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Überleben auf extremer Sparflamme

Erde|Umwelt

Überleben auf extremer Sparflamme
Ein Tiefsee-Forschungs-Tauchboot gewinnt Sedimentbohrkerne am Meeresboden. (Bild: Geoff Wheat, NSF OCE 1130146, und die National Deep Submergence Facility)

Ganz ohne geht es nicht – doch wie viel Energie reicht zum Überleben aus? Eine Studie zeigt nun, dass die erstaunlich genügsamen Mikroben im Meeresboden noch weniger Energie zum Überdauern benötigen, als bisher bekannt war. Die Ergebnisse werfen damit Licht auf die irdischen Existenzgrenzen sowie auf das Potenzial für Leben auf anderen Himmelskörpern, sagen die Wissenschaftler.

Wenn wir über die Natur des Lebens auf der Erde nachdenken, haben wir meist Pflanzen, Tiere, Algen und Bakterien vor Augen, die auf der Erdoberfläche und in den Ozeanen existieren. Doch wie seit einiger Zeit bekannt ist, gibt es eine riesige Biosphäre, die uns weitgehend verborgen bleibt: Im Untergrund der Ozeane existieren enorme Mengen von Mikroben. Diesen Organismen hat nun ein internationales Forscherteam erneut eine Studie gewidmet.

„Frühere Studien über das Leben im marinen Untergrund konzentrierten sich hauptsächlich darauf, wer dort existiert und in welchem Umfang. Jetzt sind wir tiefer auf ökologische Fragen dieser Lebewesen eingegangen“, sagt Co-Autor Jan Amend von der University of Southern California in Los Angeles. Der Fokus der Forscher lag dabei auf dem Energieverbrauch, der es allen Lebewesen ermöglicht, ihren Stoffwechsel aufrechtzuerhalten und wesentliche Funktionen wie Wachstum, Reparatur und Ersatz von Biomolekülen zu gewährleisten.

Umfassender Blick auf einen geheimnisvollen Lebensraum

Das Team nutzte für die Studie Untersuchungsergebnisse von Bohrkernen, die weltweit aus dem Meeresboden gezogen wurden. Anhand der Daten entwickelten sie ein globales Bild der Biosphäre im marinen Untergrund, das die wichtigsten Lebensformen und biogeochemischen Prozesse umfasst. Anschließend erstellten die Wissenschaftler ein Modell, das die weltweite Verfügbarkeit von Energie im Meeresboden verdeutlicht. Um weitere Details herauszuarbeiten, kombinierten sie Daten über die Verteilung und die Mengen von Kohlenstoff und des mikrobiellen Lebens mit den Geschwindigkeiten biochemischer Prozesse. So kamen sie zu Einschätzungen, mit welchen Raten Mikroben im marinen Untergrund Energie umsetzen.

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Aus den Ergebnissen geht hervor, dass einige Bakterien im marinen Untergrund mit weit weniger Energie überleben können, als man bisher für möglich gehalten hat. Der Minimalismus ist dabei kaum vorstellbar. „Der Durchschnittsmensch verbraucht etwa 100 Watt Leistung. Dies entspricht in etwa der eines Deckenventilators, einer Nähmaschine oder zweier handelsüblicher Glühbirnen. Aus unseren Berechnungen geht hervor, dass die durchschnittliche Mikrobe, die in Tiefseesedimenten existiert, mit ungefähr fünfzig Trilliarden-Mal weniger Energie überlebt als ein Mensch“, sagt James Bradley von der Queen Mary University of London. „Viele von ihnen leben in einem weitgehend inaktiven Zustand. Sie wachsen nicht, teilen sich nicht und entwickeln sich auch nicht weiter. Diese Mikroben sind aber nicht tot, verbrauchen allerdings weitaus weniger Energie als bisher gedacht, um weiter zu überdauern“, so der Wissenschaftler.

Wie er und seine Kollegen weiter berichten, verdeutlichte ihre globale Bestandsaufnahme zudem: Nur etwa 2,7 Prozent der Ozeansedimente sind „oxisch“ – sie verfügen über Sauerstoff, der den Großteil des Lebens auf unserem Planeten ermöglicht. Der weitaus überwiegende Teil ist somit „anoxisch“ und der Lebensraum von Mikroben, die Methan bilden (in 64,3 Prozent der Sedimente), gefolgt von Organismen, die Sulfate als Energiequelle nutzen, berichten die Wissenschaftler. Obwohl sie wenig Aktivität zeigen, tragen die in den Meeressedimenten der Erde enthaltenen Mikroben aufgrund ihrer enormen Gesamtmasse dennoch erheblich zum Kohlenstoff- und Nährstoffkreislauf der Erde bei, betonen die Forscher.

Überleben am Limit

Wie sie erklären, nutzen die Organismen in den Extrembereichen die winzigen Energiemengen wahrscheinlich nur, um ihnen das bloße Überleben zu ermöglichen: Die Energie wird für die „Wartung“ verwendet – den Ersatz oder die Reparatur von beschädigten Teilen. Die Wissenschaftler vermuten, dass viele der Mikroben aus den Tiefen unter dem Meeresboden Überreste von Populationen sind, die vor Tausenden bis Millionen von Jahren in seichten Küstengebieten lebten. Anschließend wurden sie dann immer tiefer vergraben und verfielen in eine Existenzform, die ihnen ein Überdauern von enormen Zeiträumen ermöglicht.

Die Ergebnisse werfen damit nun auch grundlegende Fragen zu unseren Definitionen dessen auf, was Leben ausmacht, sowie zu den Grenzen des Lebens auf der Erde und anderswo, sagen die Forscher. „Die Ergebnisse stellen nicht nur die Natur und die Grenzen des Lebens auf der Erde, sondern auch anderswo im Universum in Frage“, sagt Bradley. „Wenn es Leben beispielsweise auf dem Mars oder auf dem Jupitermond Europa gibt, würde es höchstwahrscheinlich im Untergrund dieser energiebegrenzten Himmelskörper Zuflucht suchen. Und wenn Mikroben nur wenige Zeptowatt Leistung zum Überleben benötigen, könnte es unter der eisigen Oberfläche von Planeten und Monden Reste von Organismen geben, die lange Zeit schlummerten, aber technisch gesehen immer noch ‚lebendig‘ wären“, so der Wissenschaftler.

Quelle: Queen Mary University of London, Fachartikel: Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.aba0697

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