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Überraschender Quanteneffekt

Astronomie|Physik

Überraschender Quanteneffekt
Quanteneffekt
Linien-Anordnung der Elektronen auf der Kristalloberfläche und ihre Rotation je nach Magnetfeld (Grafik: M. Z. Hasan, Jia-Xin Yin, Songtian Sonia Zhang/ Princeton University)

Die Quantenwelt sorgt wieder einmal für Überraschungen: Bei Experimenten mit einer Legierung aus Eisen und Zinn haben Forscher möglicherweise einen ganz neuen Quantenzustand der Materie entdeckt. Er sorgt dafür, dass Elektronen auf der Kristalloberfläche nicht der Gitterstruktur folgen, sondern von ihr entkoppelt sind und eine Linie bilden. Zudem lässt sich diese Elektronenlinie unerwartet gut durch Veränderung eines angelegten Magnetfelds drehen – wie eine Kompassnadel. Sollte sich dieser Effekt bestätigen, könnte er neue Anwendungen in Nanotechnologie und Quantenforschung ermöglichen.

Ob Quantenoptik, Computer auf Basis von Spins und Atomen oder die Konstrukte der Nanotechnologie: Das Reich der kleinsten Teilchen gilt als Basis für viele Technologien der Zukunft, weil in ihm Interaktionen möglich sind, die es in der klassischen, makroskopischen Physik nicht gibt. Um jedoch Anwendungen der Quantenphysik entwickeln zu können, müssen erst die komplexen Prozesse verstanden sein, die in Quantenmaterialien ablaufen. Dazu gehören unter anderem die Wechselwirkungen und Strukturen, die bei Elektronen auf Kristalloberflächen auftreten. Effekte wie die Verschränkung führen dazu, dass sich die Elektronen dabei auf spezielle Weise zu sogenannten topologisch geordneten Systemen anordnen.

Linie statt Waben

Doch nun haben Jia-Xin Yin von der Princeton University und seine Kollegen einen ganz neuen Typ solcher Quantensysteme entdeckt. Für ihre Studie hatten sie das Verhalten von Elektronen auf der Oberfläche der ferromagnetischen Verbindung Fe3Sn2 untersucht – einem Kristallgitter aus Eisen- und Zinnatomen. Dieses besitzt eine sechseckige, wabenähnliche Grundstruktur, die nach ihrer Ähnlichkeit zu einem japanischen Korbflechtmuster auch als Kagom bezeichnet wird. Der gängigen Theorie nach sollten Elektronen auf einer solchen Kristalloberfläche dem Muster folgen und ebenfalls eine sechseckige Anordnung einnehmen. Im Experiment kühlten die Forscher ihren Kristall auf rund vier Kelvin ab und legten ein externes Magnetfeld an.

Als die Physiker nun mittels Rastertunnelmikroskop und Spezialspektroskop die Elektronenanordnung analysierten, entdeckten sie Überraschendes: „Wir hatten erwartet, etwas Sechseckiges zu sehen, wie in anderen topologischen Materialien, aber stattdessen fanden wir etwas vollkommen Unerwartetes“, sagt Yins Kollege Songtian Zhang. Statt Waben zu bilden, ordneten sich die Elektronen zu einer einzigen geraden Linie an. „Die Elektronen reorientierten sich und ignorierten die Gittersymmetrie“, ergänzt Seniorautor Zahid Hassan. „Damit stoßen wir in einen ganz neuen Bereich vor.“ Wie die Forscher erklären, könnte es sich bei ihrer Entdeckung um einen ganz neuen Quantenzustand der Materie handeln, den die existierenden Theorien nicht erfassen.

Kompassnadel aus Elektronen

Das aber war noch nicht alles: Als die Wissenschaftler das externe Magnetfeld veränderten, hatte dies einen unerwartet starken Effekt auf die Elektronenlinie auf dem Kristallgitter. Die gesamte Linie ließ sich durch den Magneteinfluss drehen. Die Rotation der Magnetfeldrichtung erzeugte eine erstaunlich starke Energieverschiebung dieses Systems. Wie eine Kompassnadel drehten sich die aufgereihten Elektronen mit – und dies zehnmal stärker und deutlicher als nach gängiger Theorie zu erwarten. „Es ist extrem selten, dass ein Magnetfeld einen so dramatischen Effekt auf die elektronischen Eigenschaften eines Materials hat“, kommentiert der nicht an der Studie beteiligte Physiker Subir Sachdev von der Harvard University. Yi und seine Kollegen ergänzen: „Diese Kontrollierbarkeit der Spinorbits und die enorm starke Reaktion des Kagom-Materials ist völlig neu und lässt sich durch bekannte Transport- oder Photoemissionseffekte nicht erklären.“

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Noch muss der mögliche neue Quantenzustand durch weitere Tests bestätigt und der physikalische Hintergrund erforscht werden. Doch nach Ansicht von David Hsieh vom California Institute of Technology (Caltech) könnten Hasan und sein Team hier tatsächlich auf etwas Neues gestoßen sein. „Dies könnte in der Tat ein Beleg für eine neue Quantenphase der Materie sein“, kommentiert Hsieh. Sollte sich dies bestätigen, könnten sich interessante Anwendungen daraus ergeben. Denn bisher wurden Versuche, Topologie, Magnetismus und beispielsweise Supraleitung zu verbinden, oft durch zu geringe Reaktionsraten der Systeme vereitelt. Der nun entdeckte Effekt könnte dies ändern. „Wir haben einen neuen Kontrollknopf für die topologische Quantenwelt entdeckt“, sagt Seniorautor Zahid Hassan von der Princeton University. „Und dies ist wahrscheinlich nur die Spitze eines Eisbergs – ein ganzes Feld von physikalisch interessanten Materialien könnte sich hieraus entwickeln.“

Quelle: Jia-Xin Yin (Princeton University, USA) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-018-0502-7

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