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Rentiere als Klimahelfer

Erde|Umwelt

Rentiere als Klimahelfer
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Rentiere halten die Vegetation in der Arktis kurz – das hilft dem Klima (Foto: RelaxedPace/iStock)
Rentiere sind die prägenden Säugetiere der Arktis. In großen Herden ziehen diese Huftiere durch die Tundra. Jetzt enthüllt ein Feldexperiment: Die intensive Beweidung durch Rentiere hat einen positiven Effekt auf das lokale Klima. Weil die Rentiere dafür sorgen, dass Büsche kurz bleiben und sich nicht ausbreiten können, sind beweidete Gebiete heller und reflektieren mehr Sonnenlicht. Das senkt die Wärmeaufnahme und führt zu einem lokal messbaren Abkühlungseffekt auf das Klima.

Für die Bewohner des hohen Nordens sind sie seit jeher eine wichtige Lebensgrundlage: Schon in der Steinzeit jagten unsere Vorfahren Rentiere, aßen ihr Fleisch, verarbeiteten ihr Fell zu Decken und Kleidung und nutzten ihre Knochen als Werkzeuge. Noch heute spielt das Rentier für die Samen in Skandinavien, die Nenze in Sibirien und andere Völker des Hohen Nordens eine wichtige Rolle. Die zu den Hirschen gehörenden Huftiere ziehen häufig in großen Herden von mehreren tausend Tieren über die Tundra, um ihr Futter zu finden. Sie ernähren sich von dem in den Sommermonaten sprießenden Gras, aber auch von verholztem Gestrüpp, Moos, Flechten und Pilzen. Schon länger ist bekannt, dass die Rentiere damit eine wichtige Rolle für die Tundrenlandschaft spielen: Sie verhindern die Ausbreitung und das Großwerden von buschigen Pflanzen und halten die Flächen für Gras und Moose frei. „Die Rentiere fressen die holzigen Pflanzen und trampeln sie nieder, dass hemmt deren Verbreitung und hält die Vegetation niedrig“, erklären Mariska te Beest von der Universität von Umeå in Schweden und ihre Kollegen.

Welche Auswirkungen diese Beweidung für das lokale Klima hat, haben die Forscher nun bei Feldversuchen in Nordnorwegen untersucht. Dort läuft ein in den 1960er Jahren errichteter Zaun kilometerweit durch die Tundra. Er soll dazu dienen, die halbwilden Rentiere der Samen auf den für die Sommerbeweidung offiziell freigegebenen Flächen zu halten und das hinter dem Zaun liegende Gebiet schützen. Seit Jahrzehnten ist dadurch das Gebiet auf einer Seite des Zauns intensiv beweidet, auf der anderen Seite grasen nur ab und zu einige wilde Rentiere. Für die Wissenschaftler war dies das perfekte Gebiet, um den Effekt der Rentierbeweidung auf den Bewuchs und auf das lokale Klima zu untersuchen. Für ihre Studie führten sie an Standorten beiderseits des Zauns mehrfach wiederholt Messungen der Albedo, der Bodenfeuchte und der Temperaturen in Boden und Luft durch und kartierten die Vegetation.

Rentierweiden sind kühler

Das Ergebnis: Wie erwartet hatte die intensive Beweidung durch Rentiere die Zusammensetzung der Tundrenvegetation verändert: Auf der vor den Rentierherden geschützten Seite des Zauns dominierten Heidekraut und Büsche, darunter viele halbhohe Weiden-Bäume. Auf der intensiv beweideten Seite wuchs dagegen vorwiegend kurzes Gras, gemischt mit Moosen und Heidekraut. Diese insgesamt dünnere Pflanzendecke wirkte sich auch auf die physikalischen Eigenschaften der Landschaft aus, wie die Forscher berichten. Die Albedo der Tundra – und damit die Menge des zurückgestrahlten Sonnenlichts – war auf der beweideten
Seite deutlich höher. Das eher helle, kurze Gras reflektierte mehr Strahlung und absorbierte dadurch auch weniger Wärme. Die dunklen holzigen Zweige der Büsche im kaum beweidetet Gebiet nahmen dagegen deutlich mehr Sonnenwärme auf, wie Messungen ergaben. Als Folge waren auch die Lufttemperaturen direkt über dem Boden auf der verbuschten Seite höher.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Rentiere einen potenziell kühlenden Effekt auf das lokale Klima haben können“, sagt te Beest. Dieser Effekt erscheine auf den ersten Blick nur gering, er sei aber große genug, um die regionale Strahlungsbilanz zu beeinflussen. Den Berechnungen nach liegt der Unterschied in der eingestrahlten Wärme immerhin bei rund 4,4 Watt pro Quadratmeter. „Das ist bezogen auf die Fläche in etwa gleich viel oder sogar noch mehr als die Erwärmung der Atmosphäre durch eine Verdopplung des Kohlendioxid-Gehalts“, erklären die Forscher. Für das Klima der Arktis könnte es daher vorteilhaft sein, die Rentiere frei weiden zu lassen. Sie halten dadurch die Verbuschung der Tundra im Zaum – und das hilft wiederum, die sich ohnehin schon rapide erwärmende Arktis nicht noch zusätzlich dunkler und damit wärmeabsorbierender zu machen. Auch wenn der Klimawandel damit kaum aufzuhalten ist, könnte sich ein gutes Management der Rentierherden dennoch als wertvolles Werkzeug im Kampf gegen die Erwärmung der Arktis erweisen, so te Beest.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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