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Sind Haushunde doch Europäer?

Erde|Umwelt

Sind Haushunde doch Europäer?
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5000 Jahre alter Hundeschädel aus Deutschland (Foto: Amelie Scheu)
Der Hund begleitet uns Menschen schon seit Jahrtausenden. Doch wo und wann unsere Vorfahren begannen, Wölfe zu domestizieren, ist heftig umstritten. Jetzt liefert eine vergleichende Genstudie weitere Einblicke – und wirft neue Fragen auf. Denn sie widerspricht der Annahme, dass der Haushund zweimal unabhängig voneinander in Ostasien und in Europa entstand. Sie zeigt aber auch, dass die Geschichte unseres vierbeinigen Begleiters mindestens ebenso komplex ist wie die unserer eigenen Vorfahren.

Der Hund entstand aus dem Wolf – so viel ist heute klar. Aber wo und wann unsere Vorfahren mit der Domestikation des Canis lupus begannen, darüber gibt es noch immer widerstreitende Hypothesen. Einer Theorie nach fand diese Domestikation zuerst in Südostasien statt – DNA-Vergleiche des Y-Chromosoms von Hunden stützten diese Annahme. Zwei Jahre später jedoch sprach eine Analyse der mitochondrialen DNA – eines nur über die mütterliche Linie weitergegebenen Erbguts – für einen europäischen Ursprung des Haushunds. Dies würde auch zu der Tatsache passen, dass die ältesten Hundefossilien auf diesem Kontinent gefunden wurden. 2016 sorgte dann eine weitere Analyse vollends für Verwirrung: Der Vergleich der mitochondrialen DNA von 59 Hundefossilien ergab, dass der Hund möglicherweise zweimal unabhängig voneinander domestiziert wurde – einmal in Ostasien und einmal in Europa. Gleichzeitig fanden die Forscher Hinweise darauf, dass am Übergang zur Jungsteinzeit so viele asiatische Hunde nach Europa gelangten, dass sie die heimischen Genvarianten fast völlig verdrängten. Als Beleg dafür diente unter anderem ein 5.000 Jahre altes Hundefossil aus dem irischen Newgrange.

Kontinuität statt Populations-Austausch

Um mehr Klarheit zu schaffen, haben nun Laura Botigue von der Stony Brook University in New York und ihre Kollegen erneut einen umfassenden Genvergleich fossiler und heutiger Hunde durchgeführt. Sie analysierten dafür sowohl die komplette Kern-DNA als auch die mitochondriale DNA von zwei in Deutschland gefundenen Hundefossilien. Diese stammen aus der Zeit vor 7000 und vor 4700 Jahren und damit genau aus der Periode, in der die europäische Hundepopulation durch den Einstrom asiatischer Artgenossen fast ausgetauscht worden sein soll. Dieses Erbgut verglichen sie mit dem Hund von Newgrange, einem 14.700 Jahre alten Hundekiefer aus Bonn und 5.649 modernen Hunde- und Wolfsvarianten aus ganz Asien, Nordafrika und Europa.

Das Ergebnis: Sowohl der altsteinzeitliche Hund als auch die drei jungsteinzeitlichen Tiere sind einander und auch den heutigen Hunden genetisch sehr ähnlich. “Dies spricht gegen die Hypothese eines großen Austauschs der europäischen Populationen durch Hunde aus Ostasien”, konstatieren Botigue und ihre Kollegen. “Stattdessen finden wir starke Belege für eine genetische Kontinuität vom Paläolithikum in das Neolithikum und in Maßen sogar bis in die Gegenwart hinein.” Die meisten heutigen Hunde gehen daher auf Vorfahren zurück, die schon vor mehr als zehntausend Jahren in Europa lebten. “Wenn es daher überhaupt eine größere Umwälzung der Populationen gab, dann muss sich diese lange vor der Jungsteinzeit ereignet haben”, so die Forscher. Ihren Gendaten nach liegt die genetische Trennung von europäischen und ostasiatischen Hundelinien schon 17.500 bis 23.900 Jahre zurück.

“So komplex wie die Geschichte ihrer Menschen”

Botigue und ihre Kollegen fanden jedoch auch Spuren asiatischer Einflüsse im Erbgut des jüngsten fossilen Hundes und einiger heutiger Rassen. “Wir vermuten, dass diese Genkomponente von den Hunden stammt, die in der späten Jungsteinzeit und frühen Bronzezeit mit den Steppennomaden aus dem Osten nach Europa kamen”, so die Forscher. Damals brachte die Einwanderung der Jamnaja und anderer Angehöriger von Steppenkulturen neue kulturelle Impulse nach Europa, durch die unter anderem die Bandkeramik-Kultur entstand. Die dabei offenbar mitgebrachten Hunde waren jedoch nicht so zahlreich und dominant, dass sie die europäischen Stammeslinien komplett verdrängten, wie die Wissenschaftler betonen.

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Die Gendaten tragen auch dazu bei, den Zeitpunkt der ersten Domestikation des Hundes näher einzugrenzen. “Unsere Ergebnisse liefern Eckdaten zwischen 20.00 und 40.000 Jahren vor heute”, so Botique und ihre Kollegen. Wo allerdings dieser entscheidende Schritt vom Wolf zum Hund stattfand – ob im Nahen Osten, in Europa oder irgendwo in Asien, kann leider auch ihre Studie nicht abschließend klären. “Unsere Gendaten sind weder alt genug noch haben sie eine ausreichend weite geografische Verteilung, um diese Debatte zu klären”, sagen die Forscher. “Unsere Funde unterstreichen jedoch, dass die Geschichte der domestizierten Hunde mindestens so komplex ist wie die der Menschen, mit denen sie einst lebten.”

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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