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Versteckter Nährstoffeinstrom in der Arktis

Erde|Umwelt

Versteckter Nährstoffeinstrom in der Arktis
Arktische Tundra
Tundra in Alaska. (Bild: Dieter Meyerl/ iSTock)

Der gefrorene Boden der arktischen Permafrost-Gebiete ist überraschend durchlässig. Denn auch unter diesen Bodenschichten sammelt sich Grundwasser und strömt unterirdisch ins küstennahe Nordpolarmeer. Damit jedoch ist dieses arktische Grundwasser auch eine bislang weit unterschätzte Quelle von organischem Material und Nährstoffen für die arktische See. Wie Forscher an der Küste der Beaufort-See in Alaska ermittelt haben, gelangt dort doppelt so viel gelöste organische Substanz mit dem Grundwasserstrom ins Meer wie angenommen. Dieser Eintrag macht rund 70 Prozent der Einträge durch die Flüsse aus.

Grundwasser ist nicht nur eine wichtige Ressource für unser Trinkwasser, die Grundwasserleiter spielen vor allem in der Nähe von Küsten und Gewässern eine Rolle als Transportadern für Spurenelemente und Nährstoffe. Ähnlich wie Flüsse das oberirdisch abfließende Regenwasser und seine Inhaltsstoffe sammeln und ins Meer schwemmen, strömt auch Grundwasser unterirdisch vom Land in Richtung Meer. „Das Grundwasser ist das größte aktive Reservoir im globalen Wasserkreislauf“, erklären Craig Connolly von der University of Texas in Austin und seine Kollegen. „Seine Bewegung vom Land ins Meer repräsentiert eine bedeutende Quelle von Süßwasser und Nährstoffen für küstennahe ökologische und biogeochemische Prozesse.“ Doch ausgerechnet für eine besonders sensible Region ist der Beitrag dieses Grundwassereinstroms ins Meer bislang kaum erfasst: für die Arktis. Dort liegen im Permafrost große Mengen an organischem Kohlenstoff und anderen Nährstoffen in Form von gefrorenen Pflanzenresten und Tierkadavern konserviert. Typischerweise taut von diesem Boden nur im Sommer eine kleine, oberflächliche Schicht auf, der Rest bleibt gefroren.

Unterirdischer Stoffstrom

Das Grundwasser in den arktischen Gefilden liegt größtenteils unterhalb von Bodenschichten, die das gesamte Jahr hindurch gefroren bleiben. Deshalb ist bislang nur in Teilen geklärt, wie viel Wasser und organisches Material aus den oberen Schichten bis in die Grundwasserleiter einsickert – und wie viel davon unterirdisch in den küstennahen Ozean gelangt. Dies haben nun Connolly und sein Team am Beispiel eines Küstenstreifens der Beaufort-See in Alaska untersucht. Für ihre Studie nahmen sie im Sommer und Spätsommer an verschiedenen Stellen Boden- und Wasserproben, die sie auf ihren Nährstoffgehalt und auf die enthaltenen Kohlenstoff-Isotope hin analysierten. Zudem führten sie Laborexperimente zur Durchlässigkeit und dem Nährstofftransport innerhalb der Böden durch.

Dabei zeigte sich: Entgegen den Annahmen enthält das arktische Grundwasser nicht nur organische Substanzen aus den oberflächennahen, im Sommer angetauten Schichten des Permafrosts. Es nimmt auch Nährstoffe aus tieferen hunderte bis tausende Jahre alten Schichten auf. „Das unterstreicht die Annahme, dass ein signifikanter Anteil der organischen Inhaltsstoffe im Grundwasser unter dem Permafrost aus tieferen Bodenschichten stammt“, sagen die Forscher. Diese gelösten Substanzen gelangen dann mit dem unterirdischen Grundwasserabfluss bis in die küstennahen Meeresgebiete. Dieser Einstrom macht einen überraschend großen Anteil des gesamten Nährstoffeinstroms ins arktische Meer aus, wie Connolly und sein Team ermittelten. „Die Konzentrationen liegen mit 1,35 Milligramm Kohlenstoff pro Liter und 0,1 Gramm Stickstoff pro Liter um ein bis zwei Größenordnungen höher als der Einstrom durch nahegelegene Flüsse im gleichen Zeitraum“, berichten sie.

Klimawandel wird Grundwasser-Transport verstärken

Nach Ansicht von Connolly und seinem Team deutet dies darauf hin, dass das arktische Grundwasser eine bislang weit unterschätzte Quelle von Nährstoffen und organischem Material in die arktischen Meere darstellen könnte. „Wir müssen unsere Vorstellung zum Grundwasser revidieren“, sagt Connollys Kollege Jim McClelland. „Das Wasser, das aus den Flüssen ins Nordpolarmeer fließt, ist gut untersucht und erfasst, aber bis jetzt galt dies nicht für das dort ins Meer strömende Grundwasser.“ Das müsse sich ändern. Denn nach Schätzungen des Forscherteams könnte in der arktischen Beaufort-See durch unterirdische Grundwasserströme gut zwei Drittel so viel gelöste organische Substanz ins Meer transportiert werden wie durch Flüsse. Mit dem zunehmenden Auftauen des Permafrosts durch den Klimawandel könnte dieser Anteil in Zukunft noch steigen. „Die Arktis erwärmt sich doppelt so stark wie der Rest des Planeten – und damit taut auch der Permafrost und Aquifere bilden sich neu“, erklärt Connollys Kollege Bayani Cardenas. „Es ist wahrscheinlich, dass damit auch der Grundwasser-Transport in der Arktis künftig an Bedeutung gewinnen wird.“

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Quelle: Craig Connolly (University of Texas, Austin) et al., Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-020-15250-8

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