Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Ein moderner Vogel aus der Zeit der Dinosaurier

Erde|Umwelt

Ein moderner Vogel aus der Zeit der Dinosaurier
Asteriornis maastrichtensis
Schädel des fossilen Vogels Asteriornis maastrichtensis (Bild: Daniel J. Field/ University of Cambridge)

Wann entstanden die ersten Vertreter der modernen Vögel? Bisher gibt es auf diese Frage keine klare Antwort. Doch nun haben Paläontologen in Belgien ein Fossil entdeckt, das mehr Klarheit bringen könnte. Es handelt sich um den Schädel und einige Knochen eines Vogels, der vor 66,7 Millionen Jahre lebte – kurz vor dem Ende der Kreidezeit. Seine Merkmale kennzeichnen den Asteriornis maastrichtensis getauften Vogel als engen Verwandten der Hühner- und Gänsevögel. Damit ist dies das älteste Fossil eines modernen Vogels, wie die Forscher berichten. Zudem ist er eines von nur wenigen Vogelfossilien, die in Europa gefunden wurden.

Die ersten vogelartigen Wesen entwickelten sich schon vor rund 150 Millionen Jahren im mittleren Jura, davon zeugt unter anderem der berühmte Archäopteryx. Diese Urvögel besaßen schon ein Federkleid, hatten zu Flügeln umgebildete Vorderbeine und konnten fliegen – wenn auch vermutlich noch nicht sehr elegant. Gleichzeitig jedoch besaßen sie noch einige Merkmale, die ihre Abstammung von zweibeinig laufenden Raubdinosauriern zeigten, darunter ihre zahnbewehrten Kiefer. Wann sich aus diesen Urvögeln die ersten Vertreter der modernen, echten Vögel entwickelten, ist allerdings unklar: „Die Wurzeln der modernen Vogelvielfalt sind rätselhaft – abgesehen von dem Wissen, dass die modernen Vögel irgendwann gegen Ende der Dinosaurier-Ära auftauchten, haben wir nur sehr wenige Fossilfunde von ihnen“, erklärt Co-Autor Albert Chen von der University of Cambridge. Die meisten dieser Fossilien stammen aus der Zeit direkt nach dem Ende der Kreidezeit vor rund 66 Millionen Jahren. Der einzige schon eindeutig moderne Vogel aus der Zeit vor dieser Zäsur war bisher Vegavis iaai, ein in der Antarktis entdeckter, rund 66,2 Millionen Jahre alter Vertreter der Gänseartigen.

Ein Schädel im Kalksteinblock

Doch nun haben Daniel Field von der University of Cambridge und seine Kollegen ein Vogelfossil gefunden, das noch älter ist als Vegavis – und trotzdem schon von einem modernen Vogel stammt. Entdeckt haben sie die Relikte in einem Kalksteinbruch in der Nähe der belgischen Stadt Lüttich. Zunächst ragten nur einige Teile eines kleinen Beinknochens aus einem rund 66,7 Millionen Jahre alten Gesteinsbrocken heraus. Um zu klären, was sich darin noch verbarg, brachten ihn die Forscher ins Labor und durchleuchteten ihn mithilfe hochauflösender Computertomographie. „Der Moment, in dem ich sah, was sich im Stein verbirgt, war der aufregendste Moment meiner gesamten wissenschaftlichen Karriere“, sagt Field. Denn in dem unscheinbaren Kalkbrocken war der fast vollständig erhaltene Schädel eines kleinen Vogels eingeschlossen, dazu einige Fragmente seines Skeletts.

„Dies ist einer der am besten erhaltenen fossilen Vogelschädel, der jemals irgendwo auf der Welt gefunden wurde“, sagt Field. Er liefere damit einzigartige Einblicke in die Entwicklung und Schädelevolution der frühen modernen Vögel. „Wir mussten uns fast kneifen, als wir ihn sahen, weil er noch dazu aus einer so wichtigen Zeit der Erdgeschichte stammt.“ Denn mit einem Alter von rund 66,7 Millionen Jahren lebte dieser Vogel in der Zeit unmittelbar bevor der ein Asteroideneinschlag das Kreidezeitalter und damit die Ära der Dinosaurier beendete. Er ist zudem noch einmal rund 500.000 Jahre älter als Vegavis iaai. Die Paläontologen haben ihren neuen Fund Asteriornis maastrichtensis getauft – nach der griechischen Titanin Asteria. „Wir fanden dies einen passenden Namen für eine Kreatur, die unmittelbar vor dem Asteroideneinschlag lebte“, sagt Co-Autor Daniel Ksepka vom Bruce Museum in Connecticut. „In der griechischen Mythologie verwandelt sich Asteria zudem in eine Wachtel.“

Vorfahre der Hühner und Gänse

Nähere Analysen des Schädels enthüllten, dass Asteriornis maastrichtensis in vielen Merkmalen den heutigen Hühnervögeln (Galliformes) und den Gänseartigen (Anseriformes) ähnelte. Die Paläontologen stufen diesen Vogel deshalb als einen der letzten gemeinsamen Vorfahren dieser Vogelgruppen ein. Damit hilft das Fossil dabei, die Entstehung der modernen Vögel zeitlich näher einzuordnen und auch die Aufzweigung der verschiedenen Gruppen der modernen Vögel. „Die phylogenetische Position von Asteriornis passt zu einer begrenzten Diversifizierung der modernen Vögel schon in der Kreidezeit und dem Überleben nur einiger dieser Gruppen über das Massenaussterben am Ende der Kreidezeit hinaus“, erklären Field und sein Team. „Dieses Fossil liefert uns den frühesten Einblick darin, wie die modernen Vögel in den Anfangsstadien ihrer evolutionären Geschichte aussahen.“

Anzeige

Aus den Maßen des Schädels und der Beinknochen geht hervor, dass Asteriornis in Bezug auf seine Größe und sein Gewicht zwischen dem modernen Säbelschnäbler und den Austernfischer lag – er wog knapp 400 Gramm. Wie diese Watvögel könnte auch er damals an der Küste oder dem Ufer von Gewässern nach Nahrung gesucht haben. „Dieses Fossil verrät uns, dass zumindest einige der frühen modernen Vogelvertreter eher kleine, in der Nähe der Küste bodenlebende Vögel waren“, sagt Field. Der Fund dieses Fossils eröffnet aber nicht nur ein Fenster in die Vergangenheit der Vögel – er belegt auch, dass die Gegend des heutigen Europa für ihre Entwicklung eine wichtige Rolle gespielt haben könnte. „Funde von Vogelfossilien aus der späten Kreidezeit sind in Europa extrem selten“, erklärt Co-Autor John Jagt vom Naturhistorischen Museum Maastricht. „Die Entdeckung von Asteriornis liefert uns nun einen der ersten Belege dafür, dass Europa eine Schlüsselregion für die frühe Evolution der modernen Vögel war.“

Quelle: Daniel Field (University of Cambridge, UK) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-020-2096-0

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Dossiers
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Atom|vo|lu|men  〈[–vo–] n. 14〉 der Raum, der von 1 Mol eines beliebigen Elements bei –273,16 °C eingenommen wird

Ra|di|kand  〈m. 16; Math.〉 Zahl, aus der die Wurzel gezogen werden soll [<spätlat. radicandus (numerus) … mehr

Blatt|schei|de  〈f. 19; Bot.〉 scheidenförmig um einen Stängel gelegtes Blatt (z. B. bei Gräsern)

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige