniger als 0,6 Mikrotesla. „Das bedeutet, dass es bei der Erstarrung dieser Gesteine so gut wie kein messbares Magnetfeld gab“, erklären die Forscher. Das jedoch erlaubt entscheidende Rückschlüsse auf den Zustand der Urwolke zu dieser Zeit: Gängiger Theorie nach bleibt in protoplanetaren Systemen ein stärkeres Magnetfeld nur solange bestehen, wie auch die ionisierte Gaswolke vorhanden ist. Löst sie sich auf, vergeht auch das Magnetfeld. „Der Magnetismus der Angrite markiert damit auch die Lebenszeit unserer eigenen Urwolke!“, sagt Wang.

Die Ergebnisse legen nahe, dass es zur Entstehungszeit der Angrite vor rund 4,563 Milliarden Jahren schon kein Magnetfeld mehr gab – und damit möglicherweise auch keine Urwolke mehr. Der protoplanetare Nebel unseres Sonnensystems bestand demnach nur knapp vier Millionen Jahre, bevor er sich auflöste. „Selbst wenn der Gasnebel damals noch nicht völlig verschwunden war, war er definitiv auf dem Weg dahin“, sagt Koautor Benjamin Weiss vom MIT. Für Planetenforscher sei dies eine enorm wichtige Information. Zum einen bedeutet dies, dass der Gasriese Jupiter noch vor dieser Zeit an seine endgültige Position im Sonnensystem gewandert sein muss – denn danach war nicht mehr genügend Gas da, um ihn mittels Turbulenzen abzulenken. Zum anderen hat das Timing der Urwolken-Auflösung auch große Bedeutung für die Bildung der großen Gasplaneten. Denn wenn das Gas erst nach knapp vier Millionen Jahren verflog, könnten die Gasriesen genügend Zeit gehabt haben, um durch allmähliche Akkretion von Gas zu entstehen. Wäre die Zeit kürzer gewesen, hätten sie nur durch plötzlichen Kollaps dichter Gasbereiche in der Urwolke entstanden sein können. „Unsere Ergebnisse für die Auflösung der Urwolke passen damit nicht nur gut zu theoretischen Vorhersagen, sie liefern uns auch eine Zeitskala für viele entscheidende Aspekte in der Bildung und Entwicklung unseres Sonnensystems“, konstatieren die Wissenschaftler.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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