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Riesen-Moor unterm Regenwald

Erde|Umwelt

Riesen-Moor unterm Regenwald
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Auf den esten Blick ist dies normaler Regenwald. Doch darunter verbirgt sich ein Moor (Foto:Simon Lewis/ University of Leeds)
Moore sind nicht immer auf den ersten Blick erkennbar – ganz im Gegenteil, wie ein aktueller Fund beweist: Versteckt unter dem Dschungel des Kongobeckens haben Forscher nun das wahrscheinlich größte tropische Moor der Welt entdeckt. Es erstreckt sich über fast 150.000 Quadratkilometer – das ist mehr als die Fläche Englands. In der Torfschicht des Untergrunds ist mehr Kohlenstoff gespeichert als in der gesamten Baummasse des Kongobeckens, wie die Wissenschaftler berichten.

Typischerweise bilden sich Torfmoore in einem Feuchtgebiet, wenn aufgrund chemischer oder klimatischer Bedingungen das Pflanzenmaterial nicht verrottet. Statt zu Humus und damit Boden zu werden, sorgen die ständige Wasserbedeckung und der damit einhergehende Sauerstoffmangel dafür, dass die Pflanzenreste zu Torf werden. Weil die Pflanzenreste in ihm lange nahezu unverändert überdauern, wird ihr Kohlenstoff nicht freigesetzt. Insgesamt bedecken Moore und Torfgebiete daher zwar nur rund drei Prozent der weltweiten Landoberfläche, in ihnen ist aber rund 30 Prozent des gesamten in Böden enthaltenen Kohlenstoffs gespeichert. „Der meiste Torf findet sich in kühleren Regionen, wo die Zersetzung insgesamt langsamer verläuft, aber es gibt auch Torfgebiete unter einigen tropischen Sumpfwäldern“, erklären Greta Dargie von der University of Leeds und ihre Kollegen. Solche tropischen Moore finden sich unter anderem im Amazonasgebiet und in Indonesien. Auch aus dem Kongobecken gab es schon in den 1950er Jahre anekdotische Berichte über Torffunde, wie die Forscher berichten. Doch deren Herkunft und die Ausdehnung der möglichen Vorkommen wurden nicht näher untersucht.

Enorme Ausdehnung

Dargie und ihre Kollegen haben nun in der zentralen Senke des Kongobeckens, der sogenannten Cuvette Centrale, nach Hinweisen auf Torf und ein tropisches Moor gesucht.  In dieser Senke liegt das zweitgrößte Feuchtgebiet der Tropen, die Bäume des Regenwalds stehen in vielen Teilen das ganze Jahr hindurch im Wasser. Für ihre Studie entnahmen die Forscher an mehreren Stellen des ausgedehnten Feuchtgebiets Bohrproben aus dem nassen Untergrund. Dabei stießen sie zu ihrer eigenen Überraschung überall auf Torf. Die Torfschicht war durchschnittlich 2,40 Meter dick, an einigen Stellen reichte sie sogar 5,90 Meter in die Tiefe. Radiokarbon-Datierungen ergaben, dass sich unter dem überschwemmten Sumpfwald schon seit rund 10.600 Jahren Torf bildet – also während fast des gesamten Holozäns. Das sich in der Senke stauende Wasser und die ergiebigen Niederschläge in dieser Region sorgen offenbar dafür, dass der Boden ständig mit Wasser bedeckt ist und sich daher Torf statt Humus bildet, wie die Wissenschaftler berichten.

Die spannende Frage aber war nun, wie ausgedehnt dieses tropische Moor im Kongobecken ist. Um dies zu klären, untersuchten Dargie und ihre Kollegen zunächst, unter welchen Baumarten und Dschungeltypen ihre Torffunde lagen. Dadurch konnten sie zwei Dschungeltypen identifizieren, die offenbar eng mit dem unter ihnen liegenden Torfmoor assoziiert sind. Auf Basis dieses Wissens werteten die Forscher dann Fernerkundungsdaten von Satelliten aus und suchten gezielt nach diesen Baumgesellschaften im Kongobecken. Das überraschende Ergebnis: Die Moore machen rund 40 Prozent der Cuvette Centrale aus und knapp zehn Prozent des gesamten Kongobeckens. Insgesamt umfasst das Moorgebiet 145.000 Quadratkilometer – das ist mehr als die Fläche Englands. „Das ist eine kolossale Größe“ sagt Koautor Simon Lewis von der University of Leeds. „Es handelt sich hier um das größte zusammenhängende Moorgebiet der Tropen.“ Dass ein so riesiges Moor bisher verborgen bleiben konnte, sei absolut erstaunlich.

Weitgehend unberührt – noch

Rekordverdächtig ist aber nicht nur die schiere Größe des neuentdeckten Moores, sondern auch seine Bedeutung für den globalen Kohlenstoff-Haushalt. Wie die Forscher ausrechneten, sind im Torf des Cuvette Centrale Moores 30,6 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert.  „Das entspricht den Kohlendioxidemissionen der USA in den letzten 20 Jahren“, verdeutlicht Lewis. „Dieses Moorgebiet enthält fast ein Drittel des gesamten in tropischen Mooren gespeicherten Kohlenstoffs.“ Noch sind diese Speicher weitgehend unangetastet und der Kohlenstoff bleibt dem Kohlenstoffkreislauf und damit auch der Atmosphäre entzogen. Doch das kann sich schnell ändern: „Moore sind nur dann ein Puffer im Kampf gegen den Klimawandel, wenn sie intakt bleiben“, sagt Lewis. „Wenn der Moorkomplex im Kongobecken aber zerstört wird, könnte dies Milliarden Tonnen CO2 in unsere Atmosphäre freisetzen.“

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Bisher sorgte die unzugängliche Lage dafür, dass das riesige Feuchtgebiet im Kongobecken relativ naturbelassen geblieben ist. Durch einen Nationalpark oder ähnliches geschützt ist diese Dschungelregion aber nicht. Die Forscher sehen daher vor allem zwei große Gefahren für das tropische Moor der Cuvette Centrale: Die steigende Nachfrage nach Ackerland und Flächen für Palmölplantagen könnte dazu führen, dass Teile des Feuchtgebiets trockengelegt werden – ähnlich wie es in den Moorgebieten Südostasiens zurzeit geschieht. Die zweite Bedrohung ist der Klimawandel: Wenn sich durch die zunehmende Erwärmung die Verdunstung erhöht und die Niederschläge sinken, dann könnte das Moorgebiet im Kongo von alleine austrocknen und dann gewaltige Mengen Kohlendioxid freisetzen. Der Schutz und der Erhalt dieses gerade erst neu entdeckten tropischen Moors sei daher enorm wichtig, betonen die Forscher.

„Diese Sumpfwälder haben eine immense Bedeutung für unser Klima“, kommentiert Emma Stokes von der Wildlife Conservation Society. „Gleichzeitig bilden sie ein überlebenswichtiges Refugium für viele tausend Menschenaffen, Elefanten und andere große Waldtiere im Herzen Afrikas.“ Immerhin könnten bald erste Schritte unternommen werden, um dieses Refugium zu erhalten: Die Regierung der Demokratischen Republik Kongo erwägt, das an das Moor angrenzende Lac Tele-Schutzgebiet auszuweiten, wie Stokes berichtet. Das könnte zumindest 50.000 Quadratkilometer Sumpfwald vor der Zerstörung bewahren.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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