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Ursprung der Träger-Scholle identifiziert

Erde|Umwelt

Ursprung der Träger-Scholle identifiziert
MOSAiC ice floe during Leg 4, June 30. 2020

Sie bildet die schwimmende Heimat der größten Arktiserkundung aller Zeiten: Die Forscher der MOSAiC-Expedition haben nun den Ursprungsort der Eisscholle aufgespürt, mit der sie seit Oktober 2019 durch das Nordpolarmeer driften: Sie bildete sich im Dezember 2018 vor den Neusibirischen Inseln und trieb dann im Zickzackkurs zum Treffpunkt mit dem Forschungsschiff Polarstern, geht aus Satelliten-Daten hervor. Bei dem aktuellen Tauwetter zeigen sich nun auch „Souvenirs“ von der Kinderstube der Scholle, berichten die Wissenschaftler: Steinchen und Muscheln, die das Eis bei seiner Entstehung an der Küste aufgesammelt hat.

Eine Sorgenregion der Erde im Fokus: Kaum ein Bereich hat sich in den vergangenen Jahrzehnten so stark erwärmt wie die Arktis. Dies macht sich unter anderem durch die immer kleiner werdenden Meereisflächen bemerkbar. Jedes Jahr breitet sich das arktische Meereis ab Herbst aus, bis es durch die milderen Temperaturen im Frühling wieder schrumpft. In den letzten Jahrzehnten hat sich das sommerliche Minimum der Meereis-Ausdehnung jedoch drastisch reduziert. In den 1980er Jahren entsprach sie noch etwa der 20-fachen Fläche Deutschlands. In den vergangenen Jahren blieb im Sommer hingegen durchschnittlich nur noch die 10-fache Fläche übrig. Wenn der Klimawandel ungebremst fortschreitet, befürchten Forscher, dass ab 2030 auch die zentralen Bereiche der Arktis im Sommer eisfrei sein werden. Dies könnte wiederum mit erheblichen Folgen für das Klima verbunden sein.

Mit einer Eisscholle unterwegs durchs Nordpolarmeer

Ziel der Expedition „Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate“, kurz MOSAiC, ist es, die Prozesse in der Arktis besser zu verstehen. Etwa 300 Wissenschaftler aus 16 Ländern nehmen an der aufwendigen Mission teil. Sie wollen das gesamte Klimasystem in der Zentralarktis erforschen: Sie sammeln Informationen in den fünf Teilbereichen Atmosphäre, Meereis, Ozean, Ökosystem und Biogeochemie, um die Wechselwirkungen zu verstehen, die das arktische Klima und das Leben im Nordpolarmeer prägen. Erfasst werden die Daten auf einer Eisscholle, auf der die Wissenschaftler vom Schiff Polarstern aus ihr Forschungscamp errichtet haben. Seit Oktober 2019 nimmt die Scholle sie nun mit auf ihrer Reise durch das Nordpolarmeer, die durch die Strömungen angetrieben wird.

Wie die Forscher berichten, war es nicht einfach, im Herbst 2019 eine Scholle mit ausreichender Dicke zu finden. Denn im vorhergehenden Sommer hatten die arktischen Temperaturen erneut Rekordwerte erreicht, wodurch es zu einer enormen Schmelze gekommen war. Im Rahmen der aktuellen Studie sind die Wissenschaftler nun der Frage nachgegangen, woher die Scholle stammte, an der die Polarstern am 4. Oktober 2019 schließlich anlegte. Sie werteten dazu Satellitendaten aus und führten Modellrechnungen zur Bewegung der etwa 2,5 mal 3,5 Kilometer messenden Scholle durch.

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Grüße von der sibirischen Küste

„Unsere Studie zeigt, dass die Scholle im Dezember 2018 im Flachwasserbereich der russischen Schelfe gebildet wurde“, berichtet Co-Autor Thomas Krumpen vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Konkret handelt es sich bei dem Entstehungsort um einen Bereich vor den Neusibirischen Inseln, die die Ostsibirische See und die Laptewsee nördlich von Sibirien voneinander trennen. Den Ergebnissen zufolge hatte die MOSAiC-Eisscholle bereits 1200 Seemeilen im Zickzackkurs zurückgelegt, bis sie den Treffpunkt mit der Polarstern erreichte.

Die sommerliche Eisschmelze gibt aufgesammelte Steinchen vom Bildungsbereich der Scholle frei. (Foto: Lisa Grosfeld)

Wie die Forscher erklären, bildete sich das Eis vor der sibirischen Küsten und wurde dann durch starke Winde aufs Meer gedrückt. „Wir haben den glücklichen Umstand, dass wir eine Scholle gefunden haben, die den Sommer überlebt hat und von den russischen Schelfen stammt. So lassen sich Transportprozesse der ‚alten Arktis‘ untersuchen, die heutzutage nicht mehr oder nur noch teilweise funktionieren“, sagt Krumpen.

„Schmutziges“ Eis im Visier

Wie er und seine Kollegen berichten, werden durch das aktuelle Tauwetter nun auch Einschlüsse sichtbar, die bei der Bildung des Eises entstanden sind. Denn im Flachwasserbereich werden häufig Sedimente vom Meeresboden aufgewirbelt und ins Eis eingeschlossen. Zudem kann das Eis manchmal über den Meeresboden kratzen und dabei Material aufschnappen. „An mehreren Stellen unserer Scholle haben wir nun ganze Haufen von Kieseln von mehreren Zentimetern Durchmessern gefunden und es sind auch Muscheln dabei“, berichtet MOSAiC-Leiter Markus Rex vom AWI.

Auf den ersten Blick wirkt es, als hätten Menschen mit verdreckten Schuhen flächendeckend dunkle Spuren im Schnee hinterlassen, so die Forscher. Dies bildet ihnen zufolge nun erneut die Grundlage einer Forschungsfrage. Denn dunkle Flächen erwärmen sich durch die geringere Rückstrahlung des Lichts mehr als das eisige Weiß. Somit stellt sich die Frage, wie stark die „schmutzigen“ Flächen das Schmelzen der Scholle nun beschleunigen. Einblicke in die Bedeutung dieses Faktors sollen neben vielen weiteren Ergebnissen der MOSAiC-Expedition zum besseren Verständnis der Wechselwirkung zwischen Ozean, Eis, Atmosphäre sowie der biogeochemischen Kreisläufe in der Arktis beitragen.

Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Fachartikel: The Cryosphere, doi: 10.5194/tc-14-2173-2020

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