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Werden Seen zu Treibhausgas-Schleudern?

Erde|Umwelt

Werden Seen zu Treibhausgas-Schleudern?
Durch die Klimaerwärmung nimmt der Eintrag von Pflanzenmaterial in Gewässer zu - mit möglicherweise problematischen Folgen. (Instants/iStock)

Ein problematischer Rückkopplungseffekt zeichnet sich ab: Die Klimaerwärmung sorgt für mehr Biomasse-Einträge in die Gewässer des Nordens, was mit einer starken Zunahme von Treibhausgasemissionen verknüpft sein könnte, geht aus einer Studie hervor. Das größere Nahrungsangebot im Wasser führt demnach zu einer Erhöhung der biologischen und chemischen Vielfalt – es entstehen vielfältigere kohlenstoffhaltige Verbindungen. Dies ist wiederum mit einer überproportional starken Freisetzung von Kohlendioxid und Methan verknüpft. Die bereits erheblichen Emissionen aus den Seen der nördlichen Breiten könnten sich dadurch zukünftig sogar verdoppeln, sagen die Forscher.

Riesige Meere bedecken weite Teile der Welt – doch auch die vergleichsweise kleinen Süßwasserflächen haben eine beachtliche Bedeutung für unseren Planeten. Die organische Substanz in diesen flachen Gewässern ist Schätzungen zufolge für die Bildung eines Viertels des gesamten Kohlendioxids und für mehr als zwei Drittel des Methans in unserer Atmosphäre verantwortlich. Vor dem Hintergrund dieser Bedeutung im Rahmen der klimatischen Entwicklung der Erde ist die Frage berechtigt: Wie wird sich die Treibhausgasproduktion der Seen im Rahmen der Klimaerwärmung verändern?

Was bewirkt mehr Biomasse im Wasser?

Grundsätzlich zeichnet sich in diesem Zusammenhang ab, dass durch die Erwärmung im Norden die Vegetation im Bereich der dortigen Gewässer zunimmt. Folglich wird auch mehr Biomasse in die Flüsse und Seen gelangen, wo es einer bunten Gemeinschaft an Lebewesen als Nahrung dient. Dabei setzten sie Kohlendioxid oder Methan frei, das dann in die Atmosphäre gelangen kann, wo es zum Treibhauseffekt beiträgt. Im Rahmen ihrer Studie haben die Forscher um Andrew Tanentzap von der University of Cambridge nun untersucht, inwieweit ein erhöhter Eintrag von Biomasse zu Veränderungen dieses Systems führt.

Sie füllten dazu Container mit unterschiedlichen Anteilen von Gesteinen und organischem Material – bestehend aus Laub- und Nadelabfällen aus nahe gelegenen Wäldern. Diese Behälter tauchten sie anschließend in das flache Wasser von zwei kanadischen Seen. Nach zwei Monaten erfassten die Wissenschaftler dann durch moderne Nachweisverfahren die Veränderung der Diversität der organischen Moleküle, die Vielfalt der mikrobiellen Gemeinschaften und die Treibhausgasfreisetzung im Wasser der Testbehälter.

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Was grundsätzlich passieren würde, schien klar: Lebewesen beginnen, das Pflanzenmaterial zu zersetzen. Bestimmte Arten zerlegen es dabei in verschiedene kohlenstoffhaltige Verbindungen. Diese können dann wiederum anderen Mikroben als Nahrung dienen. Es entsteht somit auf der Basis des Pflanzenmaterials eine illustre Mikrobengemeinschaft, die verschiedene Verbindungen ins Wasser freisetzt und durch ihren Stoffwechsel schließlich Kohlendioxid oder Methan abgibt. Soweit bekannt. Was bei unterschiedlichen Mengen organischen Ausgangsmaterials passiert, sollten nun die Analysen des Wassers der Testbehälter zeigen.

Erhöhte Vielfalt steigert Emissionen

Wie die Wissenschaftler berichten, zeichnete sich ab: Je mehr organische Substanz vorhanden war, desto mehr nahm die Vielfalt der kohlenstoffhaltigen Verbindungen und die Biodiversität im Wasser zu. Das Besondere war dabei: Vor allem die größere chemische Vielfalt war mit einer verstärkten Freisetzung von Treibhausgasen verknüpft, die nicht allein auf die erhöhte Menge an Biomaterial zurückzuführen war. Der Faktor war dabei erheblich: Die resultierende Zunahme des mikrobiellen Abbaus könnte die Treibhausgasemissionen um den Faktor 1,5 bis 2,7 erhöhen – mit entsprechenden Auswirkungen auf den globalen Kohlenstoffkreislauf, sagen die Forscher.

„Der Klimawandel wird die Waldbedeckung erhöhen und die Artenzusammensetzung ändern, was dazu führt, dass eine größere Vielfalt von Blättern und Pflanzenabfällen in die Gewässer fällt. Aus unseren Ergebnissen geht in diesem Zusammenhang hervor, dass die daraus resultierende Zunahme der Vielfalt organischer Moleküle im Wasser zu höheren Treibhausgaskonzentrationen führt“, resümiert Tanentzap. Ihm zufolge bietet dieses Wissen nun allerdings auch Raum für Maßnahmen: „Wenn wir diese Zusammenhänge verstehen, können wir nach Möglichkeiten suchen, um die CO2-Emissionen in Zukunft zu senken, beispielsweise durch eine Änderung der Landbewirtschaftungspraktiken.“ Konkret könnten dies Maßnahmen sein, die verhindern, dass übermäßig viel Pflanzmaterial in Gewässern landet.

Das Team will nun auch weiter am Ball bleiben: Die Wissenschaftler planen eine Erweiterung der Studie, indem sie Proben aus 150 Seen in ganz Europa entnehmen wollen. Ihr Ziel ist es dabei, die ökologische Bedeutung der Vielfalt organischer Moleküle in natürlichen Süßwassersystemen weitere auszuloten.

Quelle: University of Cambridge. Fachartikel: PNAS, doi: 10.1073/pnas.1904896116

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