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Zielscheibe Jupiter

Astronomie|Physik

Zielscheibe Jupiter
Hobby-Sternforscher, die Blitze und dunkle Flecken auf dem Gasplaneten entdeckten, riefen weltweit Astronomen auf den Plan. Offenbar ist der Planetenriese immer wieder Zielscheibe für kosmische Projektile.

Anthony WesleY Traute seinen Augen kaum, als er sein Fernrohr auf den Jupiter richtete: In der Südpolregion sah er einen dunklen Fleck. Anfangs hielt der AmateurAstronom die Stelle für ein Wetterphänomen. Denn solche Stürme toben häufig auf dem Gasplaneten und sind ein paar Wochen später wieder verschwunden. Anders beim neuen Fleck: „Er zeigte sich in allen Farbfiltern dunkel, war also wirklich schwarz.“ Auch der Schatten eines Jupitermondes schied als Erklärung aus, denn der mysteriöse Fleck befand sich dafür an der falschen Stelle. „Ich wurde ziemlich aufgeregt“, erinnert sich der australische Sterngucker. Rasch machte die Beobachtung im Internet die Runde, und bald bestätigten weitere Amateure den Fund. Ein Einschlag auf Jupiter? Wenig später gaben auch Profi-Astronomen Alarm und richteten ihre Instrumente auf den Riesenplaneten.

Wesleys Aufregung ist inzwischen verflogen. Seine bemerkenswerte Sichtung geschah bereits im Juli 2009. Heute sind alle astronomischen Beobachtungen ausgewertet, und Wesleys Verdacht hat sich bestätigt. Kaum ein Experte zweifelt mehr an dem Einschlagszenario. Doch jetzt stellt sich eine neue Frage: War es ein Komet oder ein Planetoid, der vor zwei Jahren in das stürmische Wolkenmeer des größten Planeten im Sonnensystem gerast ist?

Kometentrümmer unter Verdacht

Die ersten Analysen hatten für den Impakt eines Kometen gesprochen. Vielen Forschern standen die Ereignisse aus dem Sommer 1994 noch drastisch vor Augen. Zuvor, am 24. März 1993, hatten Carolyn und Eugene Shoemaker zusammen mit David H. Levy etliche schweiftragende Himmelskörper fotografiert, die den Jupiter auf einer elliptischen Bahn umrundeten. Offenbar hatten dessen Gezeitenkräfte einen Kometen bei einem sehr engen Vorbeiflug zerrissen. Nach seinen Entdeckern wurde das Objekt „ Shoemaker-Levy 9″ genannt.

16 Monate lang wurden die Kometentrümmer beobachtet, bis sie, wie vorausberechnet, innerhalb weniger Tage mit Jupiter kollidierten. Das Bombardement war Hunderte Mal stärker als eine Explosion des gesamten irdischen Kernwaffenarsenals. Wie Narben zeichneten dunkle Flecken wochenlang das Antlitz des Planeten. Vermutlich hatte es sogar Jupiters Staubringe erwischt, denn noch zwei Jahre später wies die Kamera der NASA-Sonde Galileo darin wellenartige Störungen nach, deren Beginn US-Forscher auf den Zeitpunkt des Impakts datierten. 1994 war ein Meilenstein der Impakt-Forschung: Erstmals waren die Astronomen bei einem Einschlag live dabei.

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Durch Wesleys Wachsamkeit ausgelöst, startete im Sommer 2009 die zweite Kampagne. Beteiligt waren Observatorien quer über den Globus. So versuchten Wissenschaftler 5100 Meter hoch in der chilenischen Atacama-Wüste, mit einem Radioteleskop die chemischen Spuren eines zerschellten Kometen in der Gashülle aufzuspüren. „Wir hatten erwartet, zumindest Kohlenmonoxid und Kohlenstoffsul-fid zu finden. Denn beide Moleküle sind typisch für einen Kometen“, erklärt Paul Hartogh vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, der an den Beobachtungen beteiligt war. Die Wissenschaftler wiesen jedoch nichts dergleichen nach. Auch Kollegen, die von anderen Standorten Jupiter-Spektren gemessen hatten, gingen leer aus.

Die besten Riesenfernrohre kamen zum Einsatz: Auf Hawaii wurde Beobachtungszeit am 10-Meter-Spiegel des Keck-Teleskops und an der 8-Meter-Optik des Gemini-Observatoriums reserviert. Das europäische Very Large Telescope in Chile schloss sich an, sogar das Hubble-Weltraumteleskop im Erdorbit war mit von der Partie. Der Adlerblick der Luxus-Instrumente zeigte die langgestreckte Form des dunklen Flecks an der Einschlagstelle. Vom Infraroten bis zum UV-Licht erschien er relativ gleichförmig. Weitere Resultate wurden vor Kurzem in mehreren Fachartikeln publiziert. Alle weisen in die gleiche Richtung: Höchstwahrscheinlich war es kein Komet, sondern ein Planetoid, der im Sommer 2009 beim feurigen Sturz in den Jupiter explodierte.

Zwar hatten weder Amateure noch Profis den 2009er-Einschlag direkt verfolgt. Trotzdem sind nun einige Kenndaten rekonstruierbar: Der Impakt ereignete sich am 19. Juli zwischen 9:40 und 16:02 Uhr MESZ. Der Durchmesser des Kleinplaneten dürfte zwischen 500 Meter und einem Kilometer betragen haben. Der Planetoid fiel nicht senkrecht vom Himmel, sondern näherte sich in einem sehr flachen Winkel – nur 20 Grad über dem Horizont. Obwohl anscheinend ein ganz anderer Typ von Himmelskörper als Shoemaker-Levy 9 in Jupiter gerast war, sind die Ähnlichkeiten zum Impakt 1994 verblüffend: „So wurde an der Einschlagstelle wieder tagelang die Gashülle aufgeheizt, und große Mengen Ammoniak quollen aus der Tiefe in die höhere Atmosphäre“, fasst Leigh Fletcher von der University of Oxford die Ergebnisse vieler Beobachtungen zusammen.

Da Jupiter rund 70 Prozent der Gesamtmasse aller Planeten in sich vereint, zieht seine Schwerkraft kleine Körper stark an. Und er hat eine große Nähe zum Planetoidengürtel, in dem Hunderttausende Brocken kreisen. Astronomen betrachten die Jupiter-Atmosphäre deshalb als eine Art natürliches Labor, um Einschlagphänomene zu studieren.

ZWEI LICHTBLITZE IN DER ATMOSPHÄRE

Trotzdem überrascht die Häufung der Sichtungen: Im Sommer 2010 meldeten Wesley und weitere Amateur-Kollegen erneut zwei auffällige Erscheinungen. Diesmal waren es zwei Lichtblitze, aufgezeichnet mit Videokameras an den Amateur-Fernrohren. Beide Blitze leuchteten kaum zwei Sekunden lang auf. Die kurze Zeitdauer entspricht grellen Feuerkugeln, wie man sie von der Erde kennt, wenn große Meteoriten in die Atmosphäre eindringen. „ Die Objekte hatten etwa zehn Meter Durchmesser“, schätzt Imke de Pater, Astronomin an der University of California in Berkeley.

Die folgenden Beobachtungen zeigten keine sichtbaren Störungen in Jupiters Gashülle – dafür waren die Körper wohl zu klein. Trotzdem dürften die beiden Weltall-Bomben eine beträchtliche Energie freigesetzt haben: schätzungsweise 250 bis 1000 Kilotonnen TNT-Äquivalent (die Hiroshima-Bombe entsprach 13 Kilotonnen). Trotzdem waren sie um den Faktor 5 bis 50 schwächer als das Tunguska-Ereignis, bei dem 1908 mehr als 2000 Quadratkilometer Wald in Sibirien vernichtet wurde – wahrscheinlich ebenfalls durch einen Einschlag (bild der wissenschaft 6/2008, „Kosmische Bombe auf Sibirien“). Imke de Pater hofft, durch den Vergleich mit Jupiter auch die irdischen Impakte besser verstehen zu können. Das Engagement von Hobby-Astronomen rund um den Globus wird ihr dabei helfen. ■

von Thorsten Dambeck

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