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Fische in der Sahara

Erde|Umwelt

Fische in der Sahara
Takarkori
Blick auf den Takarkori-Felsunterstand in der Sahara. (Bild: Savino di Lernia, 2020)

Einst war die Sahara eine grüne und feuchte Savanne. Unsere Vorfahren konnten daher sogar Fische dort fangen. Diese nahmen auf dem Speiseplan der Sahara-Bewohner offenbar lange Zeit eine bedeutende Stellung ein, wie nun Fossilfunde aus Libyen belegen. Doch irgendwann änderte sich das: Die Menschen stellten ihre Ernährung um und aßen immer mehr Säugetiere. Denn Fische wurden in ihrer Umgebung zunehmend selten. Auch die Größe der Tiere und die Zusammensetzung der Fischgemeinschaften änderte sich deutlich. Grund dafür war der einsetzende Klimawechsel, der die Sahara schließlich vollkommen austrocknen ließ, berichten die Forscher.

Von den Eiswüsten der Polargebiete einmal abgesehen ist die Sahara die größte Wüste der Erde. In dem Meer aus Stein, Geröll und Sand können nur Tiere und Pflanzen überleben, die mit kargen und trockenen Bedingungen zurechtkommen. Doch das war nicht immer so: Noch vor rund 10.000 Jahren lag an der Stelle der heutigen Trockenwüste eine grüne Savanne mit zahlreichen Flüssen. Damals war die Sahara ein paradiesischer Lebensraum für eine vielfältige Flora und Fauna. Auch Menschen ließen sich dort nieder, wie archäologische Funde belegen. Einblicke in das Leben der früheren Sahara-Bewohner lassen sich zum Beispiel an der berühmten Fundstätte Takarkori erlangen. Dieser Felsüberhang im Tadrart-Acacus-Gebirge in Libyen bot unseren Vorfahren willkommenen Schutz und war über tausende Jahre bewohnt. Erst ein Klimawechsel ließ die Sahara immer mehr austrocknen und bedeutete auch für die in ihr lebenden Menschen und Tiere einen drastischen Wandel.

Veränderung des Speiseplans

Welche Folgen die Verwandlung vom grünen Paradies zur lebensfeindlichen Wüste hatte, illustrieren neue Funde aus Takarkori nun eindrücklich. Wim Van Neer vom Königlichen Belgischen Institut für Naturwissenschaften in Brüssel und seine Kollegen haben dort tierische Überreste aus dem Zeitraum von vor 10.200 bis 4650 Jahren ausgegraben. Das Spannende: Von den insgesamt über 17.000 entdeckten Fossilien waren fast 80 Prozent Fische. Schnitt- und Verbrennungsspuren belegen, dass sie wohl den damaligen Menschen als Nahrung dienten. In dieser Region ernährten sich unsere Vorfahren demnach einst hauptsächlich von solchen Kiementrägern. „In diesen Funden spiegeln sich die humideren Bedingungen wider, die während des frühen und mittleren Holozäns im Südwesten Libyens herrschten“, konstatieren die Wissenschaftler.

In den Gewässern rund um Takarkori tummelten sich damals offenbar vor allem Welse und Vertreter der Tilapia, einer Gattung der Buntbarsche. Van Neer und seine Kollegen gehen aufgrund ihrer Analysen davon aus, dass die Fische vom Nil aus westwärts wanderten und die Flusssysteme von Ennedi und Tibesti sowie den urzeitlichen See Mega-Tschad passierten, bis sie schließlich die Takarkori-Region erreichten. Alternativ könnten die Fische auch von Flüssen aus der Sahelzone sowie dem Mega-Tschad stammen, von wo aus sie sich nordwärts in Richtung Tadrart-Acacus-Gebirge bewegten. „Über welche Routen die Kolonisierung des Takarkori-Gebiets stattfand, ist unklar. In allen Szenarien spielte aber wahrscheinlich der Mega-Tschad eine wichtige Rolle für die Verbreitung der aquatischen Spezies“, erklärt das Team. Dieser Urzeit-See im Tschadbecken nahm noch vor 6000 Jahren eine Fläche von 360.000 Quadratkilometern ein.

Buntbarsche verschwanden zuerst

Doch unabhängig davon, woher die Fische kamen: Interessant ist vor allem, wie sich ihr Bestand im Laufe der Zeit änderte. So legen die Fossilfunde nahe, dass die Fische immer weniger wurden. Machten sie zu Beginn noch 90 Prozent aller gefundenen Tiere aus, betrug ihr Anteil zum Ende des untersuchten Zeitraums nur noch 40 Prozent. Parallel dazu stieg die Menge von Säugetier-Fossilien – auch sie eindeutig Überreste menschlicher Mahlzeiten, wie die Forscher berichten. Sie werten diese Entwicklung als ein Indiz für den sich anbahnenden Klimawechsel: Zunehmende Hitze und Trockenheit vertrieben die Fische allmählich und machten das Fischen immer schwieriger. „Hydrologische und geomorphologische Daten belegen, dass die Bedingungen während des mittleren Holozäns instabiler wurden“, berichten Van Neer und seine Kollegen. So nahmen Zahl und Ausdehnung der Gewässer ab und viele von ihnen führten nur noch saisonal Wasser. Als Folge mussten sich unsere Vorfahren nach alternativen Nahrungsquellen umsehen. Sie machten vermehrt außerhalb des Wassers Jagd und begannen möglicherweise auch schon damit, Vieh zu domestizieren.

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Auch an der Zusammensetzung der Fischgemeinschaften lässt sich die graduelle Verschlechterung der klimatischen Bedingungen ablesen. Denn den Ergebnissen zufolge verschwanden zunächst vor allem die Tilapia. Die Welse waren dagegen weniger stark von dem Schwund betroffen. Eine naheliegende Erklärung: Fische wie die Kiemensackwelse kommen mit widrigen Umweltbedingungen besser zu recht. Sie können auch in flachen Gewässern überleben, tolerieren geringe Sauerstoffgehalte und hohe Temperaturen, wie die Wissenschaftler erklären. Die letzten Tilapia veränderten sich überdies optisch – sie wurden kleiner. „Dies ist möglicherweise das Ergebnis eines gehemmten Wachstums, ’stunting‘ genannt. Wir wissen, dass dieses Phänomen bei diesen Fischen auftritt, wenn die Gewässer klein sind“, erklärt das Team. Diese auffälligen Veränderungen der Fischfauna seien damit ein weiterer Hinweis darauf, dass die Umwelt durch die zunehmende Aridität immer fischfeindlicher wurde.

„Diese Studie liefert bedeutende Informationen über die dramatischen klimatischen Veränderungen, die zur Entstehung der größten Trockenwüste der Erde beigetragen haben“, so das Fazit der Forscher. „Zum wiederholten Mal hat sich der Takarkori-Felsüberhang als ein Schatz für die afrikanische Archäologie und darüber hinaus erwiesen: Er ist ein Ort, an dem sich die komplexen Dynamiken zwischen frühen Menschengruppen und ihrer Umwelt in einem Klima im Wandel rekonstruieren lassen.“

Quelle: Wim Van Neer (Königliches Belgisches Institut für Naturwissenschaften, Brüssel) et al., PLOS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0228588

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