Messel ist eine Goldgrube der Paläontologie: Wegen der hervorragenden Qualität der dort geborgenen Fossilien wurde sie zum UNESCO-Weltnaturerbe ernannt. Berühmt ist der Ort westlich von Darmstadt vor allem für die Funde von frühen Vertretern aus dem Stammbaum der Pferdeartigen. Doch auch die Überreste vieler weiterer Tiere wurden in dem Ölschiefer konserviert. Die Fossilien bildeten sich am Grund eines Kratersees, der sich im Eozän hier befand. Das Gebiet lag damals weiter im Süden und besaß dementsprechend höhrere Temperaturen als heute.
Unter den Funden aus der Grube Messel befinden sich auch zahlreiche Überreste von Vögeln. Beispielsweise das vollständig erhaltene Skelett der sogenannten „Messel-Ralle“, versteinerte Mageninhalte und fossilisierte Federn. Über 1000 solcher und anderer Vogel-Fossilien liegen in der Sammmlung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. „60 Vogelarten sind uns bisher aus Messel bekannt“, sagt Mayr. „Nicht alle dieser fossilen Überreste sind aber so vollständig, wie wir es von der exzellenten Erhaltung Messels gewohnt sind. Besonders von größeren Vögeln haben wir sehr wenige Belege“, so der Wissenschaftler. In den letzten Jahren wurden allerdings einige Fossilien von Vogelfüßen entdeckt, die bislang weitgehend unbeachtet geblieben sind. Acht von ihnen hat sich Mayr nun detailliert gewidmet.
Krokodil-Mäulern zu verdanken
Er kommt zu dem Schluss, dass es sich bei den isolierten Vogelfüßen um Beutereste handelt. „Die gebrochenen Knochen und die fehlenden Enden der Vogelbeine an sieben der untersuchten Knochen sprechen dafür, dass die Vögel von einem Räuber angegriffen und gefressen wurden“, erklärt Mayr. Wer die rabiaten „Täter“ waren, scheint sich auch abzuzeichnen: Um die relativ großen Vögel fangen zu können, kann der Räuber nicht klein gewesen sein. Große Raubsäugetiere oder -fische sind aus Messel allerdings nicht bekannt – es gab aber Krokodile. „Es gibt sieben beschriebene Krokodilarten, die im Messel-See lebten“, sagt Mayr. Da es sich bei den fossilen Vögeln nicht um Wasservögel handelte, fingen die Reptilien ihre Beute vermutlich in Ufernähe oder wenn diese tief über der Wasseroberfläche flogen. Mayr vermutet, dass die Reptilien die Vögel dabei an einem Bein beziehungsweise Fuß packten. Als die Opfer dann versuchten, zu entkommen, könnten die Gliedmaßen abgerissen worden sein.
Diese Teile landeten dann offenbar nicht im Magen der Räuber und avancierten dadurch zu einem Glücksfall für die Messelforscher. Denn die Analysen von Mayr ergaben außerdem: Obwohl eine Bestimmung auf Artebene nicht möglich war, ließ sich ableiten, dass diese Funde für Messel neu sind – die Knochen gehören beinahe alle zu bisher aus Messel unbekannten Arten. Damit belegen die Funde, dass die Vielfalt der dortigen Vogelwelt noch größer war, als bisher vermutet. Die Knochen gehören dabei außerdem zu relativ großen Vögeln. Bislang konnten in der hessischen Fossilienfundstelle hingegen eher kleine Vögel identifiziert werden.