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Modell prognostiziert Lage neuer Vulkanschlote

Erde|Umwelt

Modell prognostiziert Lage neuer Vulkanschlote
Monte Nuovo
Blick auf den Monte Nuovo, den jüngsten Schlot der Phlegräischen Felder (Bild: Mauro Antonio Di Vito)

Bei einem aktiven Vulkan ist schon die Vorhersage des nächsten Ausbruchszeitpunkts eine Herausforderung. Noch schwieriger aber wird es, wenn man prognostizieren will, wo genau am Vulkan die Lava austreten wird. Doch jetzt haben Forscher ein Modell entwickelt, das genau dies leisten kann. Durch eine Kombination von geophysikalischen Parametern wie der Lage von Schwachstellen im Gestein und den Spannungsmustern mit statistischen Methoden verrät es, wo sich der nächste Vulkanschlot bilden wird. Am Beispiel der Phlegräischen Felder in Italien haben die Wissenschaftler ihr Modell getestet – mit Erfolg.

Entgegen der landläufigen Vorstellung schießen Lava und Asche bei einem Vulkanausbruch keineswegs immer aus dem zentralen Schlot eines Vulkans – im Gegenteil: Sehr häufig bahnt sich das Magma bei seinem Aufstieg von der Magmakammer einen neuen Weg und tritt dann an der Flanke des Feuerbergs aus. Manchmal können diese neuen Schlote sogar kilometerweit vom Zentrum des Vulkans entfernt liegen, wie beispielsweise im Jahr 2014 beim Ausbruch des Vulkans Bardarbunga auf Island oder beim Kilauea auf Hawaii im August 2018 zu beobachten war. Noch extremer ist dieser Hang zu dezentralen Eruptionen bei Supervulkanen, die keinen Berg bilden, sondern nach ihren Ausbrüchen große kesselartige Senken hinterlassen – die Calderen. Diese können von den Schloten späterer Ausbrüche förmlich durchlöchert sein. „Calderen sehen oft aus wie ein mit Maulwurfshügeln bedeckter Rasen“, sagt Erstautorin Eleonora Rivalta vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam.

Geophysik und Statistik kombiniert

Dieses Phänomen aber macht es extrem schwer, den genauen Ort der nächsten Eruption bei einem solchen Vulkan vorherzusagen. Hinzu kommt: „Die Eruptionen solcher Calderen sind selten und liegen zeitlich weit auseinander“, erklären Rivalta und ihr Team. Zusammen mit dem oft riesigen Ausmaß der Vulkansenken ist eine Risikoprognose daher eine echte Herausforderung für die Vulkanologie. „Bisherige Ansätze basierten auf Statistiken über die Orte vorhergegangener Eruptionen“, sagt Rivalta. Man nahm dabei an, dass vorhandene Schlote Schwachstellen im Untergrund bilden, durch die beim nächsten Mal Magma leichter aufstiegen kann. Doch Beobachtungen belegen, dass die meisten Caldera-Schlote nur bei einem Ausbruch aktiv sind und dann nicht wieder. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass neue Schlote dazu neigen, in Nachbarschaft schon vorhandener, alter Lavaaustrittsöffnungen zu entstehen.

„Das Problem ist, dass oft nur wenige Dutzend Schlote auf der Vulkanoberfläche sichtbar sind, da große Ausbrüche dazu führen können, dass vergangene Eruptionsmuster überdeckt oder verwischt werden“, sagt Rivalta. „Eine dünne Datenlage führt dann zu groben Karten mit großen Unsicherheiten.“ Um dieses Problem zu umgehen, haben sie und ihre Kollegen nun eine neue Methode für die Lageprognose von Schloten entwickelt. „Wir verwenden das aktuellste physikalische Wissen darüber, wie Magma sich unterirdisch ausbreitet, und kombinieren das mit einem statistischen Verfahren und dem Wissen über die Struktur und Geschichte des Vulkans“, erklärt die Vulkanologin. Konkret ermitteln die Forscher dafür Faktoren wie die Lage der Magmakammer, die Spannungsverteilung im Untergrund oder die Lage von vulkanischen Eruptivgängen.

Erfolgreicher Test bei den Campi Flegrei

Dieses physikalische Modell kombinieren die Wissenschaftler mit einem statischen Verfahren, der sogenannten Monte-Carlo-Simulation. „Wir stimmen die Parameter des physikalischen Modells so lange ab, bis sie mit früheren eruptiven Mustern übereinstimmen. Dann haben wir ein Arbeitsmodell und können damit zukünftige Ausbruchsstellen prognostizieren“, erläutert Rivalta. Ob das Modell dies schafft, haben sie und ihr Team mit Daten der Campi Flegrei getestet. Dieser auch als Phlegräische Felder bekannte Supervulkan bei Neapel verursachte vor 40.000 und vor 15.000 Jahren katastrophale Großeruptionen und zahlreiche kleinere Ausbrüche. Diese haben gut 70 kleinere Schlote im Calderengebiet hinterlassen. Der Supervulkan ist bis heute aktiv und könnte bei einem erneuten großen Ausbruch rund eine Million Menschen gefährden. Um die Treffsicherheit ihrer Methode zu testen, fütterten die Forscher es mit allen relevanten Daten dieses Calderavulkans, ließen aber eine entscheidende Information weg: Die Lage der letzten Eruption, die 1538 am Monte Nuevo im Nordosten der Caldera stattfand.

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Würde das Modell den Standort dieses Schlots korrekt vorhersagen? Tatsächlich gelang dies: „Für den Monte Nuovo ergab die rekonstruierte Verteilung eine Lage in einem 3,25 Kilometer-Radius, dies entspricht gut der beobachteten Entfernung des Schlots vom Zentrum der Caldera“, berichten die Forscher. Wie sie betonen, liegt der von ihrem Modell korrekt vorhergesagte Monte Nuovo in einem Gebiet, das nach früheren Prognoseansätzen als unwahrscheinlicher Standort für künftige Schlote eingestuft worden wäre. Für die Zukunft der Campi Flegrei sagt das neue Modell voraus, dass künftige Eruptionen sich am ehesten im Nordosten der Caldera ereignen werden. Die wahrscheinlichste Ausbruchszone bildet dort einen Halbring in 2,3 bis 4,5 Kilometern Entfernung vom Calderazentrum, wie die Forscher berichten.

Zumindest bei den Campi Flegrei hat sich das Modell damit als treffsicher erwiesen. Ob das auch für andere Vulkane gilt, wollen die Forscher nun mit weiteren Tests untersuchen. „Wenn unsere Methode auch bei anderen Vulkanen gut funktioniert, kann sie helfen, die Landnutzung in vulkanischen Gebieten besser zu planen und den Ort zukünftiger Eruptionen mit einer höheren Sicherheit als bisher vorherzusagen“, sagt Rivalta.

Quelle: Eleonora Rivalta (Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Potsdam) et al., Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.aau9784

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