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85 Prozent der Weltbevölkerung schon jetzt betroffen

Klimawandel

85 Prozent der Weltbevölkerung schon jetzt betroffen
Klimawandel
Klimafolgen zeigen sich schon fast überall.(Bild: BenGoode/ iStock)

Weltweit gibt es so viele Studien zum Klimawandel und seinen Folgen, dass menschliche Experten an ihre Grenzen stoßen, wenn es darum geht, die Ergebnisse zu sichten. Forscher haben nun eine künstliche Intelligenz darauf trainiert, wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Klimawandel und seinen Folgen zu identifizieren, auszuwerten und zusammenzufassen. Mit Hilfe maschinellen Lernens zeigen sie auf der Basis von über 100.000 Studien, dass Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels schon heute auf 80 Prozent der Landfläche nachzuweisen sind. 85 Prozent der Weltbevölkerung sind demnach betroffen.

Der Klimawandel sorgt auf der Welt für steigende Temperaturen, ungleichmäßiger verteilte Niederschläge, häufigere Extremwetterereignisse, schmelzende Gletscher und steigende Meeresspiegel. Unzählige Studien beschäftigen sich mit den verschiedenen Auswirkungen auf die Umwelt und den Menschen, teils auf lokaler und regionaler Ebene, teils global. Viele dieser Studien wertet der Weltklimarat IPCC für seine Berichte aus. Doch angesichts der unüberschaubaren Vielzahl wissenschaftlicher Evidenz ist es für menschliche Experten nahezu unmöglich, einen Überblick zu gewinnen.

Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft

Ein Team um Max Callaghan vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change in Berlin hat nun mit Hilfe maschinellen Lernens über 100.000 Studien ausgewertet und eine Weltkarte erstellt, auf der die jeweilige Evidenz für ortsspezifische Auswirkungen des Klimawandels verzeichnet ist. „Wir kommen zu dem Schluss, dass die Auswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels auf 80 Prozent der Landfläche der Erde zu finden sind, wo 85 Prozent der Bevölkerung leben“, schreiben die Forscher.

„Diese Auswirkungen zeigen sich in einer Reihe verschiedener Systeme und auf verschiedenen Ebenen, die ein breites Spektrum von Forschungsbereichen abdecken, von der Glaziologie bis zur Agrarwissenschaft und von der Meeresbiologie bis zur Migrations- und Konfliktforschung.“ Bisherige Überblicksstudien fokussierten sich üblicherweise auf eine eingegrenzte Fragestellung und konnten auch zu dieser nur eine begrenzte Anzahl an Studien einbeziehen. Der Ansatz von Callaghan und seinen Kollegen ermöglichte dagegen, einen sehr weitreichenden Überblick über die bisher vorliegenden Studien.

Künstliche Intelligenz hilft bei der Auswertung

Dazu nutzten die Forscher eine künstliche Intelligenz, die in der Lage ist, natürliche Sprache auszuwerten. „Diese Software entwickelten wir so weiter, dass sie Studien über beobachtete Klimaauswirkungen identifizieren, lokalisieren und klassifizieren kann – und zwar in einem Maßstab, der weit über das hinausgeht, was manuell möglich ist“, erklären Callaghan und seine Kollegen. Mit dieser Technik fanden sie über 102.000 Veröffentlichungen, die für das Verständnis der Auswirkungen des Klimawandels relevant sind.

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Die künstliche Intelligenz erfasste unter anderem, auf welche Region sich die jeweiligen Ergebnisse der Studien bezogen. Dies glichen die Forscher mit weiteren Daten zu Temperatur- und Niederschlagstrends ab, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf menschliche Aktivitäten zurückführen lassen. Auf diese Weise erstellten sie eine Weltkarte, die zeigt, für welche Regionen die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels bereits gut belegt sind. Das Ergebnis: „Der größte Teil der Weltbevölkerung lebt in Gebieten, in denen Temperatur- und/oder Niederschlagstrends zumindest teilweise auf den Einfluss des Menschen zurückgeführt werden können“, so die Autoren.

Datenlücken bei ärmeren Ländern

Zudem stellten die Forscher fest, dass die relevanten Veröffentlichungen ungleichmäßig auf verschiedene Regionen verteilt sind. „Unsere Ergebnisse offenbaren eine erhebliche Kluft“, schreiben sie. „Robuste Belege für potenziell auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführende Auswirkungen sind für Länder mit hohem Einkommen doppelt so häufig wie für Länder mit niedrigem Einkommen.“ Die stärksten Belege fanden sie für Westeuropa, Nordamerika sowie Süd- und Ostasien. Insbesondere für Afrika und Südamerika war die Evidenz dagegen geringer. „Dieses Ungleichgewicht deutet darauf hin, dass der Mangel an Beweisen in einzelnen Studien darauf zurückzuführen ist, dass diese Orte weniger intensiv untersucht werden, und nicht darauf, dass es in diesen Gebieten keine Auswirkungen gibt“, so die Forscher.

Den Autoren zufolge ist ihr Ansatz gut geeignet, um bisherige wissenschaftliche Evidenz zusammenzufassen und mögliche Forschungslücken zu verdeutlichen. „Generell ist anzumerken, dass diese Art von automatisiertem Bewertungsverfahren eine sorgfältige Bewertung durch Experten nicht ersetzen kann“, schreiben sie. „Die Methode kann aber eine große Anzahl von Studien identifizieren, die auf einen durch den Menschen verursachten Einfluss auf die Klimawandelfolgen hinweisen können.“

Quelle: Max Callaghan (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, Berlin) et al., Nature Climate Change, doi: 10.1038/s41558-021-01168-6

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