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Fantastische Reise eines Urzeit-Affen

Erde|Umwelt

Fantastische Reise eines Urzeit-Affen
Fossilfundstelle
Am Ufer dieses Flusses wurden die fossilen Affenzähne gefunden. (Bild: Erik Seiffert)

Es gibt zwar viele Vögel, die auf ihren Wanderungen ganze Ozeane überqueren, unter den Landsäugetieren sind solche „Fernreisen“ allerdings eine absolute Seltenheit. Doch vor rund 34 Millionen Jahren schaffte eine kleine afrikanische Affenart genau dies: Sie überquerte den damals rund 1500 Kilometer breiten Atlantik – vermutlich auf einem Floß aus schwimmenden Pflanzenteilen – und gelangte so nach Südamerika. Belege für diese fantastische Reise liefern vier in Peru gefundene Zähne von Nachfahren dieser fern-reisenden Affen. Damit sind diese Primaten die erst dritte Gruppe von Landsäugetieren, von der eine solche Atlantiküberquerung bekannt ist.

Lange Zeit galt es als vollkommen unmöglich, dass Landtiere auf dem Weg von einem Kontinent zum anderen selbst größere Meere überqueren können. Allenfalls ein „Inselhüpfen“ wie in Ostasien oder währen der Kreidezeit in Europa hielt man für denkbar – schließlich gab es für diese Art der Ausbreitung zahlreiche fossile Belege. Doch schon in den 1980er Jahren kamen Biologen zu dem Schluss, dass zumindest zwei in Südamerika heimische Tiergruppen – die Meerschweinchenartigen (Caviomorpha) und die Neuweltaffen (Platyrrhini) – nicht wie zuvor angenommen über die Beringstraße in die Neue Welt eingewandert sein konnten. Denn ihre nächsten Verwandten wurden ausschließlich in Afrika und auf der Arabischen Halbinsel gefunden. „Beide Gruppen müssen im Eozän aus dieser Region gekommen sein – was ein oder mehrere transatlantische Überquerungen erforderte“, erklären Erik Seiffert von der University of Southern California in Los Angeles und seine Kollegen.

Afrikanische Affen in Peru

Doch nun haben die Forscher fossile Belege dafür gefunden, dass noch eine dritte Gruppe von Landsäugetieren die gefährliche Reise über den Atlantik unternommen haben muss. Den Hinweis dafür liefern vier rund 23 bis 34 Millionen Jahre alte fossile Zähne, die Seiffert und sein Team am Ufer des Rio Yoruba an der Grenze von Peru und Brasilien gefunden haben. Nähere Analysen der Zahnmerkmale ergaben, dass es sich nicht um Relikte eines urzeitlichen Neuweltaffen handelte, sondern offenbar um eine ganz neue Primatenart. Die Paläontologen tauften sie Ucayalipithecus perdita – Ucayali nach der Fundgegend, pithecus ist die für urzeitliche Affenarten gebräuchliche Endung und perdita steht für „verloren“. „Die Zähne von Ucayalipithecus sind von denen der Platyrrhini radikal verschieden“, berichten Seiffert und seine Kollegen. Stattdessen zeigten die Zähne einer erstaunlich große Ähnlichkeit zu denen der Parapitheciden, einer ausgestorbenen Primatengruppe, die vor knapp 50 bis 25 Millionen Jahren in Ägypten vorkamen.

Wie aber kam ein Angehöriger dieser nur aus Afrika bekannten Urzeitaffen nach Südamerika? Aus phylogenetischen Vergleichsanalysen schließen die Paläontologen, dass die unmittelbaren Vorfahren von Ucayalipithecus sich erst vor rund 35 Millionen Jahren von ihren afrikanischen Verwandten abgespalten haben. „Dieser Parapithecide liefert uns den bislang überzeugendsten Beleg für eine phylogenetische Verbindung zwischen einem fossilen Säugetier aus Südamerika und einer afro-arabischen Tiergruppe“, sagen die Forscher. Auch wenn der Fundort der Zähne heute weit von der Küste und rund 4000 Kilometer vom östlichsten Punkt Südamerikas entfernt liegt, müssen die unmittelbaren Vorfahren des Ucayalipithecus direkt aus Afrika nach Südamerika gekommen sein, so ihre Schlussfolgerung.

Auf einem Floß aus Pflanzenteilen

Das aber bedeutet, dass die Urzeitaffen den Atlantik überquert haben müssen. „Das ist eine absolut einzigartige Entdeckung „, sagt Seiffert. „Sie zeigt, dass zusätzlich zu den Neuweltaffen und den Meerschweinchenartigen auch diese dritte Stammeslinie von Säugetieren irgendwie diese unglaubliche transatlantische Reise geschafft haben muss.“ Die Vorfahren des Ucayalipithecus wären damit erst die dritte Säugetiergruppe, von der eine solche Überquerung des Atlantik bekannt ist. Auf Basis ihrer Daten vermuten die Wissenschaftler, dass die etwa pinselaffengroßen Primaten vor rund 34 Millionen Jahren diese Reise antraten. In dieser Zeit am Übergang vom Eozän zum Oligozän begann das antarktische Eisschild gerade zu wachsen und die Meeresspiegel fielen. Dadurch war der Atlantik mit rund 1500 bis 2000 Kilometer Breite etwas schmaler als heute – aber für ein Landsäugetier dennoch eine enorme Barriere.

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Die Forscher vermuten, dass die kleinen Urzeitaffen auf einer Art Floß aus Pflanzenteilen schwimmend das Meer überquert haben könnten. Möglicherweise riss ein Sturm die Äffchen damals mitsamt Pflanzenfloß aufs Meer hinaus. Günstige Strömungen und Winde könnten die unfreiwilligen Seefahrer dann bis an die Küste Südamerikas getrieben haben. Die Affen mussten dabei wahrscheinlich mindestens einige Tage lang ohne Wasser und Futter auskommen. Bei ihrer Ankunft in der neuen Heimat dann war erneut Flexibilität gefragt: Die Neuankömmlinge waren gezwungen, sich an neue Futterquellen und eine neue Umgebung zu gewöhnen. „Das spricht für ein hohes Maß an Flexibilität im Verhalten dieser Affen“, konstatieren die Wissenschaftler.

Quelle: Erik Seiffert (University of Southern California, Los Angeles) et al., Science, doi: 10.1126/science.aba1135

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