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Stopp fürs Licht

Astronomie|Physik

Stopp fürs Licht
Die Speicherkapazität von Festplatten ist enorm gewachsen, aber die Rechenleistung stagniert. Der Ausweg sind raffinierte Quantencomputer – und Speicher mit Licht.

Die Zukunft der Datenverarbeitung liegt im Licht. „Statt mit elektronischen Mitteln müssen wir mit Optik arbeiten“, ist Thomas Halfmann, Physiker an der Technischen Universität Darmstadt, überzeugt. Worauf er anspielt, ist der Quantencomputer. Statt Elektronen übertragen dort Photonen die Informationen, denn sie bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit. Doch wichtig ist, dass man die optischen Informationen zwischenspeichern kann. Und sie müssen sich zu einem beliebigen Zeitpunkt weiterschicken lassen. Das heißt: Man muss das Licht stoppen und weiterleiten können.

Was lange als unmöglich galt, ist Halfmann und seinem Forscherteam gelungen: Eine ganze Minute lang schafften sie es, das Bild dreier leuchtender Streifen in einem Kristall zu speichern. Bei früheren Versuchen betrug die Speicherdauer maximal 16 Sekunden. Diese enorme Steigerung der Speicherzeit erreichten die Wissenschaftler mit verschiedenen Tricks, die sie geschickt kombinierten.

Der Kristall, der in Halfmanns Experiment die Informationen speichert, ist ein drei Millimeter großer Würfel aus Silikat, der mit Praseodym-Atomen dotiert ist, ein Element der Seltenen Erden. Trifft der Lichtstrahl auf den Kristall, verlangsamt sich das Licht. Und je höher der sogenannte Brechungsindex des Materials ist, um so langsamer wird es. Diesen Brechungsindex wollte Halfmann im Kristall besonders groß werden lassen. Dazu schickte er dem Lichtstrahl einen anderen Lichtstrahl voraus, der als sogenannter Kontroll-Laserstrahl diente. Er veränderte die Kristallstruktur und vergrößerte den Brechungsindex.

Für den untersuchten Lichtstrahl war es, als würde er auf ein ganz anderes Material treffen – mit Eigenschaften, die in der Natur eigentlich nicht vorkommen. Er wurde langsamer und langsamer und kam schließlich zum Stillstand. Seine Informationen verschwanden dabei jedoch nicht, sondern wurden auf die Atome im Kristall übertragen. „Hier wird es kompliziert“, warnt Halfmann. „ Ein Atom kann verschiedene Zustände haben. In diesem Fall überlagern sie sich, und das Atom nimmt mehrere Zustände gleichzeitig an.“ Das kann man sich schwer vorstellen, denn so etwas ist nur in der Quantenwelt möglich. Was da passiert, erinnert ein wenig an Schrödingers berühmte Katze, die in ihrer Kiste gleichzeitig tot und lebendig ist.

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Solange das Kristallatom seinen angeregten Zustand behält, bleibt die Information gespeichert. Das Streifenbild vom Anfang existiert eine Minute lang als schwingender atomarer Zustand. Verlässt das Atom den angeregten Zustand wieder, gibt es die Information ab – sie läuft als Lichtstrahl weiter. Das Bild der drei leuchtenden Streifen wird am Ende per Kamera aufgenommen. Dass es zwischendurch aufgehalten wurde, sieht man ihm nicht an.

„Das angeregte Atom ist dabei extrem fragil“, erklärt Halfmann. „Es gibt alle möglichen Störfaktoren.“ Er vergleicht es mit einem Mann, der mit einem Aktenkoffer in der Hand durch eine volle Messehalle eilt. Er wird von allen Seiten angerempelt, bis er schließlich den Koffer fallen lässt. Ähnlich ergeht es dem atomaren Zustand mit seinen Informationen.

Anders wäre es, wenn der Mann auf der Messe ein zwei Meter großer, muskelbepackter Footballspieler wäre, den so schnell keiner aus dem Gleichgewicht bringen kann. Das haben Halfmann und seine Kollegen mit dem atomaren Zustand probiert. Damit er stabil bleibt, wird der Kristall auf minus 269 Grad Celsius heruntergekühlt. Jede störende Schwingung der Kristallstruktur wird dadurch unterbunden. Außerdem haben die Wissenschaftler Magnetfelder und Radiofrequenzen hinzugeschaltet, die den atomaren Zustand gewissermaßen abschirmen.

Aus der Trickkiste der Evolution

Um diese Hilfsmittel optimal aufeinander abzustimmen, hätten Halfmann und viele andere kluge Köpfe lange rechnen müssen. Doch stattdessen haben sie selbstlernende Algorithmen für sich eingespannt. Solche Algorithmen probieren verschiedene Einstellungen der Faktoren aus und lassen stets nur die besten für weitere Kombinationen durch. „Das funktioniert im Prinzip wie die Evolution“, sagt Halfmann. Er und sein Team haben diese Methode aus der Informatik erstmals bei Versuchen zur Lichtspeicherung eingesetzt – ein entscheidender Kniff für den Erfolg der Forscher.

Ein Quantencomputer braucht allerdings eine längere Speicherzeit als eine Minute. Die Wissenschaftler machen inzwischen Versuche, in denen statt Praseodym-Atomen Europium-Atome verwendet werden. Europium ist ebenfalls ein Element der Seltenen Erden, allerdings mit einer theoretisch möglichen Speicherzeit von einer Woche. Ein weiteres Ziel ist es, nicht ganze Bilder, sondern einzelne Photonen zu speichern. Statt elektronischer Bits würden dann Quantenbits verarbeitet – bei optischen Informationen wären das einzelne Photonen.

Aber ein Computer, den man auf vier Grad Kelvin herunterkühlen muss – ist das realisierbar? „Im Prinzip können Sie eine Thermoskanne nehmen und flüssiges Helium reinschütten“, sagt Halfmann. „Das wird im Labor so gemacht und ist auch für zu Hause denkbar. Aber Raumtemperatur wäre natürlich praktischer.“ Die Wissenschaftler arbeiten daran, die Prozesse auch bei Zimmertemperatur zu verwirklichen – gemeinsam mit rund 1000 Forschergruppen, die sich auf der ganzen Welt mit der Entwicklung von Quantencomputern beschäftigen. •

von Henrike Wiemker

Rote Ampel aus gespicktem Kristall

Um einen Lichtstrahl zu stoppen, nutzten die Forscher einen glasartigen Kristall, der mit Praseodym-Ionen gespickt („dotiert“ ) war. Diesen Kristall beleuchteten sie zunächst mit einem Kontrollstrahl. Er regte die Ionen an und veränderte ihre Eigenschaften und die des Kristalls so, dass sie einen zweiten Laserstrahl stark bremsten. Als die Physiker den Kontrollstrahl abschalteten, brachte das den anderen Strahl zum Stillstand. Sein Licht wurde in einer Art magnetischer Welle im Kristall gefangen.

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