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Klimawandel nagt am „dritten Pol“

Erde|Umwelt

Klimawandel nagt am „dritten Pol“
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Bergpass und geröllbedeckter Gletscher im nepalesischen Himalaya. (Foto: Sander Meijer)
Sie gelten als der „dritte Pol“ der Erde: die Gletscher in den Hochgebirgen Asiens. Wie es diesen Eismassen angesichts des Klimawandels ergehen wird, enthüllt nun eine neue Studie. In ihr berücksichtigen die Forscher erstmals auch den Einfluss der Dreck- und Geröllschicht, die das Eis vieler asiatischen Gletscher bedeckt. Ihr Ergebnis: Geht die Erwärmung ungebremst weiter, wird der „dritte Pol“ zwei Drittel seines Eises verlieren. Gelingt es, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, schrumpfen die Berggletscher nur um ein Drittel.

Die Gletscher im Himalaya, Karakorum und anderen großen Hochgebirgsregionen Asiens sind eines der großen Eisreservoire der Erde. Rechnet man nur die größten von ihnen zusammen, sind darin fast fünf Billionen Tonnen Wassereis gespeichert. Von dem periodisch aus diesen Gebirgen freigesetzten Schmelzwasser sind in Asien fast eine Milliarde Menschen abhängig: Das Gletscherwasser sorgt während der Trockenzeit für Wassernachschub in großen Flüssen wie Indus, Ganges und Brahmaputra und versorgt damit weite Teile Asiens mit Trinkwasser und Wasser für die Landwirtschaft. Auch die Energiegewinnung durch Wasserkraft hängt in großem Maße von dem Wassernachschub aus den Gebirgen ab. Doch diese Ressource ist in Gefahr. Denn durch den Klimawandel schrumpfen auch in den Hochlagen des Himalaya und Tien-Shan bereits die Gletscher, wie Wissenschaftler festgestellt haben. Einige Dörfer in den Hochlagen Ladakhs wurden sogar schon wegen mangelndem Schmelzwasser aufgegeben.

Erwärmung, Eismassen und das Geröll

Um herauszufinden, wie sich die Gletscher in Asiens Hochgebirgen zukünftig verändern werden, haben Philip Kraaijenbrink von der Universität Utrecht und seine Kollegen dies mit einer der bisher umfassendsten Modellsimulationen untersucht. Dafür erfassten sie zunächst die aktuellen Eismassen von allen asiatischen Hochgebirgsgletschern mit mehr als 0,4 Quadratkilometern Fläche und ermittelten, wie stark sich diese Gletscherregionen heute bereits erwärmt haben. Erstmals erfassten sie zudem systematisch, wie stark die Oberfläche der einzelnen Gletscher von Geröll und Ruß bedeckt ist. Denn diese Decke kann einen entscheidenden Einfluss auf das Schmelzverhalten haben: „Eine dünne Schicht Geröll beschleunigt das Abtauen, weil sie eine niedrigere Albedo besitzt als das freiliegende Eis“, erklären die Forscher. „Ist die Schicht aber dicker als einige Zentimeter, hemmt sie das Schmelzen, weil sie das darunterliegende Eis gegen die wärmere Luft isoliert.“ Für ihre Prognosen fütterten die Wissenschaftler daher sechs verschiedene Klimamodelle sowohl mit den Daten zu Eismassen, Höhenlagen und Klima als auch mit Informationen zur Geröllbedeckung.

Die Ergebnisse: Momentan speichern die mehr als 33.000 größeren Gletscher in den Hochgebirgen Asiens 4,7 Billionen Tonnen Wassereis – mehr als ein Drittel davon liegt im Karakorum-Gebirge. Elf Prozent dieser Gletscher sind von Geröll bedeckt, besonders häufig sind davon Eisriesen im Hindukusch betroffen. Was aber passiert, wenn die globalen Mitteltemperaturen um 1,5 Grad gemessen an vorindustriellen Werten ansteigen – also um den Wert, der im Pariser Klimaabkommen als optimales Ziel definiert wurde? Wie die Simulationen ergaben, werden sich die asiatischen Berggletscher selbst unter diesen idealen, nur mit drastischem Klimaschutz erreichbaren Bedingungen überproportional stark erwärmen – um 2,1 Grad.

Ein Drittel Verlust im besten Fall, zwei Drittel im schlimmsten

Als Folge wird selbst dies einen beträchtlichen Eisverlust nach sich ziehen: „Wird das 1,5 Grad-Ziel erreicht, bleiben nur zwei Drittel der Gletscherflächen bis zum Ende dieses Jahrhunderts erhalten“, berichten Kraaijenbrink und seine Kollegen. Aber immerhin: Dies könnte ausreichen, um für einen Großteil der Bevölkerung den so wichtigen Wassernachschub zu sichern. Dabei jedoch gibt es starke regionale Unterschiede: In den Gebirgszügen des Qilian Shan im Westen Chinas und des Gissargebirges am Westrand des Pamir könnte nur noch ein Drittel der Gletscher übrigbleiben, im Karakorum-Gebirge dagegen bis zu 80 Prozent. Letzteres verdanken die Gletscher dabei in erster Linie der dicken, isolierenden Geröllschicht auf vielen Gletscherzungen, wie die Forscher berichten.

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Doch auch die Wissenschaftler räumen ein, dass es zum jetzigen Zeitpunkt sehr unwahrscheinlich ist, dass die internationale Gemeinschaft es schafft, dieses Klimaschutzziel zu erreichen. „Das 1,5 Grad-Ziel noch zu erreichen wird eine Aufgabe von beispielloser Schwierigkeit sein“, konstatieren sie. Weitaus wahrscheinlicher ist es daher, dass die asiatischen Gletscher bis 2100 deutlich mehr Eis verlieren werden. Ihren Berechnungen nach könnte bei einer mittleren Erwärmung um 3,5 Grad bereits die Hälfte der Eismasse verschwinden, bei einem ungebremsten Klimawandel würden sogar zwei Drittel des Gletschereises verloren gehen. „Die Unterschiede zwischen den Szenarien sind enorm – und sie könnten darüber entscheiden, ob wir die Gletscher auch für künftige Generationen erhalten oder ob die Mehrheit von Asiens Eisreisen bis zum Ende des Jahrhunderts verschwunden sein wird“, betonen Kraaijenbrink und seine Kollegen.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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