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Staub der Industrialisierung reichte bis zum Himalaya

Erde|Umwelt

Staub der Industrialisierung reichte bis zum Himalaya
Himalaya
Blick über die Gipfel des zentralen Himalaya. (Bild: Bim/ iSTock)

Der Mensch hat längst seine Spuren in nahezu allen Regionen der Erde hinterlassen – sogar auf den höchsten Berggipfeln. Jetzt zeigt ein Eisbohrkern aus dem Himalaya, dass sich der Staub und die Abgase der Industrialisierung schon vor mehr als 200 Jahren auf dem „Dach der Welt“ ablagerten. Denn schon ab 1780 zeigt sich im Eis des Dasuopu-Gletschers ein deutlicher Anstieg von Schwermetallen wie Cadmium, Chrom, Nickel oder Zink. Die Forscher führen dies zum großen Teil auf den Eintrag von Abgasen und Staub aus der Kohleverbrennung in England zurück. Mit winterlichen Westwinden wurden diese Emissionen über tausende Kilometer weit bis in den Himalaya geweht.

Ende des 18. Jahrhunderts bahnte sich von England ausgehend eine technische Revolution an: Mit der Kohleverbrennung und den damit angetriebenen Dampfmaschinen begann die Ära der Industrialisierung. „Sie ist ein wichtiger Meilenstein, wenn es um den menschlichen Einfluss auf das globale Klimasystem geht“, sagen Paolo Gabrielli von der Ohio State University und seine Kollegen. Ab 1780 dominierte die Kohlenutzung vor allem in England, bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich die damit verknüpften Technologie auch in weiten Teilen des restlichen Europa ausgebreitet. Parallel dazu stieg auch die Bevölkerungsdichte in vielen Regionen der Erde und damit verbunden nahmen Brandrodungen und Landwirtschaft zu. „Vor allem Eisbohrkernen liefern uns deutliche Belege für vergangene Luftverschmutzung, die mit den anthropogenen Aktivitäten der Zivilisationen auf verschiedenen Kontinenten verknüpft sind „, erklären die Forscher. So haben die Bergbautätigkeiten der spanischen Eroberer Spuren im Eis der Andengletscher hinterlassen und schon die römische Ära zeigt sich im Eis der Alpen.

Schwermetall-Ablagerungen ab 1780

Doch wie weit diese Spuren der menschlichen Aktivitäten reichten und wann sich welche Emissionen niederschlugen, ist bislang nur lückenhaft bekannt. Deshalb haben Gabrielli und sein Team nun nach Belegen in einer besonders entlegenen Gegend gesucht: auf dem 7200 Meter hoch gelegenen Dasuopu-Gletscher im zentralen Himalaya. Dort wurde im Jahr 1997 ein Eisbohrkern aus dem Gletscher gewonnen, der bis heute das höchstgelegene Klimaarchiv dieser Art darstellt. „Deshalb ist dieser Standort gut geeignet, um nicht nur atmosphärische Verunreinigungen regionaler Herkunft zu konservieren, sondern auch weit verfrachte Chemikalien aus der gesamten Nordhalbkugel“, erklären die Forscher. Hinzu kommt, dass die klar abgegrenzten Jahresschichten des Dasuopu-Gletschers eine besonders feine zeitliche Auflösung ermöglichen. Für ihre Studie haben die Wissenschaftler daher die verschiedenen Schichten des Eisbohrkerns aus dem Dasuopu auf den Gehalt von 23 verschiedenen Spurenmetallen hin untersucht. Das Eis stammte aus dem Zeitraum von 1499 bis 1992.

Die Analysen ergaben, dass die Gehalte mehrerer Schwermetalle im Eis des Himalaya-Gletschers etwa ab dem Jahr 1780 deutlich anstiegen. Unter den detektierten Schadstoffen waren vor allem Cadmium, Chrom, Molybdän, Antimon, Nickel und Zink stark vertreten, wie die Forscher berichten. Weil diese Schwermetalle typischerweise bei der Verbrennung von Kohle entstehen und diese fossilen Brennstoffe damals in Asien noch nicht genutzt wurden, sehen sie einen klaren Zusammenhang mit dem Beginn der Industrialisierung in Europa. Aus ergänzenden Analysen von Wetterdaten schließen Gabrielli und sein Team zudem, dass Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts ein Klima herrschte, das winterliche Westwinde und starke Schneefälle begünstigte. Mit dieser atmosphärischen Westströmung gelangten wahrscheinlich auch Schwermetalle, Ruß und Ascheteilchen aus Europa bis in den Himalaya.

Auch Brandrodungen hinterließen Spuren

Doch die Kohle-Emissionen der beginnenden Industrialisierung waren wahrscheinlich nicht die einzige Quelle der bis in den Himalaya getragenen Luftverschmutzung. Aus der Zusammensetzung der im Eisbohrkern gefundenen Spurenmetalle und vor allem den erhöhten Zinkwerten schließen die Wissenschaftler, dass auch die Verbrennung von Biomasse in Form von Waldbränden zu den abgelagerten Emissionen beigetragen haben könnte. Auch wenn allein aus den Ablagerungen nicht ersichtlich ist, ob die Brände natürlichen oder anthropogenen Ursprungs waren, vermuten sie, dass im 19. Jahrhundert vor allem die Brandrodung zum Gewinn neuer landwirtschaftlicher Flächen die Quelle dieser Luftverschmutzung war. „Damals wuchs parallel zur industriellen Revolution auch die Bevölkerung stark an“, erklärt Gabrielli. „Dadurch gab es einen größeren Bedarf für Anbauflächen – und typischerweise bekam man die, indem man Wälder niederbrannte.“

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Zusammenfassend bestätigt diese Studie, dass der Mensch schon vor gut 200 Jahren deutliche Spuren auch in der Atmosphäre der Erde hinterließ. Die Emissionen seiner Aktivitäten – von der Kohleverbrennung und den ersten Industrien bis zur Brandrodung – waren so weitreichend, dass sie sich in Phasen entsprechend günstiger Windströmungen selbst in so entfernten Regionen wie dem Himalaya niederschlugen.

Quelle: Paolo Gabrielli (Ohio State University, Columbus) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.1910485117

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