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Kalifornien: Entkoppeltes Feuer

Erde|Umwelt

Kalifornien: Entkoppeltes Feuer
Waldbrand
Kontrollierter Brand in einem kalifornischen Nadelwald (Bild: Alan Taylor/Penn State)

Jahrhundertelang waren in Kalifornien Niederschläge und Waldbrände eng miteinander verknüpft: Je weniger es im Winter regnete, desto mehr Feuer gab es im darauffolgenden Sommer. Doch diese Kopplung ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts weitgehend aufgehoben, wie nun eine Studie enthüllt. Verheerende Brände treten demnach in Kalifornien heute selbst dann auf, wenn es im Winter reichlich geregnet hat. Ursachen für diese Entkopplung sind sowohl der Klimawandel als auch die moderne Waldwirtschaft, berichten die Forscher.

Wetter und Feuergefahr in Kalifornien sind seit Jahrhunderten eng mit dem nordpazifischen Jetstream verknüpft. Der Verlauf und die Lage dieser „Windautobahn“ bestimmt, ob Kalifornien im Winter reichlich Niederschläge bekommt oder nicht. Ist der Jetstream während des Winterhalbjahres weit in den Norden Kaliforniens verschoben, fällt nur wenig Niederschlag und ein ungewöhnlich trockenes Jahr ist die Folge – wie zuletzt in der Zeit von 2012 bis 2015. Verläuft der Jetstream dagegen über Südkalifornien, bringt er in der Regel viel Regen mit, wie zuletzt in den Jahren 2016 und 2017. „Diese atmosphärischen Bedingungen während der nassen Saison waren lange Zeit ein starker Kontrollfaktor für die Feuerextreme in der Trockensaison“, erklärt Erstautor Eugene Wahl von der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) in Boulder. Je weniger es im Winter regnete, desto mehr Feuer gab es im darauffolgenden Sommer.

Jetstream, Winterregen und Feuer

Doch in den letzten Jahren passte dieses Schema nicht mehr: Im Winter 2016/17 brachte der Jetstream zwar große Mengen an Regen und Feuchtigkeit nach Kalifornien, dennoch gab es im Sommer darauf extreme Waldbrände, wie Wahl und seine Kollegen berichten. Um herauszufinden, ob es sich dabei nur um einen Ausreißer handelt, oder ob ein langfristiger Trend dahintersteckt, haben sie die Verbindung von Jetstream, Winterregen und sommerlichen Waldbränden näher untersucht. Für ihre Studie rekonstruierten sie die Klima- und Feuerbedingungen der gut 400 Jahre von 1571 bis 1977. „Wir wollten den Mechanismus erforschen, der die Waldbrände in Kalifornien hervorruft“, erklärt Co-Autor Alan Taylor von der Pennsylvania State University. „Bisher hat niemand den pazifischen Jetstream über eine so lange Zeit hinweg zurückverfolgt.“

Die Auswertungen ergaben: Bis etwa zum Jahr 1900 waren Jetstream-Verlauf, Winterregen und Waldbrände in Kalifornien eng verknüpft – wie erwartet. Doch seit etwa 1903 hat sich dies geändert: „Die über Kalifornien verfügbare Feuchtigkeit ist noch immer eng mit der Position des Jetstreams verknüpft – aber nicht die Feuerhäufigkeit“, berichtet Co-Autorin Valerie Trouet von der University of Arizona. Stattdessen ist die Waldbrand-Intensität seit Beginn des 20. Jahrhunderts von diesen Wetterfaktoren abgekoppelt. „Das habe ich nicht erwartet“, sagt Trouet. „Ich habe schon angenommen, dass sich die Verbindung zwischen Jetstream und Feuern im 20. Jahrhundert abschwächt. Aber nicht, dass diese Kopplung komplett verschwindet.“

Waldbrände entkoppelt

Doch was steckt dahinter? Auf der Suche nach den Ursachen wurden die Wissenschaftler bei zwei Faktoren fündig. Der erste ist die Einführung moderner Waldwirtschaft und Feuerbekämpfungsmaßnahmen Anfang des 20. Jahrhunderts in Kalifornien. Während die Ureinwohner jahrhundertelang gezielt Feuer legten, und so das Unterholz in den Wäldern dezimierten, zielen moderne Brandschutzmaßnahmen darauf, Waldbrände komplett zu unterbinden. Als Folge sammeln sich in den kalifornischen Wäldern Unterholz und Totholz an – und damit reichlich Futter für die Flammen, wie die Forscher erklären. Wenn dann ein Feuer ausbricht, entwickelt es sich schnell zu einem Großbrand – selbst in nicht so trockenen Jahren.

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Doch es kommt noch ein zweiter Faktor hinzu: der Klimawandel. Durch die höheren Temperaturen vor allem im Sommer trocknen die Wälder in Kalifornien selbst dann relativ stark aus, wenn es im Winter genug geregnet hat. Auch das habe dazu beigetragen, Winterregen, Jetstream und Waldbrände zu entkoppeln: „Es ist nicht nur der Klimawandel oder nur das Waldbrand-Management, sondern eine Kombination aus beiden, die die perfekten Bedingungen für katastrophale Feuer in Kalifornien erzeugen“, erklärt Trouet. Das aber bedeutet: Egal ob es im Winter viel regnet oder nicht, könnte jeder Sommer für Kalifornien zu einem „Feuer-Sommer“ werden. „Das wird ein Problem für die Menschen, die Feuerwehrleute und die Gesellschaft“, sagt Taylor. „Wenn Feuer nicht mehr durch die Feuchtigkeit bestimmt wird, dann ist das einzige, was wir noch kontrollieren können, der Treibstoff der Brände – das sollten wir ernst nehmen.“

Quelle: Eugene R. Wahl (National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), Boulder) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.1815292116

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