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Tier & Mensch im Bann einer Transformation

Erdgeschichte

Tier & Mensch im Bann einer Transformation
Künstlerische Darstellung einer südostasiatischen Savanne des mittleren Pleistozäns. Zu sehen sind Homo erectus, ein Stegodon, Hyänen und asiatische Nashörner. (Bild: Peter Schouten)

Heute prägt üppige Tropenvegetation Südostasien, doch in einer Phase des Pleistozäns erstreckten sich dort ausgedehnte Savannen, dokumentiert eine Studie. Die entsprechende Transformation von Regenwäldern zu Savannen und wieder zurück hat das Schicksal der Tiere und Menschenformen in der Region stark beeinflusst, sagen die Wissenschaftler. Vor allem das Verschwinden des Graslands vor etwa 100.000 Jahren führte demnach zum Aussterben von Großtieren und wahrscheinlich auch von frühen Vertretern der Hominini. Möglicherweise kam nur Homo sapiens mit dem Leben im Urwald gut zurecht.

Wir leben heute im Holozän, doch die Wurzeln unserer Spezies liegen im Pleistozän. Es handelt sich dabei um den Zeitabschnitt in der Erdgeschichte, der vor etwa 2,6 Millionen Jahren begann und vor etwa 12.000 Jahren endete. Diese Ära war geprägt von einem Wechsel aus Kalt- und Warmzeiten. In den frostigen Phasen waren große Teile des Nordens von dickem Eis beziehungsweise von kalten Steppenlandschaften bedeckt, in denen Mammut und Co grasten. Doch auch in anderen Regionen wies die Erde andere Merkmale auf als heute: Der Meeresspiegel lag deutlich tiefer und so besaß unser Planet teils riesige Landflächen, die heute unter Wasser liegen. Es gibt bereits zahlreiche Hinweise darauf, dass es im Verlauf des Pleistozäns und seines Übergangs zur Jetztzeit auch zu intensiven Veränderungen der Bedingungen in vielen Regionen kam, die das Schicksal der Flora und Fauna und auch der Vertreter der Gattung Homo stark geprägt haben.

Die Entwicklung Südostasiens im Visier

In diesem Zusammenhang richten Julien Louys von der Griffith University in Brisbane und Patrick Roberts vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte nun den Fokus auf die Entwicklungen in einer bisher vergleichsweise wenig erforschten Region. Es ist bekannt, dass die heutigen Inseln Südostasiens im Pleistozän Teile einer riesigen Landfläche waren, die sich vom indochinesischen Festland bis weit in den Süden erstreckte. Aus Funden geht hervor, dass dort im mittleren Pleistozän vermutlich fünf Vertreter Hominini-gelebt haben, darunter auch Homo erectus. Südostasien ist deshalb eine wichtige Region für das Verständnis der Migration und des Aussterbens von Hominini- und Säugetierarten, sagen die Forscher.

Um Hinweise auf die Entwicklung der Lebensbedingungen in dieser Region in den letzten 2,6 Millionen Jahren zu gewinnen, haben Louys und Roberts Isotopenanalysen an zahlreichen fossilen Zähnen von Säugetieren von verschiedenen Fundorten Südostasiens durchgeführt. Wie sie erklären, ist anhand der Anteile bestimmter Kohlenstoff- und Sauerstoffisotope erkennbar, ob die Tiere vorwiegend Gräser oder Urwald-Vegetation gefressen haben und welche klimatischen Bedingungen zu ihren Lebzeiten herrschten. „Diese Analysen liefern uns Momentaufnahmen von der Ernährung dieser Arten und den Umweltbedingungen, in denen sie sich bewegten“, sagt Roberts.

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Landschafts-Transformationen zeichnen sich ab

Die Ergebnisse zeigten, dass im frühen Pleistozän Regenwälder das Gebiet vom heutigen Myanmar bis in den Süden Indonesiens dominierten. Doch dann begannen sich Graslandschaften auszubreiten, die etwa vor einer Million Jahren ihre maximale Ausdehnung erreichten, zeichnet sich in den Ergebnissen der Isotopenanalysen ab. Diese Transformation der Landschaft war mit dem Aussterben zahlreicher an Tropenwälder angepasster Arten verbunden, sagen die Forscher. Möglicherweise verschwand so auch der größte bekannte Vertreter der Affen: der bis zu einer halben Tonne schwere Gigantopithecus. Dafür machten sich in den Savannen nun weidende Großtiere breit, wie das elefantenähnliche Stegodon. Vermutlich bot diese Landschaft auch günstige Lebensbedingungen für die Vertreter der Hominini, berichten Louys und Roberts.

Doch vor etwa 129.000 Jahren begannen die Savannen wieder zu schrumpfen, geht aus den Daten der Wissenschaftler hervor: Der Regenwald, der heute mit seinem Dach aus Baumkronen und seiner regenwaldtypischen Tier- und Pflanzenwelt die Ökologie der Region prägt, kehrte zurück und ersetzte das Grasland bis zum Beginn des Holozän wieder vollständig. Die Forscher konnten dokumentieren, dass diese Rückentwicklung erneut mit einer Aussterbewelle verbunden war: Einige südostasiatische Großtierarten verschwanden und auch die Spuren der zuvor verbreiteten frühen Menschenformen waren nicht mehr nachweisbar.

War nur der moderne Mensch dem Urwald gewachsen?

Dies lässt den Forschern zufolge vermuten, dass Arten wie Homo erectus, die einst in der Region zu finden waren, sich nicht an die Wiederausdehnung der tropischen Wälder anpassen konnten. Doch es erschien dann eine flexiblere Art auf der Bildfläche: „Allein unsere Spezies, der Homo sapiens, scheint fähig gewesen zu sein, den Regenwald erfolgreich zu nutzen und in ihm zu bestehen, während alle anderen Hominini-Arten offenbar nicht in der Lage waren, sich an diese dynamischen, extremen Umgebungen anzupassen“, sagt Roberts.

In gewisser Weise verursacht der Mensch nun allerdings erneut einen Rückgang der Regenwälder, wie es zuvor die klimatischen Verschiebungen im mittleren Pleistozän verursacht haben, schreiben die Wissenschaftler. Und erneut geht dies mit einer Aussterbewelle einher: „Durch Stadterweiterung, Abholzung und Überjagung, laufen wir nun Gefahr, die südostasiatischen Säugetiere der Wälder zu verlieren, darunter einige der letzten Vertreter der Megafauna“, betont Louys abschließend.

Quelle: Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-020-2810-y

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