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Klimarelevante Viren im Blick

Erde|Umwelt

Klimarelevante Viren im Blick
Luftaufnahme des Gebiets im arktischen Schweden, wo Forscher bisher unbekannte Bakterien und Viren entdeckt haben, die zur Geschwindigkeit des Klimawandels beitragen könnten. (Foto: Scott Saleska)

Wer macht sich über den „Inhalt der tauenden Gefrierschränke“ des hohen Nordens der Erde her? Forscher haben nun wichtige Einblicke in die Treibhausgas-produzierenden Mikrobengemeinschaften gewonnen, die das zunehmend verfügbar werdende organische Material der nördlichen Permafrostböden zersetzen. Ihre Ergebnisse werfen vor allem Licht auf Mitspieler, die den Prozess indirekt prägen: Viren, die Bodenbakterien befallen.

Der bange Blick der Klimaforscher richtet sich bereits seit einiger Zeit auf den hohen Norden der Erde. Der Klimawandel führt dort zu einer Erwärmung der Böden und bringt das Eis im Untergrund zum Schmelzen, das bisher die organische Substanz vor der mikrobiellen Zersetzung bewahrt hat. Die Erwärmung sorgt dort nun für ein Festmahl mit Rückkopplungseffekt: Bakterien zersetzen die organische Substanz im tauenden Permafrostboden und setzen dabei neben Kohlendioxid das besonders potente Treibhausgas Methan frei. Es besitzt einen Treibhausfaktor, der etwa 33-mal stärker ist als der von CO2. Somit zeichnet sich ein bedrohlicher Teufelskreis ab: Mehr Wärme führt zu mehr Zersetzung und damit zu mehr Methan, das den Klimawandel erneut anheizt.

Indirekte Drahtzieher: Viren

Die prinzipielle Bedrohung durch diesen Prozess ist bekannt, doch die Drahtzieher und ihrer Lebensumstände sind noch wenig erforscht. „Das Problem ist, dass wir nicht alle beteiligten Mikroben kennen und wissen, wie sie auf den Klimawandel reagieren werden, wenn die Bedingungen wärmer und feuchter werden“, sagt Virginia Rich von der Ohio State University in Columbus. Im Rahmen ihrer Studie haben sie und ihre Kollegen vor allem die Rolle besonderer Akteure in diesem System in den Fokus gerückt: Viren. „Während wir in den letzten Jahrzehnten viel über Ozeanviren gelernt haben, wissen wir so gut wie nichts über Bodenviren“, sagt Co-Autor Matt Sullivan.

Den Wissenschaftlern zufolge ist deren Erforschung wichtig, weil diese Erkenntnisse zum Verständnis darüber beitragen, was im Boden vor sich geht. Man kann sich nun fragen: Was haben denn Viren mit der Zersetzung des organischen Materials im Boden zu tun, denn sie betreiben ja keinen Stoffwechsel? Direkt sind sie auch tatsächlich nicht beteiligt. Doch bei den Viren im Untergrund handelt es sich häufig um Erreger, welche die Bodenbakterien befallen und damit deren Populationen und Leistungen beeinflussen.

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Ihre Untersuchungen haben die Forscher in nördlichen Teilen Schwedens durchgeführt. Wie sie erklären, handelt es sich um eine der besten Regionen der Welt, um den auftauenden Permafrost zu studieren, weil die Veränderungen im Rahmen des Klimawandels dort sehr schnell ablaufen und wegen der langjährigen und gut dokumentierten wissenschaftlichen Arbeit in diesem Gebiet. Für den Einblick in den Lebensraum der tauenden Permafrostboden haben die Wissenschaftler Proben genommen und das darin enthalten genetische Material analysiert. Es ermöglichte Rückschlüsse auf die Vielfalt der Bakterien und Viren im Untergrund und deren genetische Ausrüstung.

Genetische Einblicke in die Vielfalt

Wie die Wissenschaftler berichten, haben sie auf diese Weise nun zahlreiche bisher unbekannte Bodenbakterien anhand ihrer Genome identifiziert. Sie fanden außerdem genetische Hinweise auf Hunderte von Viren. Mehr als ein Drittel von ihnen konnten die Forscher mit Bodenmikroben in Verbindung bringen, auf die sie spezialisiert sind. „Wir haben damit nun wichtige Anhaltspunkte, um die Rollen zu verstehen, die sie in diesen Gemeinschaften spielen“, sagt Sullivan.

Außerdem gewannen die Forscher durch ihre genetischen Analysen Einblicke darin, welche Fähigkeiten einige der Bakterien im Boden haben. Demnach gibt es durchaus auch positive Aspekte: Einige Bakterien, Methanotrophe genannt, verbrauchen Methan im Boden, bevor es in die Luft gelangt – es handelt sich somit gleichsam um mikrobielle Klimaschützer im komplexen System der tauenden Permafrostböden.

„Der nächste Schritt ist nun, herauszufinden, was die verschiedenen Akteure im Boden tatsächlich aktiv vor Ort tun“, sagt Rich. Letztlich sollen die Erkenntnisse zu den Bakterien und Viren dazu beitragen, besser einschätzen zu können, wie sich die Geschwindigkeit des Klimawandels entwickeln wird. Darüber hinaus könnte es Möglichkeiten geben, die Auswirkungen des tauenden Untergrunds abzuschwächen. So könnte man vielleicht die Permafrostböden gezielt behandeln, um eine klimaschonende mikrobielle Aktivität zu fördern, sagen die Forscher.

Quelle: Ohio State University, Nature Microbiology

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