Kleiber verstehen die Meisensprache, haben amerikanische Biologen beobachtet: Die Vögel können anhand des Warnrufs der Meise erkennen, ob sich ein Feind am Boden oder aus der Luft nähert und stellen ihre Abwehrreaktionen entsprechend darauf ein. Bisher war zwar bekannt, dass Vögel die Warnrufe von Vögeln anderer Arten wahrnehmen, doch ein solcher gezielter Informationsaustausch sei bisher noch nicht beobachtet worden, erklären die Wissenschaftler um Christopher Templeton von der Universität von Washington in Seattle.
Die
Schwarzkopfmeise hat zwei verschiedene Warnrufe, hatten Templeton und seine Kollegen bereits in früheren Studien herausgefunden. Nähert sich aus der Luft ein Falke, eine Eule oder ein Habicht, lässt sie ein weiches, hohes „seet“ ertönen. Sitzt der Feind hingegen auf dem Boden oder auf einem Busch, versuchen sie, mit lauten „chick-a-dee-dee-dee“-Rufen Artgenossen anzulocken, um ihn gemeinsam in die Flucht zu schlagen. Je nachdem, wie groß und wie gefährlich der Feind ist, variieren die Meisen bei diesem Warnruf die Zahl der „dee-dees“ und können die Reaktion der Gewarnten entsprechend beeinflussen.
Diese Sprache verstehen jedoch nicht nur andere Meisen, sondern auch Kanadakleiber, beobachteten die Wissenschaftler, als sie einen Lautsprecher in einem Baum installierten, die Vögel mit den Warnrufen der Meise beschallten und deren Reaktion beobachteten. So versetzte der Warnruf „Achtung, große Eule!“ die Kleiber weniger in ängstliche Aktivität als der Ruf, der vor einer weniger behäbigeren und damit gefährlicheren Zwergeule warnt.
„Zu wissen, welcher Feind gerade in der Nähe ist, kann über Leben und Tod entscheiden“, erklärt Templeton. Da sich die Kleiber ihren Lebensraum mit den Meisen teilen, zahle sich das Beherrschen der Meisensprache für die Vögel aus. Da die Angstrufe zum Vertreiben der Feinde bei beiden Vogelarten sehr unterschiedlich sind, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die Kleiber die Rufe der Meisen irgendwann erlernt haben und nicht einfach nur deren Verhalten imitieren.
Christopher Templeton (Universität von Washington, Seattle) et al.: PNAS, Online-Vorabveröffentlichung, DOI 10.1073pnas.0605183104 ddp/wissenschaft.de ? Ulrich Dewald