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Rüsseltier-Migration im genetischen Spiegel

Erde|Umwelt

Rüsseltier-Migration im genetischen Spiegel
Das Mastodon besaß einst eine erstaunlich weite Verbreitung in Nordamerika. (Bild: D. Finnin/ © AMNH)

Heute breiten sich im Zuge des Klimawandels Biber, Elch und Co immer weiter nach Norden aus. Ähnlich wanderte offenbar auch das Mastodon während Klimaerwärmungen der Vergangenheit in zuvor eisige Bereiche Nordamerikas ein. Hinweise auf diese wiederholten Ausbreitungen haben Analyseergebnisse von fossiler DNA der Rüsseltiere geliefert. Dabei zeichnete sich auch ab, dass die arktischen Mastodon-Populationen eine vergleichsweise geringe genetische Vielfalt aufwiesen, was als ein Risikofaktor für das langfristige Überleben einer Art gilt. Ähnliche Entwicklungen könnte es auch bei der Ausbreitung von Tierpopulationen im Rahmen des heutigen Klimawandels geben, sagen die Wissenschaftler.

Im Norden wird es milder, im Süden wird es dafür heißer und trockener: In einigen Regionen der Erde verschiebt der menschengemachte Klimawandel die Bedingungen besonders schnell und deutlich. Es zeichnet sich bereits ab, dass einige Tierarten folgen – es gibt Rückzug, aber auch Vormarsch. Vor allem Richtung Norden können sich einige Arten ausbreiten, da dort im Zuge der Erwärmung neue Lebensmöglichkeiten für sie entstehen. „Tiere wie Elch und Biber dehnen ihre Verbreitungsgebiete momentan um zehn bis hunderte Kilometer pro Jahrhundert aus“, sagt Emil Karpinksi von der McMaster University in Hamilton.

Er und seine Kollegen haben sich nun mit einem Tier beschäftigt, das allerdings schon vor rund 11.000 Jahren die Bühne des Lebens verlassen hat. Im Zeitalter des Pleistozäns, das vor 2,5 Millionen begann, war das Amerikanische Mastodon neben dem Mammut ein weitverbreiteter Vertreter der Rüsseltiere in Nordamerika. Die bis zu neun Tonnen schweren Riesen ernährten sich im Gegensatz zum grasenden Mammut eher von Baum- und Buschvegetation. Sie überlebten erfolgreich die Klimakapriolen des Pleistozäns, die vor allem in den letzten 800.000 Jahren die Erde prägten. Dabei wurden die vorherrschenden Gletscherperioden von Warmphasen unterbrochen, in denen sich die Eisschilde stark zurückzogen. Warum das Mastodon vor rund 11.000 Jahren gemeinsam mit anderen Vertretern der eiszeitlichen Megafauna ausstarb, ist unklar. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass sie der Kombination aus klimatischen Veränderungen und der starken Bejagung durch den eingewanderten Menschen erlagen.

Klima-getriebener Rückzug und Vormarsch

Wie Karpinksi und seine Kollegen berichten, ist ein interessanter Aspekt beim Mastodon seine offenbar einst erstaunlich weite Verbreitung von Nord nach Süd: Überreste dieser Tiere wurden in Zentralmexiko entdeckt, aber auch im heutigen Alaska und dem Yukon. Es war allerdings bisher unklar, wann sie in diesen Bereichen vorkamen und welche Ausbreitungswellen es im Rahmen der Klima-Fluktuationen gegeben haben könnte. Zudem war bisher im Gegensatz zum Mammut wenig über das Erbgut des Mastodons bekannt. Um neue Einblicke zu gewinnen, haben Karpinski und seine Kollegen Proben von fossilen Knochen und Zähnen von 35 Mastodonten aus verschiedenen Bereichen ihres einstigen Verbreitungsgebiets Erbgut entlockt. Es gelang ihnen schließlich, die kompletten mitochondrialen Genome der Exemplare zu sequenzieren.

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Wie die Forscher berichten, zeichneten sich in den genetischen Vergleichen fünf unterschiedliche Abstammungslinien bei den Mastodonten ab. Darunter waren zwei verschiedene bei den Tieren des hohen Nordens, die einst im Bereich der Landverbindung zwischen Sibirien und Alaska gelebt haben. Aus bestimmten Hinweisen im Erbgut waren auch Rückschlüsse darauf möglich, wann diese Linien entstanden sind. Demnach lebten die beiden Gruppen der Nord-Mastodonten nicht parallel, sondern entstammten zwei unterschiedlichen Ausbreitungsereignissen im Rahmen von verschiedenen Warmphasen. Dieses Ergebnis legt somit nahe, dass die Mastodonten vermutlich mehrmals aus ihren südlichen Verbreitungsgebieten in den Norden einwanderten, als sich dort für sie Lebensmöglichkeiten durch die Ausbreitung von Wald- und Buschlandschaften boten. „Die Daten lasen vermuten, dass es Hin- und Herbewegungen gab“, sagt Co-Autor Hendrik Poinar.

Geringe Vielfalt bei den Nord-Pionieren

Die genetischen Analysen der „Pionier“-Populationen, die es in den Norden geschafft haben, offenbarten zudem einen weiteren interessanten Aspekt: Die genetische Vielfalt dieser Tiere war im Vergleich zu den Populationen in den angestammten südlichen Verbreitungsgebieten des Mastodons sehr gering. „Das ist immer ein Gefahrensignal für Tierarten“, sagt Co-Autor Grant Zazula vom Canadian Museum of Nature in Ottawa. „Wenn Tiergruppen die genetische Vielfalt verlieren, büßen sie Fähigkeiten ein, sich auf Veränderungen der Bedingungen einstellen zu können. In diesem Fall waren die Pionier-Mastodonten offenbar nicht anpassungsfähig genug, um sich im Norden zu halten, als es wieder kälter wurde“, so der Paläontologe.

Den Forschern zufolge können Informationen über die Reaktionen von ausgestorbenen Tierarten auch Licht auf die Entwicklungen im Rahmen des heutigen Klimawandels werfen. So könnte es etwa sein, dass Populationsexpansionen nach Norden heute ähnlich wie damals bei den Mastodonten aus einer kleinen Teilmenge einer Art hervorgehen. Dies könnte sie am Ende verwundbar machen, wenn die genetisch vielfältigeren südlichen Populationen verloren gehen. „Studien wie die unsrige können Hinweise darauf liefern, wie arktische Ökosysteme auf zukünftige Erwärmungsszenarien reagieren werden“, sagt Zazula abschließend.

Quelle: McMaster University, American Museum of Natural History, Fachartikel: Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-020-17893-z

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