Was Menschen zum Haare blondieren benutzen, verwendet der Körper offenbar, um schnelle Eingreiftruppen des Immunsystems an verletzte Hautstellen zu dirigieren: Entsteht irgendwo eine Wunde, beginnt das Gewebe rund um die Verletzung binnen weniger Minuten, Wasserstoffperoxid zu produzieren, haben US-Forscher am Beispiel von Zebrafischen, einem beliebten Modellorganismus, gezeigt. Das Peroxid wirkt auf weiße Blutkörperchen wie ein Alarmsignal, und sie wandern in Richtung der höchsten Konzentration. Damit schlägt der Organismus sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe: Er tötet potenzielle Eindringlinge direkt in der Wunde ab und ruft gleichzeitig die Hilfe des Immunsystems herbei. Einziger Haken: Der Nachweis, dass der menschliche Körper genauso vorgeht, steht noch aus, schreiben Philipp Niethammer von der Harvard-Universität in Boston und seine Kollegen.
Eigentlich hatten Wissenschaftler immer angenommen, dass die Ereignisse genau umgekehrt ablaufen: Die Wunde ruft die Abwehrzellen herbei, und diese produzieren dann erst das Wasserstoffperoxid zur Keimabwehr. Auf den tatsächlichen Mechanismus stießen Niethammer und sein Team jetzt eher zufällig: Sie hatten Zebrafisch-Larven ein zusätzliches Gen eingepflanzt, mit dem sich ganz allgemein sogenannte reaktive Sauerstoffspezies ? besser bekannt als freie Radikale ? nachweisen lassen. Da Wasserstoffperoxid eine dieser Verbindungen ist, brachten die Forscher den Fischchen kleine Schnitte an der Schwanzflosse bei. Ziel der Aktion war es, weiße Blutkörperchen dorthin zu locken und diese dann Wasserstoffperoxid produzieren zu lassen.
Doch überraschenderweise erschien das Wasserstoffperoxid schon nach nur drei Minuten, lange bevor die ersten weißen Blutkörperchen an der Wunde auftauchten, beobachteten die Wissenschaftler. Wurde hingegen die Peroxidproduktion gehemmt, ließ sich nicht nur kein Wasserstoffperoxid nachweisen, sondern es erschienen auch keine Abwehrzellen. “Das bewies, dass die weißen Blutzellen Wasserstoffperoxid brauchten, um die Wunde zu bemerken und sich dorthin zu bewegen”, erläutert Niethammer.
Natürlich seien Zebrafische keine Menschen, doch die Vorstellung, der menschliche Körper würde genauso agieren, sei faszinierend, so die Forscher. Vorausgesetzt, es wäre tatsächlich so, habe man möglicherweise Krankheiten wie chronische Darmentzündungen oder auch Asthma völlig falsch gedeutet. Denn dann wären die hohen Wasserstoffperoxidkonzentrationen bei diesen Entzündungsreaktionen nicht die Folge, sondern die Ursache der Invasion weißer Blutkörperchen, die typisch für diese Krankheiten sind. Diese Hypothese sei es mit Sicherheit wert, weiter verfolgt zu werden.
Philipp Niethammer (Harvard Medical School, Boston) et al.: Nature, Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1038/nature08119 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel