Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Erschütterte Hoffnung

Erde|Umwelt Technik|Digitales

Erschütterte Hoffnung
Strom aus Erdwärme galt lange als nicht versiegende und umweltfreundliche Energiequelle. Doch nachdem Testprojekte Erdbeben ausgelöst haben, kippt das Wohlwollen.

Der Schock sass tief. Ohne Vorwarnung bebte am 18. Oktober 1356 in Basel die Erde und zerstörte große Teile der Stadt. Die mittelalterliche Katastrophe – das stärkste bekannte Beben nördlich der Alpen – ist unvergessen. Als am 8. Dezember 2006 erneut Häuser schwankten, war die Angst wieder da. Obwohl die Erdstöße mit einer Magnitude von 3,4 relativ schwach waren, trauten die Menschen dem Boden unter ihren Füßen nicht mehr. Diesmal hatten sie einen Sündenbock, denn die Ursache für die Wackelei war bekannt: Ingenieure hatten 5 Kilometer unter der Oberfläche bis zu 3750 Liter Wasser pro Minute mit einem Druck von 296 Bar in das Gestein gepresst, um Risse zu erzeugen. Sie wollten im Untergrund eine Art Durchlauferhitzer aufbrechen, um die Wärme in der Tiefe anzuzapfen. Doch die Injektion setzte Spannungen in der Erdkruste frei.

Das Erdbeben hat die junge Technologie der „tiefen Geothermie“ zu einem schlechten Zeitpunkt erwischt. Schon 1970 waren Physiker des amerikanischen Los Alamos Scientific Laboratory auf die Idee gekommen, zwei Bohrlöcher in der Tiefe miteinander zu verbinden und Wasser hindurchzuleiten. Da die Temperatur im Durchschnitt alle 100 Meter um 3 Grad Celsius steigt, kann man in großer Tiefe theoretisch Energie im Überfluss abschöpfen – und das überall auf der Welt. Doch der Wärme-Bergbau erwies sich als schwieriger als angenommen und kam über einzelne Forschungsprojekte in den USA und Europa nicht hinaus. Erst die Subventio-nierung durch das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz sowie vergleichbare Gesetze im Ausland brachten die Wende. Kommerzielle Unternehmen witterten ein Geschäft und investierten in die tiefe Geothermie. Und dann kam Basel.

DER TODESSTOSS

Die Betreiber der Schweizer Anlage mussten 7 Millionen Franken an Schadensersatz bezahlen. Diesen Aderlass hätten sie vielleicht noch verkraftet. Doch Ende 2009 legte ein internationales Expertenteam aus mehreren Firmen ein Gutachten vor, das dem Projekt den Todesstoß versetzte. Die Erdbebenforscher hatten berechnet, dass beim weiteren Ausbau und Betrieb der Anlage Beben bis zu einer Magnitude von 4,5 und Schäden bis zu 600 Millionen Franken (rund 460 Millionen Euro) entstehen könnten. Und selbst wenn es nicht so schlimm käme, würde die Erde doch über Jahrzehnte mehrfach jährlich spürbar rumoren, so die Gutachter. Das wollten die Politiker ihren Bürgern nicht zumuten. Zu allem Übel blieb Basel nicht der einzige Problemfall. Auch im pfälzischen Landau, wo die Geox GmbH seit 2007 ein Erdwärmekraftwerk betreibt, ereigneten sich im Sommer 2009 spürbare Erschütterungen mit Magnituden von 2,4 und 2,7. Dazu kommt das Drama im südbadischen Städtchen Staufen. Dort hebt sich seit drei Jahren der Boden, und Hauswände reißen. Der Schaden beläuft sich inzwischen auf 50 Millionen Euro: Durch eine Geothermie-Bohrung war Wasser in eine Schicht aus Anhydrit eingedrungen, das sich dadurch in Gips umwandelte und wie ein Hefeteig aufging. Das Projekt sollte zwar keinen Strom liefern, sondern nur Heizwärme. Doch es hat nicht nur Staufen, sondern der Geothermie insgesamt einen weiteren Schlag versetzt.

Ist die umweltfreundliche Technologie am Ende, bevor ihre kommerzielle Nutzung überhaupt richtig begonnen hat? Tatsache ist: An vielen Standorten sind Bürgerinitiativen entstanden, die sich im August sogar zu einem Bundesverband zusammengeschlossen haben und kein gutes Haar am CO2-freien Energie-Bergbau lassen. Auch die Politik steht dem Erdstrom inzwischen weniger positiv gegenüber. „Die Auflagen sind strenger geworden und die zuständigen Leute schwerer zu erreichen“, sagt Ernst Huenges, der Leiter des Geothermiezentrums am Potsdamer Geoforschungszentrum (GFZ). In Baden-Württemberg verlangen die Behörden inzwischen bei neuen Vorhaben ein seismologisches Gutachten – eine Art Unbedenklichkeitsnachweis, den kaum jemand erbringen kann. Auch das Geothermie-Kraftwerk Landau bekam die Angst der Anwohner zu spüren. Die Betreiber müssen strenge Auflagen erfüllen und eine kostspielige Versicherung abschließen. Zudem dürfen sie Wasser vorerst nur mit einem Druck von höchstens 45 Bar in den Untergrund drücken, was die Auslastung der Anlage auf 70 Prozent begrenzt. Dadurch reduziert sich auch die Wirtschaftlichkeit.

Anzeige

UMWELTPSYCHOLOGEN GEFRAGT

In Rheinland-Pfalz, wo mehrere neue Anlagen in der Planung sind, soll nun ein Mediationsverfahren die Kluft zwischen Gegnern und Befürwortern überbrücken. Diese Form des Dialogs, durch die Proteste gegen Stuttgart 21 publik geworden, hatte schon beim Ausbau des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens für Ruhe gesorgt. Die Umweltpsychologin Petra Schweizer-Ries von der Universität des Saarlandes in Saarbrücken befürwortet solche Diskussionsrunden: „Es ist ganz wichtig, die Bevölkerung frühzeitig einzubeziehen“, sagt sie. Angst dürfe erst gar nicht entstehen. Offenheit sei die einzig richtige Strategie. Schweizer-Ries sagt aber auch, dass man Projekte nicht realisieren dürfe, wenn ein Risiko unakzeptabel hoch ist.

Ist die Angst der Anwohner berechtigt? Ingo Sass, Professor für angewandte Geothermie an der TU Darmstadt, hat seine Zweifel: „Die Erschütterungen in Landau entsprachen nicht einmal denen einer vorbeifahrenden Straßenbahn“, meint er. Er gibt – wie viele seiner Kollegen – den Medien eine Mitschuld an der grassierenden Furcht: „Ich halte es für problematisch, solche Ereignisse in die Nähe von Schadenerdbeben zu rücken.“ Huenges urteilt ähnlich: „ Was kommuniziert wird, hat mit den realen Gefahren nicht viel zu tun.“ Auch der Seismologe Gottfried Grünthal vom Potsdamer GFZ sieht Aufklärungsbedarf: „Man muss zwischen gefühltem und tatsächlichem Risiko unterscheiden.“ Mit einer neuen Methode, einem Mix aus Modellierung und Wahrscheinlichkeitsrechnung, will er nun ein Instrument entwickeln, um solche Risiken in Deutschland exakt abschätzen zu können. Ob er damit gegen die gefühlte Angst ankommt, muss sich erst noch zeigen.

Dass der Untergrund knistert, wenn ihm kräftige Maschinen Wärme abringen, lässt sich nicht vermeiden. Doch die verschiedenen Methoden des Wärme-Bergbaus sind unterschiedlich riskant. Die ursprüngliche Idee, trockenes, heißes Gestein als Durchlauferhitzer zu nutzen, setzt dem Untergrund besonders heftig zu. Bei diesem Hot-Dry-Rock-Verfahren – die Fachleute sprechen neuerdings von petrothermaler Methode – werden Klüfte im Untergrund aufgebrochen, indem man Wasser unter hohem Druck in ein Bohrloch presst. Durch die Risse und Spalten leitet man dann Wasser, das sich erhitzt und Energie liefert. Basel war eine Anlage dieses Typs. Auch im elsässischen Soultz-sous- Forêts wird seit 1986 bei einem internationalen Forschungsprojekt auf diese Weise Erdwärme angezapft.

Einfacher haben es die Ingenieure, wenn ohnehin schon Wasser in der Tiefe zirkuliert. In vielen Regionen, etwa im süddeutschen Molassebecken südlich der Donau und im Norddeutschen Tiefland, ist das der Fall. Die meisten derzeit betriebenen Anlagen fallen unter diesen „hydrothermalen“ Typ. Hier ist weniger Gewalt nötig, weil das Gestein bereits nennenswerte Wassermengen birgt. Allerdings geht es auch hier nicht ganz ohne Nachhilfe, denn meist müssen die Klüfte erweitert werden, wofür man auch hier Wasser in den Untergrund drückt. Zudem wird das nach oben gepumpte Wasser später wieder ins Gestein zurückgeführt. Auch das geht nicht ohne erheblichen Druck. Bei all diesen Eingriffen knistert es im Gestein. Empfindliche Seismometer registrieren das, Anwohner spüren dagegen nichts – meistens. Nur wenn das Gestein unter Spannung steht, kann der Eingriff die angestauten Kräfte mobilisieren. Experten sprechen von „induzierter Seismizität“.

Die Spannungen sind eine Folge der Dynamik unserer Erde: Die Erdkruste besteht aus einzelnen Platten, die sich verschieben und aufeinander drücken. Der Druck, der sich dabei aufbaut, wird manchmal sichtbar: Er kann ein kreisrundes Bohrloch zu einer Ellipse zusammenquetschen. Damit es zu einem Erdbeben kommt, muss es aber auch eine Verwerfung geben – einen Riss in der Erdkruste, entlang dem sich die Gesteinspakete gegeneinander verschieben können. Wenn man Wasser in eine solche aktive Verwerfung drückt, kann sich die Spannung mit einem Erdbeben lösen. Den fatalen Einfluss von Wasser kennt jeder Erdbebenforscher von Staudämmen: Nach dem Füllen von Stauseen kommt es immer wieder zu Erschütterungen. Das Nass wirkt wie ein Schmiermittel, das Verzahnungen im Gestein lockert.

MEHR EINFÜHLUNGSVERMÖGEN NÖTIG

Die Erklärung macht eines deutlich: Ein induziertes Erdbeben kann nicht stärker sein als ein natürliches Beden in der betreffenden Region. Alle Erfahrungen bestätigen das. Wo also von Natur aus kein Erdbebenrisiko besteht, müssen sich die Anwohner auch bei einem Geothermie-Projekt keine Sorgen machen. Anders sieht es in Erdbebenregionen wie dem Baseler Raum aus. „Ich würde erst einmal nicht nach Basel gehen“, meint Huenges deshalb. Auch in Baden-Württemberg kommt es immer wieder zu Beben, die erhebliche Schäden anrichten. Die Sorge der Landesbehörden ist also berechtigt. Allerdings gibt es Möglichkeiten, das Erdbebenrisiko zu reduzieren. Vor allem müssen die Geoingenieure bei ihrem Vorstoß in die Tiefe Verwerfungszonen meiden. Und sie sollten den Wasserdruck für das Aufsprengen des Gesteins langsam erhöhen, um reagieren zu können, falls das Knistern stärker wird. Sie könnten das Kluftsystem auch mithilfe von Säure erweitern, was allerdings nicht sehr umweltfreundlich ist.

Dass der tiefen Geothermie die Erdbebenangst so zusetzt, überrascht. Denn ihre Schwachstelle sind eigentlich die Kosten. Erdstrom ist teuer – und daran wird sich so schnell nichts ändern. Die Bundesregierung hält trotz allem an der Technologie fest: „Das Bundesumweltministerium geht davon aus, dass Geothermie-Projekte nach einer Phase der weiteren Erforschung und praktischen Erfahrung mittel- bis langfristig einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung in Deutschland leisten können“, sagt der Pressesprecher. Bis 2020 soll die installierte elektrische Leistung 280 Megawatt (MW) erreichen, bis 2030 sogar 850 MW. Um das umzusetzen, müssten in Deutschland 200 Geothermie-Anlagen aus dem Boden gestampft werden. Die optimistische Einschätzung hat einen guten Grund: Die Elektrizität aus der Tiefe fließt Tag und Nacht. Sie ist grundlastfähig, kann also rund um die Uhr Strom liefern und so einen Ausgleich zu den launischen Energiequellen Wind und Sonne schaffen.

Derzeit wird Erdstrom nach dem EEG mit bis zu 27 Cent pro Kilowattstunde vergütet. Auch Wind- und Sonnenstrom bekommen reichlich Stütze. Doch da zeichnet sich ab, dass der erzeugte Strom bald auf dem Markt konkurrieren kann. Erdstrom braucht dagegen noch lange einen Anschub. Teuer sind vor allem die kilometertiefen Bohrungen. Die Löcher verschlingen zwischen der Hälfte und drei Viertel der insgesamt nötigen Investitionen. Jeder Meter Bohrung kostet zwischen 1000 und 2000 Euro – das macht für ein einziges Loch bis zu 10 Millionen Euro. Und nicht immer liefern die Anlagen die erhofften Energiemengen. Mehr noch: Manchmal stößt der Bohrer trotz geologischer Voruntersuchung nicht auf das prognostizierte Wasser. Das ist bei einem Projekt in Zürich passiert, das ein Krankenhaus mit Energie hätte versorgen sollen.

Solche Missgeschicke sind bitter. Theoretisch könnte man zwar Wasser von oben in den Untergrund drücken und so aus einer hydrothermalen kurzerhand eine petrothermale Anlage machen. Doch so einfach geht das nicht. Das petrothermale oder Hot-Dry-Rock-Verfahren steckt auch nach jahrzehntelanger Forschung noch voller Tücken, die es riskant und teuer machen. Das größte Problem: Niemand kann voraussagen, wie das aufgesprengte Kluftsystem letztlich aussehen wird. Möglicherweise sind die Passagen so eng, dass ein unwirtschaftlich hoher Wasserdruck nötig ist. Oder so weit, dass das System kaum Wärme aufnehmen kann. Oder vom eingepressten Wasser kommt kaum etwas am zweiten Bohrloch an. Zudem drohen beim Aufbrechen der Spalten Erschütterungen.

WIRKUNGSGRAD: 10 PROZENT

Kommerzielle Unternehmen lassen deshalb lieber die Finger vom Hot-Dry-Rock-Verfahren und konzentrieren sich auf hydrothermale Projekte. In Zürich gab vor allem die Erdbebenangst den Ausschlag, davon Abstand zu nehmen, denn die Anlage steht mitten in der Stadt. Damit das Geld nicht ganz verloren ist, denken die Betreiber nun daran, das Bohrloch als Wärmesonde zu nutzen. Ein geschlossener Wasserkreislauf innerhalb des Bohrlochs soll Wärme bereitstellen. Die Ausbeute wäre freilich wesentlich geringer als ursprünglich erhofft. Wenn wirklich heißes Wasser gefördert werden kann, tauchen andere Probleme auf: Zum einen ist das sogenannte Fluid meist sehr aggressiv und greift die Metallinstallationen an. Zum anderen ist Wasser mit Temperaturen zwischen 100 und 200 Grad Celsius relativ kühl und eignet sich kaum für eine effiziente Verstromung. Moderne Kohlekraftwerke arbeiten mit Dampftemperaturen von rund 600 Grad Celsius, bald wohl sogar 700 Grad Celsius: Ihr Wirkungsgrad steigt mit zunehmender Temperatur. Um mit Geothermie-Kraftwerken überhaupt Strom produzieren zu können, muss man die Wärme des Wassers auf eine andere Flüssigkeit übertragen, die schon unter 100 Grad Celsius verdampft. Dafür stehen zwei Verfahren zur Verfügung: Beim Organic Rankine Cycle (OCR) hilft ein organisches Arbeitsmittel, das schon bei rund 30 Grad Celsius verdampft. Beim Kalina-Prozess kommt ein preiswertes Gemisch aus Wasser und Ammoniak zum Einsatz, das bei Erwärmung einen ammoniakreichen Dampf freisetzt. In beiden Fällen bleibt der Wirkungsgrad mit rund 10 Prozent bescheiden. Zudem geht für das Hochpumpen des Wassers sowie das Rückführen des verbrauchten Wassers weitere Energie verloren. Der Wirkungsgrad ließe sich natürlich steigern, wenn die Restwärme zum Heizen genutzt würde. Doch der Bau eines Fernwärmenetzes verschlingt fast so viel Geld wie das Geothermie-Kraftwerk selbst und lohnt nur, wenn genügend Abnehmer in der Nähe sind.

Nicht zuletzt weiß derzeit niemand, wie lange ein Geothermie-Kraftwerk Energie liefern kann. Entsprechende Langzeiterfahrungen fehlen. „Im Prinzip ewig“, meint der Darmstädter Experte Sass. Denn der Energiestrom, der aus dem Erdkern und Erdmantel nach oben dringt, ist gewaltig – auch wenn er um den Faktor 14 geringer ist als die Energieeinstrahlung von der Sonne. Sass betont: „Ist die Anlage richtig justiert, arbeitet sie nachhaltig.“ Die Lebensdauer ist stark von den Untergrundverhältnissen abhängig. Wenn das Wasser durch ein weit verzweigtes Kluftsystem strömt, kann es mehr Wärme aufnehmen als bei einem kurzen Weg mit relativ wenig Kontaktfläche. Der Zustrom an Wasser kann zudem versiegen. Auch die Spalten können sich zusetzen und kaum noch Wasser durchlassen. Oder umgekehrt: In Landau hat der Wasserstrom viele Klüfte freigespült. Auch wenn die Landauer Anlage noch nicht lange läuft, zeigt sie doch, dass die hydrothermale Geothermie funktioniert. Von Januar bis September 2010 sagt Geox-Geschäftsführerin Branka Rogulic, habe das Kraftwerk 6300 Stunden lang Strom ins Netz gespeist – eine Verfügbarkeit von 97 Prozent.

Rogulic glaubt fest an die Zukunft der tiefen Geothermie. Sie steht mit dieser Meinung nicht alleine da, denn die Investitionen steigen weltweit.

· Die Schweizer treiben in St. Gallen und Bern hydrothermale Projekte voran, wobei sie jetzt die Bevölkerung von vornherein einbinden.

· Australien investiert in einer Region, wo der Granit in 4000 Meter Tiefe mehr als 240 Grad Celsius heiß ist.

· In den USA denkt man daran, alte Erdölbohrungen in Texas für die Geothermie zu nutzen.

· Selbst in Deutschland ist der Elan ungebremst. 20 Projekte seien hier in der Explorationsphase, weitere 100 in der frühen Planung, sagt Horst Kreuter vom Bundesverband Geothermie. Im Oberrheingraben zwischen Frankfurt und Mannheim seien die Bergrechte bereits restlos vergeben.

Wie es mit der tiefen Geothermie weitergeht, entscheiden wohl weniger die Erdbebenängste als die Kosten. Die Lobbyisten sind zuversichtlich, dass die Kosten fallen, wenn der Boom richtig losbricht und große Unternehmen einsteigen. Sie verweisen dabei gern auf Wind- und Sonnenenergie.

JEDE ANLAGE EIN UNIKAT

Doch Erdwärmekraftwerke gibt es nicht von der Stange – der launische Untergrund macht aus jeder Anlage ein Unikat. Immerhin zeichnet sich bei den Bohrkosten ein Lichtstreifen ab: Es wird mit Schlauchgestängen experimentiert, die das langwierige Auseinanderschrauben der Bohrstangen bei jedem Bohrkopfwechsel überflüssig machen. Eine andere Idee ist, das Gestein mithilfe von Schallwellen aufzubrechen. Doch der petrothermale Ansatz, auf den die Experten so große Hoffnungen gesetzt hatten, scheint vorerst ausgespielt zu haben. Eine Fata Morgana: Der Erfolg lacht am Horizont, lässt sich aber nicht greifen. Hier braucht es noch viel Forschung. Auch das hydrothermale Verfahren ist nicht ausgereift. Investoren fürchten vor allem, in der Tiefe kein Wasser zu finden. Doch jetzt muss sich erst einmal zeigen, wie sich die bestehenden Anlagen bewähren. Vor allem müssen sie nachweisen, dass in der Tiefe Wasser auf Dauer in ausreichender Menge und Temperatur nachfließt. Natürlich braucht eine neue Technologie auch die Akzeptanz der Gesellschaft. Die Pragmatikerin Rogulic weiß das nur zu gut und fordert ein verlässliches politisches Umfeld – statt immer neuer Auflagen. ■

· Klaus Jacob, ständiger Autor von bild der wissenschaft, berichtete über Geothermie bereits in den Ausgaben 1/2005 und 10/2007.

von Klaus Jacob

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

En|do|kar|di|tis  〈f.; –, –di|ti|den; Med.〉 Herzinnenhautentzündung, bes. Herzklappenentzündung

Bau|be|wil|li|gung  〈f. 20〉 = Baugenehmigung

Kon|takt|gift  〈n. 11〉 chem. Stoff, der schon durch Berührung auf Organismen giftig wirkt

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige