Wie bewegten sich die größten Landtiere aller Zeiten einst übers Land? Offenbar waren die säulenartigen Beine der Sauropoden erstaunlich drehbar, geht aus einer Analyse von versteinerten Fährten hervor. Die Giganten konnten ihre Vordergliedmaßen demnach sowohl nach vorne als auch bis zu über 90 Grad zur Seite ausrichten. Die Fußstellung hing dabei von der jeweiligen Laufgeschwindigkeit und dem Massenschwerpunkt der Tiere ab, berichten die Forscher.
Einer der bekanntesten Vertreter der Langhals-Dinosaurier trägt den bezeichnenden Namen Donnerechse – Brontosaurus. Vermutlich ließen diese Riesen und auch ihre Verwandten tatsächlich die Erde erbeben: Die größten Sauropodenarten erreichten über 30 Meter Länge und ein Gewicht von bis zu 70 Tonnen. Charakteristisch für diese Pflanzenfresser waren ein peitschenartiger Schwanz sowie ein langer Hals, an dem ein verhältnismäßig kleiner Kopf saß. Der Rumpf war hingegen riesig und ruhte auf vier säulenartigen Beinen.
Es handelte sich bei diesem Körperbauplan offenbar um ein ausgesprochenes Erfolgsmodell der Evolution, denn die Sauropoden existierten über eine enorm lange Zeitspanne hinweg: Von vor etwa 210 bis vor 66 Millionen Jahren stapften verschiedene Vertreter dieser charakteristischen Wesen über die Erde. Doch wie machten sie das eigentlich? „Wie sich diese Riesen genau fortbewegten, liegt noch im Unklaren”, sagt Jens Lallensack von der Universität Bonn. Die Gelenke in den Beinen bestanden teilweise aus Knorpelgewebe und sind deshalb nicht erhalten geblieben. Die fossilen Knochen allein lassen deshalb nur beschränkte Rückschlüsse auf den Bewegungsablauf zu, erklärt der Paläontologe.
Dem Gang buchstäblich auf der Spur
Es gibt jedoch weitere Informationsquellen: versteinerte Fußspuren. Gemeinsam mit Kollegen aus Japan und Marokko hat Lallensack nun eine besondere Spurenfundstelle am Fuß des Atlas-Gebirges in Marokko unter die Lupe genommen. Es handelt sich um eine bei der Gebirgsbildung senkrecht gestellte Fläche von 54 Metern Breite und sechs Metern Höhe. Einst sind viele Sauropoden kreuz und quer über das Areal marschiert – die Fläche ist übersät mit Fußabdrücken, die sich teilweise überlappen.
Für die Forscher bildete dieses Chaos eine knifflige Herausforderung: „Das Herausarbeiten individueller Fährten aus diesem zerstampften Durcheinander von Fußspuren war Detektivarbeit und nur durch die Analyse hochauflösender 3D-Modelle am Computer möglich”, sagt Co-Autor Oliver Wings von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. So gelang es ihnen schließlich doch, einige Fußabdrücke klar einzelnen Individuen zuzuordnen – insgesamt neun Fährten zeichneten sich ab.
Wie die Forscher berichten, ergeben die Abdrücke überraschend schmale Fährten – die rechten und linken Fußspuren liegen fast auf einer Linie. Aber vor allem die Ausrichtung der Abdrücke verblüfften die Paläontologen: Viele der Vorderfuß-Eindrücke sind nicht nach vorne gerichtet, sondern zeigen zur Seite – teilweise sogar schräg nach hinten. Offenbar konnten die Tiere demnach je nach Bedarf zwischen beiden Stellungen wechseln. Wie die Forscher erklären, ist die Fähigkeit zu solch komplizierten Bewegungen in der Tierwelt ungewöhnlich. Sie ist bei heutigen Landwirbeltieren auf Säugetiere und Chamäleons beschränkt. Bei den Sauropoden ermöglichten wahrscheinlich riesige Knorpelstrukturen in der Schulter ebenfalls eine große Flexibilität in den Gelenken, vermuten die Paläontologen.
Stellung je nach Gangart und Größe
Aber warum verdrehten die Tiere ihre Beine? „Nach außen gerichtete Vordergliedmaßen waren eigentlich der ursprüngliche Zustand der noch zweibeinig laufenden Vorfahren der Sauropoden”, erklärt Co-Autor Shinobu Ishigaki von der Okayama University of Science. So stellt sich eher die Frage, warum die Tiere ihre Vorderfüße nach vorne drehten. Aus den Untersuchungsergebnissen geht in diesem Zusammenhang hervor: Nur wenn die Tiere zügig liefen, drehten sie ihre Vordergliedmaßen nach vorne. Zu einer nach außen gerichteten Stellung neigten sie hingegen, wenn sie langsam schritten und sich der Massenschwerpunkt des Körpers weit hinten befand.
Offenbar war der Stellungswechsel auch eher für kleinere Individuen typisch, zeigten die Auswertungen: Je größer die Tiere waren, desto mehr war der Fuß nach vorne gerichtet. „Dieser Verlust an Beweglichkeit war vermutlich eine direkte Folge des Riesenwuchses”, sagt Lallensack.
Quelle: Universität Bonn, Journal of Vertebrate Paleontology, doi: 10.1080/02724634.2018.1512501