Klar ist: Bei den Böden handelt es sich um die größten Kohlenstoff-Lagerstätten der Erde. Der Lebens-Baustein ist im Untergrund in den Überresten von Pflanzen gebunden, die den Kohlenstoff im Rahmen der Fotosynthese in Form von atmosphärischem Kohlendioxid aufgenommen haben. Diese Biomasse wird im Boden durch Bakterien, Würmer und Co langsam abgebaut. Durch ihren Stoffwechsel wird der Kohlenstoff dann wieder freigesetzt und in die Atmosphäre abgegeben. Somit schließt sich über den Boden ein Kreislauf aus Ablagerung und Freisetzung von Kohlenstoff.
Mehr Aufbau oder Abbau?
Seit einiger Zeit steht nun die Frage im Raum: Wie beeinflussen die höheren Temperaturen und atmosphärischen Kohlendioxidgehalte diesen Kreislauf? Konkret: Wird durch den Klimawandel unterm Strich mehr Treibhausgas aus dem Boden freigesetzt oder wird durch verstärktes Pflanzenwachstum möglicherweise sogar mehr eingelagert? Dieser Frage sind die Forscher um Tom Crowther von der Yale University in New Haven nun so detailliert nachgegangen wie nie zuvor. Ihre Ergebnisse basieren auf Daten von Freilandversuchen an 49 Orten in Europa, Nordamerika und Asien, die sich teilweise über 20 Jahre erstreckten. So war nun erstmals eine weltweite Einschätzung des Effekts möglich.
Es zeichnete sich ab: Unter den veränderten Klima-Bedingungen kommt es besonders in den nördlichen Breiten zu einem verstärkten Abbau der Biomasse. Problematisch ist dabei, dass die sub-arktischen Böden im Lauf von Jahrtausenden sehr viel Kohlenstoff in Form von abgelagerter Biomasse angesammelt haben. Die besonders im Norden stark ansteigenden Temperaturen erhöhen nun die Aktivität der dortigen Bodenorganismen, erklären die Forscher. Es kommt dadurch zu einem erheblichen Netto-Verlust der Substanz: Die florierenden Lebewesen erzeugen Kohlendioxid beziehungsweise Methan schneller aus der Biomasse im Boden, als sie gebildet werden kann.
Domino-Effekt mit Rückkopplungs-Aspekt
Um zu beziffern, was genau der Effekt bedeuten könnte, implementierten die Forscher ihre Ergebnisse auch in Modellberechnungen. Sie ergaben: „Wenn der Klimawandel so weitergeht, werden bis zum Jahr 2050 zusätzliche 55 Petagramm Kohlenstoff in die Atmosphäre gelangen“, sagt Crowther. „Das ist etwa 17 Prozent mehr als die prognostizierten Emissionen durch die menschlichen Aktivitäten in diesem Zeitraum. Der Effekt wird ungefähr gleichbedeutend sein, als würde man ein weiteres industrialisiertes Land von der Größe der Vereinigten Staaten dem Planeten hinzuzufügen“, so Crowther.
Was das wiederum bedeuten würde, ist erneut mit beunruhigenden Fragezeichen versehen: Die zusätzlichen Treibhausgase aus dem Boden könnten die globale Erwärmung noch weiter anheizen, sodass erneut ein Freisetzungsschub aus dem Boden entsteht – ein Dominoeffekt mit kritischem Rückkopplungs-Aspekt.
Die Forscher betonen, dass es weitere Prozesse geben könnte, welche die Freisetzung aus dem Boden noch beschleunigen oder aber bremsen könnten. Doch ihnen zufolge wird der kritische Effekt unterm Strich bleiben und sich möglicherweise drastisch bemerkbar machen. „Nachdem nun diese langjährige wissenschaftliche Frage beantwortet scheint, sollten wir die internationalen Klimamodelle so schnell wie möglich entsprechend anpassen“, sagt Crowther.