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Stau auf der Luftmassen-Autobahn

Erde|Umwelt

Stau auf der Luftmassen-Autobahn
Jetstream
Der polare Jestream ist für das Wetter der Nordhalbkugel wichtig (Grafik: NASA/GSFC)

Die rasenden Winde des Jetstreams sind für unser Wetter entscheidend. Denn wenn diese wellenförmige Luftströmung stockt, kann dies extreme Hitzewellen, Stürme oder Starkregen bringen. Warum solche Jetstream-Blockaden auftreten, könnten nun zwei US-Forscher aufgeklärt haben. Sie stellten fest: Mathematisch-physikalisch geschieht über unseren Köpfen das gleiche wie in einem Verkehrsstau. Wird die Kapazität der Wind-Autobahn überschritten, stockt die Welle – und eine Jetstream-Blockade ist die Folge.

Rund zehn Kilometer über der Erdoberfläche rasen in unseren Breiten starke Winde rund um den Globus. Diese „Autobahn“ der Winde ist der Jetstream. Er entsteht, weil hoch über unseren Köpfen kalte Luft aus den Nordpolarregionen auf warme Luft aus den Tropen trifft. Diese Luftmassengrenze erzeugt nicht nur den Jetstream, sie lässt ihn auch in großen, langsam um den Planeten schwingenden Wellen mäandrieren. Diese sogenannten Rossby-Wellen sind für das Wetter der mittleren Breiten prägend: Schwingt eine über uns liegende Wellen nach Norden, saugt sie warme Luft nach Europa, Russland oder den USA. Schwingt die Welle nach Süden, geschieht das gleiche mit kalter Luft aus der Arktis. Soweit, so normal.

Wenn die Welle stockt

Doch in den letzten Jahrzehnten kommt es immer häufiger zu einer Störung im Schwingen des Jetstreams: Die Amplitude der Wellen wird größer und statt sich allmählich weiterzubewegen, bleibt ein Wellenbogen manchmal über einer Region hängen. „Eine solche Blockade kann ein paar Tage, aber auch Wochen anhalten und bringt in den mittleren Breiten oft unnormales, extremes Wetter mit sich“, erklären Noboru Nakamura und Clare Huang von der University of Chicago. Während der Blockade gelangt tropische Luft nicht nur weiter nach Norden als üblich, dieser Hitzeeinstrom hält auch länger an. Die Folge sind extreme Hitzewellen, wie beispielsweise 2003 in Mitteleuropa, eine solche Jetstream-Blockade kann aber auch Stürme auf ungewöhnliche Bahnen umleiten, wie 2012 beim „Supersturm“ Sandy der Fall.

Das Problem: Wie und warum der Jetstream bei solchen Blockaden gestört wird, ist bisher nur in Teilen klar. Forscher vermuten zwar, dass der Klimawandel und die dadurch veränderten Temperaturverhältnisse eine Rolle spielen. Die beteiligten Mechanismen aber sind weitgehend unbekannt. „Weil es keine überzeugende Theorie darüber gab, wie sich die Blockaden bilden, war es auch extrem schwer, solche Ereignisse vorherzusagen“, erklärt Nakamura. Um dieses Problem zu lösen, haben er und seine Kollegin versucht, die Vorgänge im Jetstream mit mathematischen Gleichungen zu beschreiben.

Wie beim Verkehrsstau

Dabei fiel den Forschern etwas Überraschendes auf: Die von ihnen für die Jetstream-Blockaden erstellte Gleichung ähnelte verblüffend derjenigen, mit der Verkehrsexperten die Bildung von Staus vorhersagen und beschreiben. „Wie sich zeigt, besitzt auch der Jetstream eine Kapazität für ‚Wetterverkehr‘, ganz ähnlich wie eine Autobahn nur eine bestimmte Kapazität für Fahrzeuge hat“, erklärt Huang. „Wenn diese Kapazität überschritten wird, kommt es im Jetstream zu einem Stau der Luftmassen – und das äußert sich in Form der Blockade.“ Die Forscher vermuten, dass dieser Zusammenhang den Einfluss des Klimawandels auf die Blockaden erklären könnte: „Der Klimawandel verschiebt wahrscheinlich die Luftströmungen des Jetstreams nahe an dessen Kapazitätsgrenze“, mutmaßen Nakamura und Huang. „Das könnte die Frequenz der Blockadeereignisse erhöhen.“

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Noch muss sich erst erweisen, ob die Gleichung der beiden Forscher tatsächlich die Essenz der komplexen Vorgänge hoch über unseren Köpfen erfasst. Doch sollte sich das bestätigen, dann gäbe es künftig eine relativ einfache Formel und Theorie, die das Auftreten von Jetstream-Blockaden beschreibt. Das könnte auch die Vorhersage solcher Ereignisse künftig erleichtern. „Es ist sehr schwer, etwas vorherzusagen, wenn man noch nicht verstanden hat, warum es geschieht“, sagt Nakamura. Unser mechanistisches Modell könnte daher hierfür sehr hilfreich sein.“

Noboru Nakamura und Clare Huang (University of Chicago), Science, doi: 10.1126/science.aat0721

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