Glasfaserkabel bilden das Rückgrat der modernen Telekommunikation, über sie verläuft heute ein Großteil der Datenübertragungen. Doch diese Leitungen könnten künftig auch für Geowissenschaftler zu nützlichen Werkzeugen werden. Denn die Glasfasern lassen sich auch als sensible Erdbebensensoren nutzen, wie ein Pilotversuch auf Island belegt. Durch Analyse der Lichtsignale in einer dortigen Datenleitung gelang es den Forschern, Bewegungen im Untergrund und die Struktur der geologischen Verwerfung genauer abzubilden als mit einem Netzwerk von Seismometern.
Ob die Vorboten eines Erdbebens, die schleichende Verformung eines Vulkanhangs oder die Erschütterungen durch Brüche im Gestein: All dies versuchen Seismologen bisher vor allem durch Netzwerke von Seismometern zu detektieren. Dabei werden diese Bewegungssensoren in gefährdeten Gebieten installiert und zeichnen dann jede Erschütterung des Untergrunds auf. Doch solche Seismometer sind teuer und die Messnetze daher bisher dünn gesät. Schon länger suchen Forscher daher nach günstigeren und einfacheren Methoden. Eine Idee dafür: die Nutzung von Glasfaserkabeln. Denn diese Datenleitungen für die Telekommunikation bilden längst ein dichtes Netz, das sich kreuz und quer über den Globus zieht – und fast täglich kommen neue hinzu. Ein weiterer Vorteil: Die Kabel liegen im Untergrund – und damit dort, wo sich Erdbeben und andere Erschütterungen manifestieren.
Pilotversuch auf Island
Wie gut sich bestehenden Glasfaserkabel-Verbindungen als seismologische Sensoren eignen und nutzen lassen, haben nun Philippe Jousset vom Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam und seine Kollegen in einem praktischen Test ausprobiert. Bekannt war bereits, dass sich die optischen Eigenschaften solcher Leitungen verändern, wenn sie beispielsweise durch eine Erdbebenwelle gestaucht und gedehnt werden. „Um diese Veränderungen zu messen, sendet man ein gepulstes Lasersignal durch die Glasfaser und misst, wie stark dieses gestreut wird“, erklären die Forscher. Aus diesen Werten lässt sich dann die Längenveränderung der Leitung und damit die Untergrundbewegung errechnen. Zwar ist eine solche Verwendung von Glasfaserkabeln als Sensoren nicht neu, sie werden seit Jahren in Bohrlöchern zur Überwachung der Ölexploration eingesetzt. Doch wie gut sie sich als Erdbebensensoren eignen, war bisher unklar.
Deshalb haben Jousset und seine Kollegen das Prinzip bei einem Pilotversuch auf Island ausprobiert. Sie nutzen dafür ein Glasfaserkabel, das 1994 auf der isländischen Reykjanes-Halbinsel verlegt wurde und seither Teil des dortigen Telekommunikationsnetzwerkes ist. Die Datenleitung überquert eine bereits bekannte geologische Bruchzone an der Nahtstelle zweier Kontinentalplatten. Für den Test schickten die Forscher Laser-Lichtpulse durch einen 15 Kilometer langen Glasfaserstrang innerhalb dieses Leitungsbündels und analysierten die ankommenden Lichtwellen. Sie sind damit die ersten weltweit, die seismologische Messungen mittels Glasfaser und über solch weite Entfernungen vornahmen. Zusätzlich hatte das internationale Team ein dichtes Netzwerk von Seismographen installiert, um die Daten miteinander abzugleichen.
Überraschend präzise und detailliert
Die Resultate überraschten selbst die Fachleute: „Unsere Messungen per Glasfaserkabel bildeten den Untergrund weitaus genauer als je zuvor ab“, berichtet Jousset. „Sie lieferten Signale von Punkten alle vier Meter – so dicht ist kein Netzwerk von Seismographen.“ Der Lichtleitersensor zeichnete die kleineren Erdbeben auf, die auf Island häufig vorkommen, aber auch Erschütterungen des Meeresbodens und Wellen, die von weit entfernten Beben stammten. Sogar langsame Bodenverformungen, die mehrere Minuten andauern, zeichneten diese kilometerlange „Messkette“ auf. Aus diesen seismologischen Daten gelang es den Forschern, die bereits bekannte geologische Störung mit höherer Genauigkeit als bisher abzubilden. Sie fanden darüber hinaus Hinweise auf eine weitere, bisher unbekannte Bruchzone im Untergrund.
Nach Ansicht der Wissenschaftler sind solche Glasfaser-Sensoren damit eine gut geeignete und günstige Methode, um Erdbeben und andere Bodenbewegungen genauer und umfassender als bisher zu erfassen. Denn insbesondere unter großen Städten gibt es bereits viele Kabel, die man für Messungen nutzen könnte. „Angesichts der Erdbebengefahr, die es in zahlreichen Ballungsräumen wie San Francisco, Mexico City, Tokio oder Istanbul und vielen anderen gibt, stellt unsere Methode eine kostengünstige und flächendeckende Ergänzung zu bestehenden Erdbebenmessgeräten dar“, sagt Charlotte Krawczyk vom GFZ. Weitere Untersuchungen sollen nun zeigen, ob man auch Tiefseekabel für solche Messungen nutzen kann. Die Forscher hoffen, dass man dann damit nicht nur Seebeben und Bewegungen der Kontinentalplatten erfassen kann, sondern auch Daten zu Änderungen des Wasserdrucks gewinnen. Damit würde dann neben der Seismologie zusätzlich die Ozeanographie von dem Verfahren profitieren.
Quelle: Philippe Jousset (Deutsches GeoForschungsZentrum, Potsdam), Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-018-04860-y