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Früher Säuger mit erstaunlich präzisem Biss

Erde|Umwelt

Früher Säuger mit erstaunlich präzisem Biss
Gebiss
Kiefer und Biss von Priacodon fruitaensis. (Bild: Thomas Martin, Kai R. K. Jäger / Universität Bonn)

Die Zähne und Kiefer früher Säugetiere verraten viel über ihre Lebensweise, Ernährung und Evolution. Forscher haben nun das Gebiss eines winzigen Raubtiers analysiert, das vor rund 150 Millionen Jahren auf der Nordhalbkugel lebte. Priacodon fruitaensis konnte demnach erstaunlich präzise zubeißen. Die mit gleichmäßigen Höckern versehenen Kauleisten passten perfekt aufeinander und konnten sowohl Fleisch als auch Insekten zerkleinern. Doch gerade diese perfekte Kieferarchitektur sorgte dafür, dass kleine Abweichungen große Nachteile mit sich brachten. Das verringerte die evolutionäre Flexibilität.

Von vielen frühen Säugetieren, die zeitgleich mit den Dinosauriern die Erde bevölkerten, sind vorwiegend Zähne und Kiefer erhalten. Auch die wissenschaftliche Systematik dieser Tiere richtet sich daher oft in erster Linie nach dem Gebiss. Dennoch ist bislang wenig darüber bekannt, wie der Kauapparat der jeweiligen Exemplare tatsächlich funktioniert hat. Eine Gruppe dieser urzeitlichen Säuger sind die Triconodontidae, benannt nach drei gleichmäßigen Höckern, die sie auf jedem ihrer Backenzähne tragen.

Zubeißen wie heutige Säuger

Forscher um Kai Jäger von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn haben nun rekonstruiert, wie die Triconodontidae vermutlich gekaut haben. Dazu analysierten sie die nur wenige Millimeter großen Zähne des urzeitlichen Raubtiers Priacodon fruitaensis mit Hilfe von Mikro-Computertomographie und 3D-Modellen. „Bislang war unklar, auf welche Weise die Zähne in Ober- und Unterkiefer genau ineinandergreifen“, erklärt Jägers Kollege Thomas Martin. „Wir konnten diese Frage nun beantworten.“

Bei den ersten Vorfahren der Säugetiere waren die Backenzähne im Ober- und Unterkiefer jeweils einander genau gegenüber angeordnet. Bei heutigen Säugern sind sie dagegen leicht gegeneinander verschoben, sodass jeder Backenzahn zwischen zwei gegenüberstehende greift – quasi auf Lücke. Um zu klären, welches Zahnschema auf Priacodon fruitaensis zutrifft, simulierten die Forscher für beide Varianten die Kaubewegungen. „Dabei zeigte sich, dass das Tier wie ein moderner Säuger zugebissen hat“, sagt Jäger. Andernfalls wäre der Kontakt zwischen Ober- und Unterkiefer zu gering gewesen, um die Nahrung effizient zu zerkleinern.

Fleisch- und Insektenfresser

Mit einem geschätzten Körpergewicht von nur 40 bis 60 Gramm erreicht Priacodon fruitaensis gerade die Größe eines Mauswiesels, des kleinsten heute lebenden Raubtiers. Wie hat es sich in einer Zeit, da riesige Dinosaurier die Erde beherrschten, ernährt? Auch darüber geben die Zähne Aufschluss: Die perfekt aufeinander abgestimmten, gegeneinander verschobenen Kauleisten ermöglichten zum einen, Fleisch fast wie mit einer Schere zu zerschneiden. Gleichzeitig weisen die Backenzähne aber auch die für Triconodontidae typischen Höcker auf. „Solche Höcker eignen sich besonders gut, um Insektenpanzer zu perforieren und zu zerquetschen“, erklärt Jäger. „Sie finden sich daher auch bei heutigen Insektenfressern.“

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Die einzigartige Merkmalskombination versetzte das urtümliche Raubtier wohl in die Lage, sowohl andere kleine Säuger als auch Insekten zu verzehren. Die Höcker auf den Backenzähnen ermöglichten den Triconodontidae also ein breites Nahrungsspektrum. Da die Höcker alle nahezu gleich groß waren, machten sie das Kauen sehr präzise und effizient. Mit nur einem einzigen Biss ließ sich ein harter Insektenpanzer in viele kleine Stücke zerkleinern. Doch die perfekte Abstimmung hatte einen Nachteil: Kleine Veränderungen in der Form der Höcker hätten die Kau-Leistung so stark verschlechtert, dass Individuen mit einer solchen Variation deutlich geringere Überlebens- und Fortpflanzungschancen gehabt hätten. „Das erschwerte möglicherweise eine Weiterentwicklung des Zahnapparats“, sagt Jäger.

Säugetiere mit weniger einheitlichen Zähnen dagegen hatten eine höhere evolutionäre Flexibilität, die es ihnen ermöglichte, sich an veränderte Nahrungsbedingungen anzupassen. Im Laufe der Evolution setzte sich diese Variante gegenüber der effizienteren, aber unflexibleren durch.

Quelle: Kai Jäger (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn) et al., Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-020-79159-4

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