Die neuen Beobachtungen gelangen den Astronomen mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile. Die Aufnahmen zeigen, dass die Wolke mittlerweile so stark auseinandergezogen wurde, dass ihr vorderer Teil den Punkt der größten Annäherung an das Schwarze Loch passiert hat und sich bereits wieder mit mehr als 10 Millionen Kilometern pro Stunde davon entfernt. Der hintere Teil der Wolke stürzt dagegen weiterhin auf das Schwarze Loch zu.
„ Der minimale Abstand beträgt nur 25 Milliarden Kilometer – die Wolke schafft es damit gerade eben noch so, nicht direkt in das Schwarze Loch hineinzufallen“, erläutert Gillessen. „Man kann genau sehen, wie die Wolke regelrecht zu Spaghetti wird“, ergänzt er. Die Wolke werde so langgestreckt, dass ihre Begegnung mit dem Schwarzen Loch nicht einfach nur ein kurzes Ereignis ist, sondern ein langwieriger Prozess, der mindestens ein Jahr lang andauern werde.
Der vordere Teil der Wolke kommt wieder auf uns zu
Dass der vordere Teil der Wolke den Punkt der größten Annäherung an das Schwarze Loch bereits passiert hat, wird aus einer Beobachtung eindeutig klar: „Wir sehen derzeit den vorderen Teil der Wolke schon wieder auf uns zukommen – und das mit einer Bahngeschwindigkeit von mehr als 10 Millionen Kilometern pro Stunde, also etwa einem Prozent der Lichtgeschwindigkeit“, sagt Reinhard Genzel, der die Arbeitsgruppe leitet, die nun seit mittlerweile 20 Jahren die Umgebung des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße untersucht.
Das Gravitationsmonster hat den bisherigen Untersuchungen zufolge eine Masse von etwa vier Millionen Sonnenmassen und trägt die offizielle Bezeichnung Sagittarius-A*. Es ist das bei weitem nächstgelegene supermassereiche Schwarze Loch und bietet daher die Gelegenheit, solche Objekte detailliert zu untersuchen. Der Ursprung der Gaswolke ist nach wie vor ungeklärt. Es könnte sein, dass sie aus stellaren Winden der Sterne entstanden ist, die das Schwarze Loch umkreisen. Eine weitere mögliche Quelle wäre ein Jet aus dem galaktischen Zentrum oder ein Stern im Zentrum der Wolke selber. In diesem Fall würde das Gas entweder aus dem Wind des Sterns oder aus einer planetenbildenden Gas- und Staubscheibe um den Stern stammen. Die neuen Beobachtungen sollen nun auch dazu beitragen, diese Möglichkeiten einzugrenzen.
Die gerade stattfindende Hochphase der einzigartigen kosmischen Begegnung im Zentrum unserer Milchstraße wird von Astronomen weltweit mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Dies wird Daten liefern, die nicht nur weitere Details über die Gaswolke selber aufdecken, hoffen die Astronomen: Die Beobachtungen sollen auch die unmittelbare Umgebung des schwarzen Lochs näher beleuchten und die Auswirkungen extrem starker Gravitationsfelder.