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Hochwasser-Zeiten haben sich verschoben

Erde|Umwelt

Hochwasser-Zeiten haben sich verschoben
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Hochwasser im Paznaun-Tal in Tirol im August 2005 (Foto: TU Wien/ASI/Land Tirol/BH Landeck)
Der Klimawandel macht sich bei uns nicht nur in wärmeren Temperaturen oder Hitzewellen bemerkbar. In Europa lässt sich sein Einfluss auch schon an Hochwasser-Ereignissen ablesen. Denn die Überschwemmungen haben sich in den letzten 50 Jahren bereits messbar zeitlich verschoben, wie eine Studie nun belegt. So treten Frühjahrs-Hochwasser in Nordosteuropa inzwischen früher auf, weil die Schneeschmelze zeitiger beginnt. An der Nordsee dagegen haben sich die winterlichen Überschwemmungen nach hinten verlagert, weil Winterstürme später eintreffen.

Hochwasser und Überschwemmungen gehören zu den Naturereignissen, die weltweit am meisten Menschen treffen – Tendenz steigend. Denn Klimaforscher prognostizieren, dass die Häufigkeit und Schwere von Hochwassern mit dem Klimawandel zunehmen werden. Einer der Gründe dafür: Eine wärmere Atmosphäre kann mehr Wasserdampf aufnehmen und dies führt dazu, dass es mehr und vor allem stärkere Niederschläge geben wird. Schon jetzt ist der Anteil der heftigen Regenschauer in Europa seit 1966 um 43 Prozent gestiegen, sanfte Landregen sind dagegen seltener geworden, wie kürzlich eine Studie ergab. Wenn jedoch in kurzer Zeit viel Regen fällt, können die Böden das Wasser nicht halten und die Flusspegel steigen an – ein Hochwasser ist die Folge. Auch das „Jahrhundert-Hochwasser“ in Mitteleuropa von 2013 ging auf eine solche Phase anhaltenden Starkregens zurück. Ein weiterer typischer Auslöser von Überschwemmungen ist die Schneeschmelze im Frühjahr, wenn aus den Bergen sehr viel Wasser auf einmal in die Flüsse abfließt.

Timing statt Häufigkeit

Die große Frage aber ist, ob sich die Auswirkungen des Klimawandels schon jetzt in den Hochwasser-Ereignissen in Europa bemerkbar machen. Bisher gab es darauf keine eindeutige Antwort, Studien lieferten widersprüchliche Ergebnisse. Der Grund: „Wenn man nur die Stärke der Hochwasser untersucht, kann die Rolle des Klimas durch andere Effekte maskiert werden, beispielsweise durch Landnutzungs-Änderungen durch Urbanisierung, eine intensivere Landwirtschaft oder die Entwaldung“, erklärt Erstautor Günter Böschl von der TU Wien. Deshalb reiche es nicht, sich nur die Häufigkeit von Überschwemmungen anzusehen. Stattdessen haben er und seine Kollegen nach einem Signal gesucht, in dem sich ein möglicher Klimawandel-Einfluss ohne diese Störeffekte manifestiert.

Für ihre Studie untersuchten die Forscher deshalb die Veränderungen im Timing der Hochwasser-Ereignisse in Europa. Denn wie sie erklären, zeigt sich hier oft sehr viel deutlicher der Einfluss des Klimas. So bestimmt beispielsweise die Temperatur im Spätwinter und Frühjahr, wann die Schneeschmelze einsetzt – und damit auch das damit zusammenhängende Hochwasser. Oder die Zeitpunkte der typischen Winterstürme und winterlichen Regenperioden verändern sich, weil der Klimawandel die Luftströmungen und Großwetterlagen verändert. Um solche Verschiebungen aufzuspüren, werteten die Wissenschaftler Pegeldaten der letzten 50 Jahre von 4262 Messstationen in 38 europäischen Ländern aus. Zusätzlich nutzten sie Wetterdaten, um für die verschiedenen Regionen die Perioden mit der höchsten Bodenfeuchte, den Zeitpunkt der Schneeschmelze oder Starkregenphasen zu ermitteln.

Früher im Westen und Nordosten, später an der Nordsee

Das Ergebnis: „Unsere Daten zeigen eine klare zeitliche Verschiebung der Überschwemmungen in Europa während der letzten 50 Jahre“, berichten Böschl und seine Kollegen. Dieser Wandel im Timing sei zwar regional verschieden, aber jeweils relativ linear. So haben sich die typischen Hochwasserperioden in Nordost-Europa nach vorne verlagert: „In Schweden, Finnland und den Baltischen Staaten ereignen sich die Überschwemmungen heute rund einen Monat früher als in den 1960er und 1970er Jahren“, erklärt Böschl. „Damals lagen sie typischerweise im April, heute im März.“ Ursache dafür sei die durch den Klimawandel vorgerückte Schneeschmelze. Besonders stark ist die Verschiebung in Westeuropa: In Spanien, Portugal oder England treten die winterlichen Überschwemmungen inzwischen mindestens 15 Tage früher auf als noch vor 50 Jahren. Dies liege daran, dass die Regenfälle im Herbst zugenommen haben und sich die Böden dann allmählich vollsaugen. Im Winter erreichen sie dadurch früher den Punkt der Wassersättigung und wenn es dann erneut regnet, fließt das Wasser ungepuffert in die Flüsse ab – ein Hochwasser ist die Folge.

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Anders ist dies in den Gebieten rund um die Nordsee: In Deutschland, Dänemark, den Niederlanden und dem südwestlichen Skandinavien ereignen sich die Hochwasser heute typischerweise rund zwei Wochen später als noch vor 50 Jahren. Ähnliches gilt für die nördliche Adria und Gebiete im Nordosten Spaniens, wie die Forscher berichten. Der Grund hier: Winterstürme und die damit verbundenen regenreichen Tiefdruckgebiete haben sich vom Spätherbst weiter in Richtung Jahresende verlagert – unter anderem durch die Erwärmung der Arktis und Veränderungen bei der Nordatlantischen Oszillation (NAO), wie die Forscher berichten. Die winterlichen Starkregen und die damit verbundene Übersättigung der Böden mit Wasser verursachen dann die Überschwemmungen.

„Unsere Ergebnisse unterstreichen die Existenz eines klaren Klimasignals beim Hochwasser in Europa“, sagt Böschl. „Sollten diese Trends anhalten, könnte dies beträchtliche Folgen für Wirtschaft und Umwelt haben, denn die betroffenen Gesellschaften müssen sich an das neue Timing erst anpassen.“ Entsprechend wichtig sei es, diese zeitlichen Verschiebungen zu kennen und zu berücksichtigen. So könnten verspätete Winterhochwasser in den Regionen rund um die Nordsee beispielsweise die Böden der Ackerflächen stark aufweichen. Dies würde die Bewirtschaftung der Felder im Frühjahr erschweren, aber auch die Verdichtung der Böden und die Erosion fördern. „Das könnte die landwirtschaftlichen Erträge mindern“, so die Forscher.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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