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Wird der Klimawandel noch unterschätzt?

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Wird der Klimawandel noch unterschätzt?
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Credit: Thinkstock
Erneut ist in Warschau ein Klimagipfel zu Ende gegangen, der durch Zögern, Zaudern und Uneinigkeit gekennzeichnet war und zu keinen klaren Entscheidungen geführt hat. Finanzielle Interessen scheinen weiterhin gewichtiger zu sein als die Sorge um die Folgen der Klimaerwärmung. An warnenden Stimmen aus der Wissenschaft fehlt es indes nicht – nun malen Klimaforscher erneut ein bedrohliches Szenario an die Wand: Ihren Modellrechnungen zufolge wird das Ausmaß des Klimawandels möglicherweise noch deutlich unterschätzt.

 

Bisher lautet die Hoffnung: Schafft es die Menschheit endlich, den Ausstoß von Treibhausgasen in die Atmosphäre zu stoppen, wird die Klimaerwärmung zu einem Ende kommen. Doch die Forscher um Thomas Frölicher von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) trüben dieses Szenario nun deutlich: Laut ihren Modellrechnungen ist es möglich, dass die Erwärmung auch nach einem kompletten CO2-Emissionsstopp noch über Jahrhunderte weitergeht und sich die Temperatur erst später auf einem noch höheren Niveau einpendelt. Die Forscher erklären ihr Ergebnis damit, dass die Kapazität der Wärmeaufnahme der Ozeane an ihre Grenzen stößt. „Die Temperaturerhöhung könnte langfristig um ein Viertel stärker ausfallen als bisher angenommen“, so Frölicher.

Die Forscher benutzten für ihre Berechnungen eines der international führenden Klimamodelle, das Modell ESM2M, das am Geophysical Fluid Dynamics Laboratory in Princeton entwickelt wurde. Es berücksichtigt physikalische und biogeochemische Prozesse – etwa den Austausch von Klimagasen und von Wärme mit den Ozeanen – auf einer detaillierteren Ebene als viele frühere Klimamodelle. „Das Modell ist näher an der Realität“, resümiert Frölicher.

Regionale Wärmeaufnahme in den Ozeanen entscheidend

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Bisher habe man der regionalen Wärmeaufnahme der Weltmeere in der Klimaforschung nicht genügend Beachtung geschenkt, sagen die Forscher. „Ein Großteil von dem in die Atmosphäre ausgestoßenen CO2 und der über den Treibhauseffekt entstandenen Wärme geht über kurz oder lang in die Ozeane – von der Wärme waren es in den letzten 40 Jahren neun Zehntel“, erklärt Frölicher. Es sei jedoch entscheidend, wo die Wärme vom Ozean aufgenommen werde. Mithilfe des hochauflösenden Klimamodells ESM2M zeigen die Wissenschaftler nun: Eine Änderung der Wärmeaufnahme in den Polarregionen hat einen größeren Effekt auf die globale Atmosphärentemperatur als eine Änderung in Äquatornähe. Die Berücksichtigung dieses Faktors habe dazu geführt, dass ihre Berechnungen zu anderen Resultaten geführt haben als bisherige Studien.

 

Die Berechnungen basieren nur auf der Verwendung eines einzigen Klimamodells, räumt Frölicher ein: Es sei nicht ausgeschlossen, dass man mit anderen Klimamodellen zu anderen Ergebnissen kommen würde. Dennoch laute die Botschaft: Wie sich das Klima in den nächsten Jahrhunderten entwickelt, ist immer noch mit vielen Fragezeichen versehen. Man müsse also auch in Betracht ziehen, dass der Klimawandel stärker ausfallen könnte als bisher angenommen: „Halten unsere Ergebnisse einer Wiederholung mit weiteren modernen und detaillierten Modellen stand, würde das bedeuten, dass die Klimaerwärmung über das Ende dieses Jahrhunderts hinaus betrachtet bisher deutlich unterschätzt wurde.“

Konkret würde eine um ein Viertel stärkere Klimaerwärmung bedeuten, dass die Menschheit auch ein Viertel weniger Treibhausgase ausstoßen dürfte, um Klimaziele wie das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Der Weltklimarat IPCC geht momentan davon aus, dass die freigesetzte Menge CO2 für das Zwei-Grad-Ziel 1.000 Gigatonnen nicht übersteigen darf, um die Erderwärmung um zwei Grad zu begrenzen. Seit Beginn der industriellen Revolution hat die Menschheit bereits rund die Hälfte dieses Budgets, also 500 Gigatonnen, verbraucht. Stimmen Frölichers Resultate, wäre der Emissionskuchen um ein Viertel kleiner, statt 1.000 also nur 750 Gigatonnen CO2. Folglich dürfte die Menschheit für das Zwei-Grad-Ziel statt zusätzlichen 500 nur noch zusätzlich rund 250 Gigatonnen CO2 freisetzen, um im Rahmen des Zwei-Grad-Ziels zu bleiben.

 

Quelle:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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